Börsenwoche: Dax und Dow stark erholt, Schulden tun weh

Wer immer mehr für den Schuldendienst aufwenden muss, belastet die nachrückenden Generationen und bedroht früher oder später die Funktionsfähigkeit des Staates. Diese Grundsatzdiskussion wird derzeit auch wieder im Bund geführt. Die Börsianer scheint diese Diskussion aber nach wie vor nicht zu kümmern.

IMAGO / STPP

Maximal drei Prozent Defizit im Jahr und Gesamtschulden, die nicht höher sind als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, so lauten die Maastricht-Kriterien der Europäischen Währungsunion. Die Väter (und Mütter) des 1997 geschlossenen Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes waren damals davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsleistung im Durchschnitt vergleichbar wachsen würde und sich so die relative Verschuldung nicht erhöhen sollte. „Und die 60 Prozent wurzeln in der ökonomischen Erfahrung, dass, wer sich nicht bloß verschuldet, um in künftige Erträge zu investieren oder Konjunkturschwankungen zu dämpfen, sondern auf Kredit konsumiert, in Probleme gerät“, merkte die „Neue Zürcher Zeitung“ dieser Tage trocken an.

Wer immer mehr für den Schuldendienst aufwenden muss, belastet die nachrückenden Generationen und bedroht früher oder später die Funktionsfähigkeit des Staates. Diese Grundsatzdiskussion wird derzeit auch wieder im Bund geführt. Während Grüne und SPD die verfassungsmäßige Schuldenbremse lockern wollen, stemmt sich FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner aus guten Gründen gegen die Schuldenmacherei und pocht auf Ausgabendisziplin. Nur zur Einordnung: Die Zinsausgaben liegen in diesem Jahr deutlich über den regulären Verteidigungsausgaben. Die Maastricht-Kriterien sollten zudem verhindern, dass Mitglieder der Währungsunion einzelne Staaten retten müssen. Auch das hat – siehe Griechenlandkrise vor zehn Jahren – schon nicht funktioniert.

Die Börsianer scheint diese Diskussion aber nach wie vor nicht zu kümmern. Der US-Aktienmarkt schloss am Freitag eine erfreuliche Woche mit ordentlichen Kursgewinnen ab. Neu veröffentlichte Inflationserwartungen und eine teils skeptische Haltung von Fed-Mitgliedern gegenüber für den Sommer erhofften Zinssenkungen nahmen den Anlegern jedoch zeitweise den Wind etwas aus den Segeln.

Für den Leitindex Dow Jones Industrial war es mit plus 0,3 Prozent auf 39.513 Punkte der achte Handelstag hintereinander mit einem Kurszuwachs. Sein Rekordhoch von Ende März bei 39.889 Punkten rückt näher. Der breit gefasste S&P 500 schloss am Freitag 0,2 Prozent höher auf 5.222 Zähler. Auch der technologielastige Nasdaq 100 lag im Plus mit einem Zuwachs von knapp 0,3 Prozent auf 18.161 Punkten. Auf Wochensicht verbuchten alle drei Indizes klare Gewinne, wobei sich der Dow mit plus 2,2 Prozent am besten schlug.

Das von der Uni Michigan veröffentlichte Konsumklima hat sich im Mai deutlich eingetrübt. Die darin ebenfalls enthaltenen Inflationserwartungen der Verbraucher legten merklich zu. Die Zinssenkungserwartungen erhielten also insgesamt wieder einen kleinen Dämpfer, nachdem sie am Vortag noch von schwächeren Signalen vom US-Arbeitsmarkt befeuert worden waren.

Angebliche Pläne von McDonald’s zur Rückgewinnung von Kunden bescherten den Papieren der Burger-Kette einen Kursgewinn von 2,6 Prozent. Damit führten sie den Dow an. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, will McDonald’s in den USA künftig eine Fünf-Dollar-Mahlzeit anbieten, um preisbewusstere Kunden wieder anzulocken. Das Menü könnte einen McChicken oder einen McDouble mit Pommes Frites und einem Getränk enthalten, hieß es.

