Die SPD verspielt jedes Vertrauen der Bürger in die Politik

Die AfD nimmt an der Debatte um die Höhe des Mindestlohns nicht teil. Trotzdem profitiert sie davon wie keine zweite. Denn diese Debatte zeigt auf, wie wenig das Wort der verantwortlichen Parteien mittlerweile gilt.

picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Jens Spahn (CDU) und Franz Müntefering (SPD) haben eins gemeinsam. Sie haben die Bürger bereits darum gebeten, die Verantwortlichen in der Politik nicht in die Verantwortung zu nehmen. Gesundheitsminister Spahn schwor schon zu Beginn der Pandemie die Bürger darauf ein, dass sie den Politikern danach viel zu verzeihen hätten. Es folgten Maskendeals, für die Spahns Parteifreunde Millionen an Schmiergeldern erhielten und die Bürger offene Rechnungen für Masken in Milliardenhöhe. Müntefering wiederum beklagte sich, dass die Unsitte aufhören müsse, die Politiker nach der Wahl an ihre Versprechen vor der Wahl zu erinnern.

Müntefering ist damit der Begründer der feudalen Berliner Republik, in der sich die Politiker ums Parlament einen Burggraben bauen. In diesem feudalen Weltbild hat der Bürger dem Politiker fest zu glauben. Hat der Mächtige den Bürger dann nur angeschwindelt, hat der Untertan die Ursache für das Missverständnis bei sich zu suchen. Er soll den Politfürsten nicht verstehen wollen, er hat sich ihm unterzuwerfen.

Die Debatte um den Mindestlohn ist das nächste Beispiel dafür, warum sich die verantwortlichen Politiker um jedes Vertrauen bringen. Als das Instrument 2015 eingeführt wurde, versprachen die dafür verantwortlichen SPD und CDU, das Instrument nicht missbrauchen zu wollen. Deswegen sollte eine Fachkommission über die Höhe des Mindestlohns entscheiden. Doch 2021 brach die SPD das Versprechen. Sie machte Wahlkampf mit der Forderung nach einem Mindestlohn von zwölf Euro und setzte den danach an der Kommission vorbei um. Mit Blick auf die Wahl 2025 versprechen Kanzler Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD, was sonst), den Mindestlohn an der Kommission vorbei mindestens auf 14 Euro zu erhöhen.

Neun Jahre hat es gedauert von „Der Mindestlohn darf nicht für Wahlkampf missbraucht werden“ bis zu „Der Mindestlohn ist nun in jedem Wahlkampf das Thema der SPD“. Das ist ein offensichtlicher Vertrauensbruch, der unter Demokraten zu Missmut führen muss und nur in Münteferings feudalem Weltbild zu ertragen ist. Nach dem hat der Untertan nur drei Aufgaben: Dem Politfürsten seine Versprechen glauben, über gebrochene Versprechen schweigend hinweggehen und dem Politfürsten Vivat zurufen, wenn der mal seine Straße entlangreitet.

Seit der EU-Wahl hat es unzählige Analysen über die Verluste der aktuell verantwortlichen Parteien gegeben und über den Aufstieg von AfD, Bündnis Sahra Wagenknecht und Volt. Doch das fehlende Vertrauen in die verantwortlichen Politiker kommt in diesen Analysen so gut wie nie vor. Erwähnt es doch mal jemand, suchen besagte Politiker und ihre befreundeten Journalisten nach Schuldigen für den Vertrauensverlust. Heiße Favoriten sind die AfD, die rechten Medien, das Internet, Putin, der Krieg oder die Verschwörungstheoretiker. Aber eigentlich kann jeder in den Verdacht geraten, schuld am verlorenen Vertrauen in die Politik zu sein. Nur die Politiker selbst, sind nicht schuld daran, wenn ihnen die Menschen weniger vertrauen. Niemals. Ausgeschlossen. Auf gar keinen Fall.

