Das 49-Euro-Ticket droht zum Flop zu werden. Für den Kunden, weil die Antragstellung kompliziert ist. Für das System öffentlicher Verkehr, weil nun zu wenig Geld für Service und Reparaturen da ist.
Der Berliner Bahnhof Friedrichstraße ist eine Legende der DDR-Zeit. Hier, im „Tränenpalast“, verabschiedeten sich die Westler von ihrer Ost-Verwandtschaft, bevor sie wieder zurück in die Freie Welt fuhren. In diesen Tagen herrscht dort wieder DDR-Feeling und Tränen-Stimmung – im „Service“-Zentrum der Deutschen Bahn.
An drei Schaltern bedienen dort Mitarbeiter die Kunden. Keine zehn Personen stehen in der Schlange. Trotzdem kommt das Ganze nicht voran. Noch nicht einmal, weil eine Mitarbeiterin ihren Schalter schließt, sondern weil die meisten Wartenden gekommen sind, um sich das 49-Euro-Ticket zu kaufen. Das ist laut Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) „die größte Tarifrevolution im Öffentlichen Personen Nahverkehr und ein echter Fortschritt für unser Land“. Es zu kaufen, dauert aber zehn Minuten.
Das „Deutschlandticket“ unterscheidet sich nicht nur um 40 Euro im Preis vom Neun-Euro-Ticket. Letzteres konnte am Automaten gezogen werden und schon konnten die Kunden losfahren. Das 49-Euro-Ticket müssen die Bittsteller mindestens zehn Tage vor Monatsende beantragen, unter Angabe ihres kompletten Datensatzes sowie dem Nachweis ihrer Solvenz. So verlaufen „Tarifrevolutionen“ in Deutschland.
Das geht doch aber alles auch online? Durchaus richtig. Doch wie sich derzeit nicht nur am Schalter in der Friedrichstraße zeigt, sind es vor allem Personen mit mangelhaften Sprachkenntnissen, die nach der Hilfe eines Bahn-Mitarbeiters drängen. Außerdem motivieren die Verkehrsbetriebe die Kunden, das 49-Euro-Ticket bei ihnen zu lösen – etwa mit Gutscheinen wie die BVG in Berlin.
Zwar hat der Bund den Ländern 1,5 Milliarden Euro zugesagt, um Einnahmeverluste durch das 49-Euro-Ticket auszugleichen. Auch soll kein Verkehrsbetrieb weniger einnehmen als vorher. Doch die Erfahrungen der Corona-Hilfen scheinen nachzuwirken. Die waren als schnell, unbürokratisch und umfassend versprochen worden – und haben sich allzu oft als langsam, bürokratisch und unzureichend herausgestellt. Entsprechend scheinen sich die Verkehrsbetriebe zu sagen, die Einnahmen, die sie durchs „Deutschlandticket“ haben, haben sie. Deswegen haben sie ein Interesse daran, dass die Kunden bei ihnen das Ticket bestellen und nicht online, statt auf die Umverteilung des Geldes zu warten.
Bis jetzt ist das 49-Euro-Ticket vor allem für die elf Millionen Kunden ein Gewinn, die bereits ein Abo für den öffentlichen Nahverkehr abgeschlossen hatten. Sie sparen jetzt 20 bis 40 Euro im Monat. Nur: Im System fehlt dieses Geld und das war bereits vor dem 49-Euro-Ticket kaum ausreichend finanziert. Deswegen mahnt der Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann: „Es ist fraglich, ob die drei Milliarden für das 49-Euro-Ticket ausreichen werden“, wie er dem RND sagte.
Diese drei Milliarden Euro stellen Bund und Länder für das 49-Euro-Ticket. Sie finanzieren den ohnehin defizitären öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Statt wie erhofft diesen ausbauen zu können, fürchtet Naumann, könne es dann passieren, dass Bahn- und Busstrecken ausgedünnt oder gar gekappt werden: Von Investitionen ist der Nahverkehr erst recht weit entfernt. „Dann geht für den Fahrgast der Schuss nach hinten los.“ Der VDV hat tatsächlich bereits mehr Geld gefordert und der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß meint: „Das 49-Euro-Ticket wird die Attraktivität und Qualität des öffentlichen Nahverkehrs kaum steigern.“
Immerhin feiert Minister Wissing die Einfachheit des Tickets: „Schluss mit Rätselraten vor einem Ticketautomaten, Schluss mit Fragen nach Waben, Stufen und Kreisen.“ Stimmt. Der Kunde muss nur noch die Abgabefrist einhalten, das Ticket beantragen, seine Daten angeben, das Geld überweisen und schon kann es losgehen. Einfach einsteigen, ohne Fragen zu stellen. Außer: Ist das ein ICE oder ein IC und kann ich ihn nutzen? Darf ich ein Fahrrad mitnehmen? Ist dieser Verkehrsbetrieb beim 49-Euro-Ticket dabei? Muss ich für meinen Hund ein eigenes Ticket lösen? Ist das Deutschlandticket auf mein Angebotsticket übertragbar. Kurzum: eine sehr deutsche „Tarifrevolution“.