Als zweitbester Dow-Wert legten die Aktien des Mischkonzerns 3M um 1,6 Prozent zu, nachdem die Analysten der Bank HSBC sie auf „Buy“ hochgestuft hatten. Die Experten sehen eine mögliche positive Trendwende beim Wachstum sowie positive Auswirkungen auf die Profitabilität durch die Restrukturierung.

Die Aktien von Novavax konnten ihren Wert nahezu verdoppeln. Der Impfstoffhersteller hatte zuvor mit dem französischen Pharmakonzern Sanofi eine Lizenzvereinbarung unterzeichnet, die die Vermarktung einer kombinierten Covid-19- und Grippeimpfung vorsieht. Novavax können durch das Geschäft bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar zufließen. Zudem beteiligt sich Sanofi mit rund fünf Prozent an dem Unternehmen.

Für Aufmerksamkeit sorgte ferner eine Bloomberg-Meldung über Pläne der US-Regierung für neue Zölle auf chinesische E-Autos und weitere strategische Sektoren. Laut dem „Wall Street Journal“ soll der Zoll in den USA auf chinesische Fahrzeuge vervierfacht werden. Chinesische Unternehmen sind durch Autozölle bereits großteils vom amerikanischen Markt ausgeschlossen. Die Aktien von US-E-Fahrzeugherstellern wie Tesla und Rivian profitierten von den Meldungen nicht: Tesla verloren zwei Prozent, Rivian 2,3 Prozent.

Nach Börsenschluss an der Wall Street wurden für den Euro 1,0771 US-Dollar gezahlt. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs auf 1,0779 (Mittwoch: 1,0743) Dollar festgesetzt. Am US-Rentenmarkt stieg die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen auf 4,5 Prozent.

Der Dax hatte zuvor bereits seinen Rekordlauf fortgesetzt. Zwischenzeitlich hatte der deutsche Leitindex erstmals die Marke von 18.800 Punkten geknackt. Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets sprach von einem „starken Ausbruch bei schwachen Umsätzen“. Die dünnen Handelsumsätze am Brückentag nach Christi Himmelfahrt trugen dazu bei, dass wenige Orders reichten, um das Börsenbarometer anzuschieben.

Der Dax schloss 0,5 Prozent höher bei 18.773 Punkten, nachdem er bereits am Vormittag sein bisheriges Rekordhoch bei 18.845,86 Punkten erreicht hatte. Auf Wochensicht ergibt sich ein Gewinn von 4,28 Prozent – das stärkste Wochenplus seit November letzten Jahres. Der MDax der mittelgroßen Werte legte am Freitag um gut 0,1 Prozent auf 26.744 Punkte zu. Tags zuvor hatte der Dax die Schwächephase von Anfang April mit dem Sprung auf eine weitere Bestmarke endgültig abgehakt. Neben positiven Außenhandelsdaten aus China hatten Jobdaten aus den USA das Börsenbarometer höher getrieben.

Einzelwerte wurden zum Wochenschluss vor allem von Analystenkommentaren bewegt. So gewannen Zalando gut drei Prozent. Die Aktien profitierten von einer Empfehlung der Berenberg Bank. Analyst Matthew Abraham verwies auf erste Signale einer erfolgreichen Umsetzung der neu skizzierten Strategie des Online-Modehändlers sowie eine verbesserte Dynamik auf den Endmärkten.

Munich Re, von der Bank of America zum Kauf empfohlen, stiegen um mehr als drei Prozent auf 455,40 Euro. Analystin Freya Kong traut den Papieren des Rückversicherers eine Fortsetzung ihres Laufs zu und setzte mittelfristig nun ein Kursziel von 530 Euro. Bereits tags zuvor hatten zahlreiche Häuser die Kursziele für die Aktien in Reaktion auf die Quartalszahlen nach oben geschraubt. Für die Anteilscheine von Symrise dagegen ging es um 1,5 Prozent abwärts. Berenberg-Analystin Samantha Darbyshire hatte die Kaufempfehlung für die Papiere des Aromen- und Duftstoffherstellers gestrichen und dabei auf Preisdruck im wichtigen Geschäft mit Nahrungszusätzen im Bereich Haustiere verwiesen.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,55 Prozent am Vortag auf 2,52 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,17 Prozent auf 124,56 Punkte. Der Bund-Future sank um 0,34 Prozent auf 130,78 Zähler.

