Peinliche PR für Lindner, SPD und BSW vier Tage vor der Wahl

Noch vier Tage bis zur Europawahl. Die Nervosität steigt. Fragwürdige Handelnde legen fragwürdige Analysen vor. Die Ergebnisse dahinter sind trotzdem interessant. Etwa in der Frage, wer Sahra Wagenknecht wählt.

picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Die Bild solle die FDP unterstützen. Im Rahmen um die diversen Skandale des Springer-Verlags kam heraus, dass der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner „in der FDP die Chance (sieht), um den endgültigen Niedergang des Landes zu vermeiden“. Vergebens der Versuch, diese vertraulichen Meldungen zurückzuhalten. Die Redaktion hat wohl verstanden. Vier Tage vor der Wahl textet sie: „Arbeitnehmer und Rentner profitieren / Lindners Steuern-Runter-Plan“.

Viele Leser und alle Journalisten sollten wissen, dass FDP-Chef Christian Lindner das auf Twitter dreimal am Tag ankündigt und zudem fordert, Leistung müsse sich in Deutschland lohnen. Doch dann erhöht die Ampel das Bürgergeld innerhalb eines Jahres um 25 Prozent und lässt mit der Inflation auch die Steuerquote steigen. Journalisten würden darauf hinweisen. Trotzdem steigen die Mitarbeiter in die PR-Galeere und trommeln vier Tage vor der Wahl in Döpfners und Lindners Takt: „Arbeitnehmer und Rentner profitieren / Lindners Steuern-Runter-Plan.“

Nun gehen in Deutschland die Steuern nicht runter, sondern rauf. Aber immerhin sinken die Ansprüche. Da es keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, kommt Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf jeden Fall über das Parteiticket ins EU-Parlament. Und sinkt auch die Auflage permanent, so können sich Bild und Springer doch darüber freuen, dass die Ampel Zeitungen demnächst ganz offen subventionieren will. Leistung müsse sich lohnen, sagt Lindner. Wenn keiner mehr Zeitungen kauft, zahlt halt der Steuerzahler für sie, ist die Maxime, nach der Lindner handelt. Mittlerweile fordert auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder eine Mehrwertsteuersenkung für die Verlage.

Bundeskanzler Olaf Scholz signalisiert ebenfalls Unterstützungsbereitschaft, wenn auch auf „anderem Weg“, kontert er auf einer Veranstaltung zum 75. Jubiläum der Deutschen Journalistenschule in München. Als Ex-Finanzminister weiß er besser als Söder, dass für Zeitungen bereits der reduzierte Mehrwertsteuersatz gilt, hier also nichts zu senken ist. Im Wahljahr ist ein Wettlauf um die Gunst der Medienhäuser ausgebrochen – und für die FDP zudem ein Kampf ums Überleben. Da kann nur noch Männerfreundschaft helfen.

Getrennt marschieren – gemeinsam schlagen
Trojanisches Pferd BSW
Am Wahlabend, wenn die Menschen der EM entgegenfiebern ebenso wie dem Moment, in dem die Plakate von Strack-Zimmermann aus dem Stadtbild verschwinden, dann wird von der FDP kaum noch die Rede sein. Der Star des Abends wird voraussichtlich Sahra Wagenknecht sein. Die ehemalige Vorsitzende der Kommunistischen Plattform in der PDS kommt mit dem nach ihr benannten BSW laut Umfragen deutlich über fünf Prozent. Das ist zwar nicht wichtig für den Einzug ins EU-Parlament – aber wird dem Bündnis Sahra Wagenknecht vor den Landtagswahlen im Osten einen wichtigen Schub verleihen. Viel mehr Schub, als eine oberpeinliche und maximal durchschaubare PR-Kampagne der Bild für die FDP.

Wer wählt das Bündnis? Das hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Die steht wiederum dem rot-grün dominierten Gewerkschaftsbund DGB nahe. Das Institut kommt zu dem Ergebnis: „Die zahlenmäßig größte Gruppe kommt von Erwerbspersonen, die bei der vorigen Bundestagswahl SPD gewählt haben.“

Doch relativiert die DGB-nahe Stiftung dieses Ergebnis. Die Zahlen kämen nur durch das gute Ergebnis der SPD bei der letzten Wahl zustande. Entgegen den Zahlen möchte die DGB-nahe Stiftung vier Tage vor der Wahl eine andere Botschaft senden: „BSW findet großes Interesse bei Erwerbspersonen, die bisher die Linke oder AfD gewählt (haben).“ Vier Tage vor der Wahl geht es politischen Institutionen wie Springer oder Böckler-Stiftung weniger um Wahrhaftigkeit als um Botschaften.