Das fehlende Verständnis für den Vertrauensverlust zeigt sich darin, wie die Verantwortlichen gegen den Effekt steuern. Im harmlosen Fall nehmen sie das Geld der Untertanen und geben es für Kampagnen aus. Die Rede davon ist, dass für „unsere Demokratie“ gekämpft werde, gemeint ist mit „unsere Demokratie“ aber ihr Image. Dass sie dieses Geld an die Agenturen und Organisationen von Parteifreunden geben – am Rande erwähnt – stärkt nochmal das Misstrauen in die verantwortlichen Politiker. Also braucht es mehr Kampagnen. Ein sich selbst stärkendes System.

Doch manche Politiker ist der PR-Kampf ohnehin zu wenig. Sie erklären der bürgerlichen Mitte gleich den Krieg. So wie Nancy Faeser (SPD, was sonst). Die Innenministerin hat im Staatsfernsehen die Mitte offiziell für anschlussfähig für Rechtsextremismus erklärt. Seitdem demonstrieren verantwortliche Politiker gemeinsam mit den besagten Agenturen und Organisationen „gegen Rechts“, stellen jeden unter Generalverdacht und Beobachtung des Verfassungsschutzes, der den Politfürsten nicht die geforderte Unterwürfigkeit entgegenbringt und sie horchen bald anlasslos jede private Kommunikation ab. In Deutschland kannst du vergewaltigen und Schätze rauben, ohne ins Gefängnis zu müssen – aber nicht den Fürsten, sorry, die Regierung kritisieren.

Bisher profitiert die AfD von diesem Wahnsinn. Sie wird es weiter tun. Vorausgesetzt die verantwortlichen Politiker ändern die Spielregeln nicht – und passen die Demokratie an ihr eigenes feudales Weltbild an, in dem der Fürst durch den Untertanen nicht einfach so abgewählt werden darf. Etwa durch ein Parteiverbot. Das wäre dann aber keine Demokratie mehr, auch wenn die Untertanen gezwungen würden, es Demokratie zu nennen. Im Feudalismus entscheidet der Fürst, was wie heißt.

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Kommentare ( 59 )

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Wilhelm Roepke
3 Monate her

Alles richtig, aber niemand kann den zahlenden Untertanen hindern, auszuwandern…

Juergen P. Schneider
3 Monate her

Warum können sich die Politclowns aufführen wie Feudalherren? Weil die Mehrheit der naiven und denkfaulen Untertanen es zulässt. Das links-grüne Altparteienkartell wird auch weiterhin mit Mandaten ausgestattet, um das Land zu ruinieren. Den mehrheitlich obrigkeitshörigen deutschen Duckmäusern ist einfach nicht mehr zu helfen. Wahlprognosen und Wahlergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache. Die willfährigen Untertanen finden sich größtenteils in Westdeutschland. Die Ostdeutschen sind eher bereit, den Feudalherren des Altparteienkartells an den Wahlurnen einen Denkzettel zu verpassen.

Ahnungslos
3 Monate her

Ich glaube, dass die Mindestlohnerhöhungen zwei Zwecken dienen sollen: 1. Bei steigenden Löhnen wachsen prozentual die Abgaben für die völlig maroden Sozialversicherungssysteme mit und man kann sie wieder eine gewisse Zeit am Leben halten und muss sich nicht die Finger an deren Reformierung schmutzig machen. Das würde nämlich sehr herbe Einschnitte für jeden Bundesbürger nach sich ziehen und das „Soziale Gerechtigkeit“- Image wäre dahin. 2. Bedienung der sozialistischen Klientel. Nehmt den bösen Kapitalisten/Unternehmer so viel Geld wie möglich weg. (und wir nehmen es dann den Arbeitnehmern über Abgaben auch wieder weg, denn das Kapital ist abgrundtief böse und damit es… Mehr

Innere Unruhe
3 Monate her
Antworten an  Ahnungslos

Was nützt es der GEsellschaft, wenn der Unternehmer drei von fünf Arbeitnehmern entlassen muss, um den restlichen zwei den höheren Mindestlohn zu zahlen und den Rest der GEsellschaft zur Versorgung zuzuschieben???
Was nützt das den drei nun arbeitslos gewordenen Arbeitnehmern, dass die zwei andere einen höheren Mindestlohn haben???

