Immer wieder Kontrollprobleme mit Importen von Lebensmitteln von außerhalb der EU. Einen besonders krassen Fall von Missbrauch von Bio-Zertifikaten meldet jetzt die taz: die Kontrollinstanz der EU handelt wohl so, als fiele in China ein Sack Kaffee um …
Gegen Bio-Produkte ist ja zunächst nichts zu sagen, warum auch Lebensmittel kaufen und verzehren, die mit Pestiziden oder sonstigen schädlichen Stoffen kontaminiert sein könnten? Und wer einmal eine Bio-Mohrrübe neben einer konventionell hergestellten verspeist hat, der mag auch geschmacklich einen Mehrwert an Bio-Kost erkennen.
So greifen laut foodwatch immer mehr Bundesbürger zu Bio-Lebensmitteln. Bereits knapp 10 Prozent der deutschen Landwirtschaftsbetriebe produzieren Bio-Produkte. 2015 lag der Bio-Umsatz in Deutschland bei 8,62 Mrd. Euro – das ist eine Steigerung um rund 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Selbst europaweit ist der Umsatz noch um 8 Prozent gestiegen.
Nun ist so ein deutscher Bauernhof nicht einfach Bio, weil er gerne Bio wäre. Ein anerkanntes Bio-Zertifikat zu erhalten, erfordert die Einhaltung eines umfangreichen Maßnahmenkataloges. Die eigentliche Zertifizierung ist ebenfalls mit einem nicht unerheblichen eurobürokratischen Akt verbunden, der den deutschen und europäischen Bauern einiges abverlangt, wie man beispielsweise im „Ablauf des Zertifizierungsverfahrens für Bio“ der Kiwa BCS ÖKO GARANTIE GmbH nachlesen kann. Wer sich einmal eingehend mit der EG-Öko-Basisverordnung befasst hat, der weiß mehr über die Fallstricke und Hürden, bis zu jenem Zeitpunkt, wenn endlich eine Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen von höchster Stelle erfolgt. Anschließend darf man sich als Kunde einigermaßen sicher sein, zu bekommen, was deklariert ist: biologisch erzeugte Lebensmittel von hoher Qualität.
Bio-Kaffeeleserei
Nun ist Deutschland kein Kaffeeanbauland. Der einzige Kaffee Europas gedeiht mehr oder weniger gut auf Gran Canaria. 500 Gramm dieser Sorte sollen stolze 30 Euro kosten. Lassen wir dieses Kuriosum mal bei Seite, finden wir eine Reihe von außereuropäischen Kaffeebohnenproduzenten. Vorne dabei Brasilien (2,15 Mill. Hektar) und Indonesien (1,29 Mill. Hektar), aber auch Äthiopien gehört zu den sieben flächenmäßig größten Produzenten mit über einer halben Millionen Hektar Anbaufläche. Äthiopien produziert um ein vielfaches mehr Kaffeebohnen als alle Staaten Afrikas zusammengenommen. Kenia beispielsweise erntet dem gegenüber gerade einmal auf 160 Tsd. Hektar. Äthiopien hält obendrein 2012 einen 15,4 prozentigen Anteil am weltweiten Exportvolumen von Bio-Kaffee.
Die Welt berichtete 2012 von diesen Plantagen und davon, dass das zertifizierte Bio-Produkt in Deutschland „gut ankommt.“ Ein anrührende Geschichte: „Die roten Früchte helfen Admasu Haile, seine sechs Kinder zu ernähren und einen der letzten Bergnebelwälder des Landes zu schützen.“
So weit so gut und sicher auch so lecker. Nun erhält laut taz allerdings die europäische Behörde, die für die Kontrolle von Biolebensmitteln aus Nicht-EU-Ländern zuständig ist, schon seit Jahren Beschwerdepost über mutmaßlichen Pfusch bei den äthiopischen Niederlassungen der Ökokontrollstellen Kiwa BCS und Control Union (zwei der weltweit größten Biokontrollfirmen). Und wenn man dem Kronzeugen der taz glauben will, dann trinkt man mit den teuer bezahlten Bio-Bohnen alles andere, als Kaffee in Bio-Qualität.