Das BSW setzt in der Sozialpolitik auf linke Themen und in der Gesellschaftspolitik auf konservative Positionen. Das hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut herausgefunden. Gut. Genau das hat Sahra Wagenknecht auch immer offen gesagt. Aber würde es verboten, Offensichtliches zu bestätigen, wäre die ganze Kaste der Geistes- und Sozialwissenschaftler mit einem Schlag brotlos. Was sie nach der Befragung mit Zahlen belegen können: „Generell weisen Personen mit geringem Einkommen, ohne finanzielle Rücklagen, mit großen Sorgen und Belastungen und geringem Vertrauen in Institutionen eine vergleichsweise hohe BSW-Wahlneigung auf.“

Dem Auftraggeber wird das Institut dann auch noch gerecht, indem es die These vertritt, SPD-Anhänger, „die finanziell besser gestellt sind, weniger Ängste oder ein höheres Vertrauen in die Regierung haben“, würden sich nicht für die Wagenknecht-Partei interessieren. Aber für die AfD stelle diese im Osten eine Konkurrenz dar. Und die DGB-Wissenschaftler attestieren dem BSW: Es „scheint Frauen stärker anzuziehen“ und die Wählerschaft sei in Sachen Alter und Geschlecht ausgewogener zusammengesetzt.

Nun werfen Kritiker dem BSW sogar vor, ein U-Boot zu sein, das mit der Absicht gegründet wurde, der AfD Stimmen wegzunehmen. Doch zeigt sich an der Stelle, dass Kritiker unpräzise werden, wenn sie vor allem Wert darauflegen, dass ihre Metaphern drastisch sind. Das Wesensmerkmal eines U-Boots ist es, unsichtbar zu bleiben und aus dem Schutz der Unsichtbarkeit anzugreifen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht tritt zu einer Wahl an, plakatiert und versucht sich sogar in TV-Debatten einzuklagen. Mehr sichtbar geht kaum.

Dass es genügend konservative Wähler gibt, um die Parteien konkurrieren können, ist Fakt. Konkurrenz gehört zur Demokratie, zur freien Marktwirtschaft und überhaupt zu allem, was gut ist. Und wer wie die AfD mit einem Spitzenkandidaten Maximilian Krah zu einer Wahl antritt, der lässt halt Raum für Konkurrenz. Das kann einem Kritiker missfallen und ihn tief in die Metapher-Kiste greifen lassen – etwas Illegales oder auch nur Illegitimes ist daran aber nicht zu finden. Dass die Böckler-Stiftung vier Tage vor der Wahl Wahlkampf für SPD, BSW und gegen die AfD macht, muss sie vor den Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften rechtfertigen. So wie die Bild ihre peinliche Lindner-PR den Lesern erklären muss – oder demnächst den Steuerzahlern.

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Kommentare ( 27 )

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Haba Orwell
6 Monate her

> Das BSW setzt in der Sozialpolitik auf linke Themen und in der Gesellschaftspolitik auf konservative Positionen.

Ich wüsste es schon gerne wesentlich konkreter, Thema für Thema (auch wenn ich eh nie Kommunisten wählen werde). Dass sie gegen Buntschland-Kriegsabenteuer ist, ist schon mal lobenswert. Die meisten Michels werden leider nie verstehen, wie es sein kann, dass man den Clash der Kulturen im Woken Namen in die ganze Welt trägt (was frenetisch bejubelt wird) und dieser Clash der Kulturen plötzlich ins Michel-Wokistan kommt.

Die Wahrheit
6 Monate her

Hi, Hi, Deutsche demokratische Republik – ab vor fällt mir erst jetzt wieder auf, das die DDR ein demokratischer Staat war. Ich bin Ossi. Passt doch zu Buntland. Nennt sich auch demokratisch und es ist nicht mehr.