Kaltverformer
3 Monate her

Schaut euch doch an wer bei der SPD und den Grünen den Ton vorgibt: Studienabbrecher, Minderleister, Leute ganz ohne Ausbildung und ab und zu ein Philosoph, oder Politologe/Soziologe (hat mit Wissenschaft auch nichts zu tun) darunter. Keiner mit einer MINT-Ausbildung.
Ehrlich: Was erwarten denn die Wähler von solch einer Auslese an gescheiterten Existenzen?

Innere Unruhe
3 Monate her
Antworten an  Kaltverformer

MINT-Ausbildung heißt, realistisch zu denken, Annahmen überprüfen, nie ohne Test in Produktion gehen… Vor allem praktisch denken.
Kein MINTler wird sich doch auf Dauer mit Zeichen Setzen und Moral Zeigen zufrieden geben. Das geht einem MINTler gegen den Strich, so sind sie nicht gemacht. Daher finden sich nur wenige von denen in der Politik
Vor allem lernen MINTler, die Annahmen zu überprüfen und Korrekturen vorzunehmen. Was lernen Abbrecher und Politologen??? Was ist das Produkt eines Politologen?? Oder einer abgebrochenen Theologin?

Innere Unruhe
3 Monate her

Wann werden wir alle den Eiheitslohn bekommen?
Noch zwei Mal so eine Erhöhung und die ungelernte wie Ingeneure verdienen.
Der Lohnabstand muss eingehalten werden – wer höher Hürden für seinen Beruf nehmen musste, muss mehr verdienen.
Es heißt ja auch „Lohn“ und nicht Bedarfspauschale. Wer Bedarf hat, muss arbeiten. Wer seine Kinder satt kriegen will, muss arbeiten.

abel
3 Monate her

Die Politiker bringen die Niedriglöhner jedes Jahr mehr unter finanziellen Druck durch Ihre Politik und statt diese Politik zu ändern macht man halt Symbolpolitik. Unser PISA-Ranking hat doch sein Gutes, zumindest für unsere Politiker.

Dieter
3 Monate her
Antworten an  abel

noch besser regiert sich ein dummes und seggregiertes Volk..
da kann man die Energien mit wenig Manipulation gegeneinder richten und die Führung kann machen was sie will.

wie sieht es eigentlich mit neuen abstrusen Gesetzesbeschlüssen aus? Das Volk ist ja gerade mit Brot&Spielen abgelenkt…

abel
3 Monate her

Auch da läuft es so. Willst du gutes Personal haben dann mußt du gute Löhne zahlen. Angebot und Nachfrage. Gibt es zu wenige Arbeitsplätze die ausreichend entlohnt werden dann muß man bereit sein woanders sein Glück zu suchen. Jammern hilft da nicht.

Deutscher
3 Monate her

Auf Kununu.com erfahren wir:

„Die meisten als Journalist:in Beschäftigten verdienen in Deutschland zwischen 38.900 € und 51.700 €, wobei der Durchschnitt bei 51.800 € liegt.“

Klingt nicht gerade nach Mindestlohn, oder was meinen Sie, Thurnes?

abel
3 Monate her

Ohne Druck läuft nichts im Leben. Als Beispiele genannt: Wehrpflicht oder Arbeiten gehen auch wenn es keinen Spaß macht. Das lief vor 50-Jahren alles besser. Laissez-Faire läuft nur bei Sonnenschein, da kann man sogar bei SAP nachfragen.

Deutscher
3 Monate her

Der Berufsverband Freischreiber schreibt unter dem Titel „Die Bezeichnung Taschengeld wäre angemessener“ folgendes:

„22,73 Euro verdienen freie Journalist*innen laut dem Berufsverband Freischreiber im Durchschnitt pro Stunde.“

Reinhard Schroeter
3 Monate her
Antworten an  Deutscher

Noch ist es wohl so, dass keiner einem anderen gezwungen ist ,was aufzuschreiben, was der andere dann liest.