Erneut Hunderttausend auf den Straßen – Vize-Landrat: Bautzen wird Pfleger-Impfpflicht nicht umsetzen

In der ganzen Bundesrepublik gehen Bürger auf die Straße, um gegen Corona-Zwang und Impfpflicht zu demonstrieren. In Bautzen offenbar mit Erfolg: Der Landkreis Bautzen wird die Impfpflicht schlichtweg nicht durchsetzen.

IMAGO / Future Image
Bautzener Vize-Landrat Udo Witschas (CDU)

Die Montagsspaziergänge haben ihren Zenit noch nicht überschritten – am Montag demonstrierten erneut deutschlandweit Menschen gegen den Impfzwang und die restriktive Corona-Politik im Land. Zahlen liegen bisher nur bruchstückhaft vor, wo sie da sind, zeigen sie aber keinen Rückgang im Vergleich zu den Vorwochen.
In Bayern gehen die Zahlen der Polizei zufolge in die Zehntausende. Allein das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West registrierte 29 Veranstaltungen mit 8.500 Teilnehmern, nur in Mittelfranken zählte die Polizei 8.500 Menschen bei 33 Veranstaltungen. In Nürnberg waren 4.400 auf den Straßen, in Augsburg, Kempten und Bamberg jeweils über 2.000 Bürger und in zahlreichen weiteren bayerischen Städten über 1.000.

In über 1.000 Städten wurde deutschlandweit zu Protesten aufgerufen. In Thüringen waren nach Polizeiangaben 26.500 Leute auf den Straßen, 3.000 davon in Gera. Teilnehmer sprechen von weitaus höheren Teilnehmerzahlen. Insgesamt scheint sich der Protest – auch aufgrund der stärkeren Restriktionen in größeren Städten –  weiter zu dezentralisieren und vor allem in kleineren Städten zu wachsen.

— Janine (@Janine03199979) January 25, 2022

Auch in Köln kam es zu größeren Protesten, ohne Zwischenfälle. Gegendemonstrationen blieben insgesamt weit in der Unterzahl. Eine Augenzeugin berichtet uns:

„In Köln gingen wohl mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Treffpunkt des Kölner ‚Spaziergangs‘ war auf dem Roncalli-Platz vor dem Kölner Dom. Der Demo-Zug zog durch die Altstadt über den Heumarkt am Rathaus vorbei, über die Cäcilienstraße zum Neumarkt, dann vom Rufdolfplatz über den Ring zum Friesenplatz, von da aus am Zeughaus vorbei zurück zum Dom. 

Bei der Abschlusskundgebung wurde durch Lautsprecher zuerst die Rede von Angela Merkel übertragen, die sie wohl 2019 anlässlich der Gedenkverstaltung zum 75. Jahrestag des 20. Juli 1944 gehalten halt. Sie zitiert darin Artikel 20 Grundgesetz, das Recht zum Widerstand, und sagt: Es gibt ‚Momente, in denen Ungehorsam eine Pflicht sein kann. Es gibt Momente, in denen der Einzelne die moralische Pflicht hat, zu widersprechen und sich zu widersetzen.‘
https://twitter.com/QUEEN28200/status/1485260239951876099?s=20
Die Polizei war insgesamt zurückhaltend, auch das Ordnungsamt kontrollierte nicht augenscheinlich die in NRW geltende 3G-Regel bei Versammlungen. 
Am Neumarkt war eine linke Gegen-Demo, einige Vermummte und Kostümierte, die aber nicht so aggressiv wirkten wie noch am Montag in der Woche zuvor, als Personen mit Antifa-Abzeichen und -fahnen schrien ‚Wir impfen Euch alle‘. Vielleicht wurden die Demonstranten durch das große Polizeiaufgebot zurückgehalten, es schienen aber auch Bürger aus der Mitte darunter zu sein, Familien, die Schilder mit Solidaritäts-Bekundungen hochhielten. 
Die ‚Spaziergänger‘ zogen an den Gegendemonstranten vorbei, wurden als Faschisten beschimpft. Man hörte ‚Ihr seid nicht der Widerstand, lauft mit Nazis Hand in Hand‘ und sah Transparente wie ‚Köln stellt sich quer‘, ‚Omas gegen rechts‘ und ‚Kein Veedel für Rassismus‘. Die ‚Spaziergänger‘ blieben friedlich und schienen völlig unbeeindruckt. Der Nazi-Vorwurf prallte an ihnen scheinbar ab. Eine Frau rief: ‚Wo sind denn hier die Nazis? Wo?‘ 
Bei den Spaziergängern friedliche Stimmung, keine Aggression oder Radikalisierung zu spüren, die bürgerliche Mitte, ein Querschnitt der Gesellschaft, der gegen Impfzwang und die Corona-Politik protestierte. Die Demonstranten riefen ‚Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung‘, einige sangen auch Kirchenlieder, aus Lautsprechern ertönte Party-Musik, auch Reggae-Musik. Darunter offensichtlich auch viele Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre Landesfahnen schwenkten, beispielsweise die englische und kroatische, auch die Regenbogenfahne war zu sehen. Umso absurder war die Beschimpfung durch die linken Gegendemonstranten.“