Maunzz
6 Monate her

Hanebüchend. Lafontaine und Wagenknecht als Steigbügelhalter für Auslaufmodellparteien, wie FDP, SPD und CDU? BSW ist das erste erfolgreiche Projekt des modernen Parteienspektrums Europas in Deutschland. Deutschland ist lediglich das europäische Land, dass die Zeichen der Zeit nicht erkennt, vom (erneuten) Mauerbau (Brandmauern) fabuliert und somit Deutschland nur tiefer stürzt.

Lotus
6 Monate her

Das Institut kommt zu dem Ergebnis: ‚Die zahlenmäßig größte Gruppe kommt von Erwerbspersonen, die bei der vorigen Bundestagswahl SPD gewählt haben.'“

Das wundert mich. Wäre das richtig, müsste die SPD in Umfragen erkennbar verlieren (das BSW liegt bei 6 bis 7%). Tut sie aber nicht, zuletzt wurde sogar von leichten Zugewinnen berichtet. Deutlich verloren hat dagegen die AfD, die vor einigen Monaten bei 22 bis 23% lag, momentan aber bei 15 bis 17% dümpelt.

Juergen P. Schneider
6 Monate her

Die Mehrheit an naiven und denkfaulen Wählern wird bei uns das Weiter-so wählen, auch wenn dies bei der EU-Wahl nicht viel bedeutet. Das Fassadenparlament der EU wird zwar einen deutlichen Ruck in die rechte Richtung erleben, aber Deutschland wird dazu nicht viel beitragen. Die Deutschen lassen sich mehrheitlich vom links-grünen politmedialen Komplex sagen, wen sie zu wählen haben und gehorchen brav. Das politische Fiasko kann so groß sein, wie es will, die meisten unserer Landsleute denken gar nicht daran, ihr gewohnheitsmäßiges Wahlverhalten zu ändern. Das links-grüne Altparteienkartell wird sich bestätigt fühlen und fortfahren, das Land zu ruinieren.

fatherted
6 Monate her

Die FDP hat sich selbst verbrannt…nur gut das es noch keine 5% Hürde bei der EU Wahl gibt…so geht S-Z auf jeden Fall nach Brüssel…auch mit nur 1%….

mileiisteinanderernamefuermeloni
6 Monate her

„Nun werfen Kritiker dem BSW sogar vor, ein U-Boot zu sein, das mit der Absicht gegründet wurde, der AfD Stimmen wegzunehmen. Doch zeigt sich an der Stelle, dass Kritiker unpräzise werden, wenn sie vor allem Wert darauflegen, dass ihre Metaphern drastisch sind. Das Wesensmerkmal eines U-Boots ist es, unsichtbar zu bleiben und aus dem Schutz der Unsichtbarkeit anzugreifen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht tritt zu einer Wahl an, plakatiert und versucht sich sogar in TV-Debatten einzuklagen. Mehr sichtbar geht kaum.“ Netter Versuch, Herr Thurnes. Journalisten würden darauf hinweisen, dass ein politisches U-Boot nicht vollständig unsichtbar ist, sondern nur unsichtbar im Sinne… Mehr

Last edited 6 Monate her by mileiisteinanderernamefuermeloni
Juergen Semmler
6 Monate her

Als Schaumschläger in einer Cappuchino-Bar mit täglich neuen kreativen Schaum-Varianten wäre der Christian besser aufgehoben.

Hatte der Mann jemals einen „Plan“…?

Doch…., er weiß, wie erfolgreiche Insolvenz geht.

Nibelung
6 Monate her

Dieser Herr wird der Totengräber der deutschen Liberalen sein, weil er es nicht verstanden hat, sich mit einem politischen Umfeld einzulassen, was dem Verständnis vieler dem Freiheitsgedanken näher kommen würde und eher nach Auftragsarbeit aussieht um eventuell daraus auch noch Vorteile zu ziehen. Wenn er nicht sofort den Genscher macht wird er in die Geschichtw als der Vernichter des Liberalismus in unserem Land eingehen und völlig unverständlich ist auch noch die Tatsache, daß viele Parteibonzen auch noch dieses üble Spiel tolerieren oder gar mitbetreiben und sich noch nicht einmal klar äußern, worin sie ihre Aufgabe zum Wohl der Deutschen in… Mehr

frohundmunter
6 Monate her

Das BSW ist der Versuch, die verbrannte Linkspartei durch eine Partei zu ersetzen, die für Anti-AfD-Koalitionen bereitsteht, entweder mit SPD-Grüne oder mit Union-Grüne.