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Erfolgsmodell 9-Euro-Ticket ? Aus Sicht der Autofahrer vielleicht, weil die Straßen die ersten Tage etwas leerer waren. Ansonsten das reinste Chaos – mitunter stundenlange Verspätungen stressten wartende und fahrende Bahnkunden. Wir erlebten Schlägereien um freie Sitzplätze, wobei sich oft Clans behaupteten. Wir fühlten uns an Indien erinnert, auf dem Dach des Zuges wäre es wohl bequemer gewesen. Oder man wurde unfreundlich von Beamten am Einsteigen gehindert, ganze Gruppen getrennt. Nein, dieses Ticket würde ich eher als Kalkutta-Ticket bezeichnen. Schon bei meiner ersten Fahrt gab ich inmitten der geplanten Route auf und fuhr am Ende mit dem Flixbus bequem das letzte… Mehr
Ich versuche seit Tagen, das Ticket online für Mai zu erwerben und habe jetzt aufgegeben, da die Seite chronisch überlastet und damit abgestürzt ist. In der DDR mussten sich die Leute auch bescheiden, wir lernen das jetzt gerade, auch das Führungspersonal ist praktisch identisch.
Und dann bekommt man es noch nichtmal geistig hin, das dauerhaft ohne irgendwelchen Schnickschnack am Automaten als einzelne 30-Tages-Fahrkarte für 49 Euro ohne Abo-Falle, ohne Registrierung, ohne Schufa verkaufen ZU WOLLEN, weil man „moderne Lösungen“ WILL.
Das 49-Euro-Ticket führt allein zu Mitnahmeeffekten zu Gunsten der urbanen Elite und grün-roten Wählerschaft. Die arbeitende Bevölkerung in den verkehrstechnisch schlecht erschlossenen Vorstädten und ländlichen Regionen (also die „Rechten“) zahlen einmal mehr die Rechnung.
Die Elite werden sie in den Zügen nicht antreffen.
Der Vorteil am gegenüber dem 9-Euro-Ticket erhöhtem Fahrpreis von anfangs 49 Euro: Es hält eine gewisse Klientel ab, die mit „Elite“ so gar nichts am Hut hat.
Vielleicht bin ich seit ungefähr 15 oder mehr Jahren dabei, bewußt oder unbewußt, mich digital abzukoppeln. Alleine aus dem Grund würde ich nie dieses fantabulöse 49€-Ticket erwerben. Es fing eigentlich schon 1987 an. Daß Stiefvater Staat wissen wollte, wo und auf wie vielen qm ich wohne, konnte ich ja noch verstehen. Daß er aber nach dem Einkommen fragte, ging mir dann doch zu weit. Mein Erfassungsbogen landete folgenlos im Papierkorb. Und heute? Nie nich würde ich ein „personalisiertes Ticket“ kaufen. Nie nich führe ich ein Auto mit fest installiertem Navi. Nie nich ein Auto, das permanent seine Daten und den… Mehr
Das 49 Euronen-Ticket ist nichts anderes als der Trabbi_4.0
Angesichts der Bürokratie dürfte die „Lieferzeit“ vermutlich in Kürze auch ähnlich lange dauern!
Deutschland im App Fieber. Ich möchte nicht wissen, wieviel die Software Schmiede hier kassiert hat. Genau soviel wie die tolle Warn App oder was.
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Das 9 Euroticket, ein Erfolgsmodel? Tausende Menschen eingepfercht auf engstem Raum, wie gut, daß es kein Killervirus mehr gibt! Teilweise mussten die Züge geräumt werden, weil sie komplett überfüllt waren, pünktlicher waren und sind sie deswegen auch nicht! Und selbstverständlich kann so ein Gigant wie die Deutsche Bahn von einem 9 Euro Ticket gut leben ohne, dass der Steuerzahler den Rest draufzahlen muss!? Mir könnte man ein Ticket schenken, ich würde dankend ablehnen, denn die „Analphabeten aus aller Welt“ haben garkein Ticket in der Tasche, aber dafür ein Messer!
Würden für Menschen die selben Mindeststandards gelten, wie für Viehtransporte, hätte der ÖPV ein massives Problem….
Im übrigen: Umsatz DB 2022 56 Mrd. Euro, „nur “ noch 227 Mio Verlust. 2020 bei Umsatz von rd. 40 Mrd. ein Verlust von stolzen 5,7 Mrd Euro.
Das Geld ist nicht weg, da haben eben nur andere. Fragt mal die Hanseln im DB-Vorstand!
Wichtig ist, daß weiterhin die 100%-Bahncard-Kunden mit Ökostrom, der Sitznachbar mit „normaler“ Fahrkarte leider nur mit herkömmlichem Saft fahren kann. Daß die Triebköpfe jetzt grüne statt roter Steifen tragen und es Züge gibt, die ausschließlich mit Frauen oder denen, die sich dafür halten, betrieben werden. Schließlich gehen „Buntheit und Diversität“ vor Pünktlichkeit, Sauber-und Freundlichkeit. „DB-das Debit“.
Tja, erinnert irgendwie an die GEZ. Keine Ahnung wie man es finanziert, der Steuerzahler wirds schon richten. Marktpreis? Nö…wir setzen sozialistisch einfach einen Preis fest, egal was Mitarbeiter, Wartung und Instandhaltung der Infrastruktur oder Bahnhöfe kosten. So geht wettbewerb. Was kommt als nächstes? Feste Preise für Brötchen und Milch?