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wurden die Proteste von einem rigiden Vorgehen von Politik und Polizei überschattet – in Rostock und Magdeburg wurden die Proteste aufgelöst. Dabei kam es zu Krawallen und auch zu Flaschenwürfen auf die Polizei, die hart agierte. Mit Allgemeinverfügungen gehen Städte hier pauschal gegen jeden Protest gegen die Corona-Maßnahmen vor, der nicht angemeldet ist – angemeldete Demonstrationen werden aber ebenfalls verboten bzw. mit so harten Auflagen belegt, dass die Veranstalter sie selbst absagen.
Dennoch demonstrierten auch in diesen drei ostdeutschen Bundesländern Zehntausende. In den vergangenen Wochen waren die Proteste in Baden-Württemberg besonders stark – hier liegen bis dato noch keine Zahlen vor. Auch dort waren zahlreiche Proteste verboten worden.

In Wandlitz starb ein Mann bei einem „medizinischen Notfall“. Kurz zuvor hatte er versucht, eine Polizeisperre zu durchbrechen.

Die Demonstranten kommen aus unterschiedlichen Milieus und gesellschaftlichen und politischen Gruppen. Rechtsextreme sind auch etwa nach den Angaben des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen nur eine kleine Minderheit. Der ehemalige WDR-Journalist und Leiter des ARD-Studios in Brüssel Rolf-Dieter Krause teilte seine Beobachtungen auf Twitter mit: Ich wollte es mal mit eigenen Augen sehen: Montagsspaziergang in Templin, Uckermark. 15.000 Einw., ca. 400 Teiln. (entspricht ca 100.000 in Berlin). Keine blöden Sprüche, kein Krawall, eine bunt gemischte Bürgergesellschaft. Polizei: entspannt. Radikalisierung? Nicht zu sehen.“ 

Impfpflicht-Ende in Bautzen

Zu bemerkenswerten Szenen kam es vor rund 3.000 Bürgern in Bautzen, darunter zahlreichen Pflegern. CDU-Landrat Michael Harig hatte zuvor darauf hingewiesen, dass ohne das ungeimpfte Personal die Versorgung Kranker und Pflegebedürftiger nicht gewährleistet werden könne: „In der ohnehin bestehenden angespannten Lage – bezogen auf die Verfügbarkeit von Fachkräften in der Pflege, ist selbst ein Verlust von ’nur‘ zehn Prozent der tätigen Personen nicht zu kompensieren.“

Vize-Landrat Udo Witschas sprach am Montag nun sogar auf der Demonstration und erklärte, der Landkreis Bautzen werde die Impfpflicht für medizinisches Personal nicht umsetzen. Eigentlich ist vorgesehen, dass Krankenhäuser ungeimpfte Pfleger an das jeweilige Gesundheitsamt melden, das dann ein de facto Berufsverbot erteilt. Genau das soll das Amt im Landkreis Bautzen aber nicht tun. Witschas sagte: „Ich kann Ihnen sagen, warum es bei uns am 16.3. das Betretungsverbot nicht geben wird. Es gibt eine ganz einfache Antwort auf diese Frage: Wer soll sich um diese Pflegebedürftigen und hilfsbedürftigen Menschen kümmern, wenn Sie nicht mehr da sind?“

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