Albrecht Benzing ist Ko-Chef der bayerischen Biokontrollstelle Ceres. Und der schrieb schon am 14. Januar 2013 an die EU-Kommission und deutsche Aufsichtsinstitutionen, das beispielsweise viele Mitglieder einer namentlich genannten Erzeugergemeinschaft in Äthiopien mit 27.000 Bauern von BCS das Bio-Siegel bekommen hätten, ohne jemals inspiziert worden zu sein. „Ähnliche Probleme soll es in einem mit etwa 60.000 Mitgliedern noch größeren Erzeugerverbund gegeben haben.“ Es kommt noch schlechter: „Zusätzlich hätten einige der Bauern den als Droge benutzten Khatstrauch mit konventionellen Insektiziden in Mischkulturen mit dem Ökokaffee angebaut.“
Drogenhändler mit Bio-Zertifikat
Albrecht Benzing berichtet, das beispielsweise eine Farm Kaffeebohnen in Bio- wie in konventioneller Qualität ausliefert, dass es aber auf der Farm bei der Verarbeitung der Ernte nach Augenzeugenberichten „keinerlei Trennung“ gab. Man tut also in den Bio-Sack, was gerade da ist und kassiert das Doppelte.
„Auch die niederländische Kontrollfirma Control Union habe eine Kaffeebauernorganisation mit 10.500 Mitgliedern ohne interne Kontrollen bei den Landwirten zertifiziert, schrieb Benzing in einer Mail vom 21. Oktober 2013 an die EU-Kommission und den holländischen Akkreditierungsrat RvA. Beleg auch hier: Unterlagen der Erzeugerorganisation.“, schreibt die taz.
Als der Journalist Jost Maurin nun bei der Europäischen Kommission nachfragt, sieht man – natürlich – keine Versäumnisse. Man hätte die Vorwürfe überprüft. Allerdings, so liest der Autor mit großen Augen, nicht in Äthiopien, sondern in China. Das reiche, weil „die Überprüfung sich auf Probleme konzentrierte, die der Beschwerdeführer aufgezeigt hatte“. Die Kommission hat die Angelegenheit mittlerweile beigelegt und die Fachaufsicht des deutschen Landwirtschaftsministeriums schiebt die Schuld nach Brüssel, erklärt Maurin. Die betreffenden Bauern in Äthiopien hätten entweder keine Ahnung, überhaupt Teil eines Bioprojekts zu sein, oder sie wussten nicht einmal, was ‚bio‘ bedeutet, hatte Benzing erklärt.
Sicherheit und Komfort vor Kaffeekontrolle
Ach ja, Äthiopien werde von „politischen und sozialen Unruhen“ erschüttert. Erst wenn diese zu Ende gekommen seien, werde man wieder Kontrollbesuche durchführen, erklärte die EU-Kommission in einem weiteren Schreiben an die Zeitung. Das Auswärtige Amt allerdings rät keinesfalls pauschal von solchen Besuchen ab.
Fazit: Niemand sollte deshalb zukünftig auf die so liebgewonnenen Bio-Produkte verzichten. Noch dazu, wenn mit einem Biss in die Möhre schon der Geschmackstest die Bio-Qualität zu beweisen scheint. Aber wenn es sich um außereuropäische Bio-Produkte wie äthiopischen Kaffee handelt, ist Skepsis durchaus angebracht. Da tut es wahrscheinlich schon der deutlich preiswertere konventionell produzierte Supermarktkaffee.
Denn die großen Kaffeebohnenanbieter leisten sich eine enge Qualitätsendkontrolle, die Kleinexporteure mit in diesem Falle offensichtlich wertlosen Bio-Zertifikaten unmöglich finanzieren können. So berichtet brandeins: „Aldi hat es gern streng: Bei der Qualitätskontrolle ist der Discounter gnadenlos.“ Dafür gäbe es „hauseigene Überwachungsverfahren“ von allen Lieferungen würden Proben gezogen und regelmäßig würden Muster an Lebensmittellabors geschickt.
Der Premium-Röstkaffee Bio-Amaroy kostet dort übrigens die 500 Gramm Packung 4,59 Euro. Stiftung Warentest schreibt dazu: „Wir haben die Kaffeequalität und das Engagement der Anbieter für Soziales und Umwelt (S. 27) untersucht. Nur vier Kaffees überzeugen in beidem. Beispielsweise auch der Bio Röstkaffee von Aldi (Süd).“ Aber kommt der nun eventuell auch aus Äthiopien? Dazu wissen die Tester, dass klassische Kaffeeröster gar nichts wissen: oft nicht einmal, von welcher Plantage ihr Kaffee stammt.
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