Die Rekordrally des Dax muss sich in der neuen Woche einer Realitätsprüfung unterziehen. Der Höhenflug am deutschen Aktienmarkt basiert derzeit insbesondere auf der Hoffnung, dass die Leitzinsen in den USA doch wieder eher früher als später sinken. Dies würde die Wirtschaft stimulieren und Aktien gegenüber Anleihen attraktiver machen. Doch falls sich am Mittwoch wider Erwarten zeigen sollte, dass die Inflation in den Vereinigten Staaten im April deutlich angezogen ist, könnte es an den Börsen ungemütlich werden. Denn dann könnte sich die US-Notenbank Fed gezwungen sehen, einen härteren geldpolitischen Kurs zu fahren.

Laut Analyst Sven Streibel von der DZ Bank stehen die Börsenampeln weiterhin auf Grün. So sei der Dax immer noch nicht teuer, wenngleich er derzeit auf Rekordniveau notiert. Die Bewertung des Leitindex „reflektiert auf dem aktuell eher durchschnittlichen Level schlicht ein geringeres Weltuntergangsrisiko als noch vor sechs Monaten“ – und das, obwohl der Leitindex ein überdurchschnittlicher Profiteur einer bevorstehenden globalen Konjunkturverbesserung sei.

Wie tragfähig dieses positive Szenario ist, dürfte sich zur Wochenmitte zeigen. „Alle Augen richten sich auf die US-Inflationszahlen“, schrieb Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank Merck Finck. Die Teuerung sollte zwar seiner Auffassung nach minimal gesunken sein, sie dürfte aber anders als in der Eurozone inklusive Deutschland weiter spürbar über drei Prozent verharren.

Greil hält dieses Niveau nach wie vor für deutlich zu hoch, um der US-Notenbank eine baldige erste Leitzinssenkung zu erlauben. Der im Vergleich zu Europa hartnäckigere Inflationstrend in den USA dürfte nun ungewöhnlicherweise dazu führen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am 6. Juni zumindest einige Monate vor der Fed mit den Leitzinssenkungen beginnt. Der Experte rechnet mit insgesamt drei Leitzinssenkungen der EZB in diesem Jahr, während er bei der Fed frühestens ab Herbst zwei für realistisch hält.

Auch die Analysten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) mahnen zur Vorsicht. Zwar bleibe in den USA der grundlegende Abwärtstrend bei der jährlichen Kernteuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel intakt, doch auch im Frühjahr 2024 habe sich diese Kenngröße überraschend störrisch gezeigt. „Die letzten Monate waren eine kalte Dusche für diejenigen, die das Inflationsproblem mental schon beerdigt hatten“, hieß es. Das Risiko, dass die Inflationslage es der Fed nicht erlaubt, in absehbarer Zeit die Geldpolitik nennenswert zu lockern, habe zugenommen. Insofern sei eine Atempause für Aktien gar nicht mal so schlecht.

Gleichwohl habe der Dax auch vor dem Hintergrund solider Unternehmensnachrichten seine jüngsten Höchststände erreicht, fuhren die Experten der Helaba fort. Auch deshalb dürften die Anleger auch in der neuen Woche die Berichtssaison der Unternehmen genau verfolgen.

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Kommentare ( 4 )

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Edwin
5 Monate her

Die Börse hat mit der realen Wirtschaft schon lange nichts mehr zu tun, und zwischenzeitlich auch nichts mehr mit Wirtschafts- bzw. Geschäftserwartungen. In einer Inflationswirtschaft, wo das Vertrauen in das Geld immer mehr schwindet, zählen nur noch Sachwerte. Auch wenn die Börsenwerte die Sach- bzw. Substanzwerte von Unternehmen maßlos übersteigen, ist es doch so, dass man halt in der Börse schnell rein und auch wieder raus kann. Anders als beim Kauf von wirklichen Sachwerten wie z.B. Gold, Immobilien (beide ebenfalls maßlos überbewertet). Mit anderen Worten, die Börse, die eigentlich mal zur Refinanzierung von Unternehmen bzw. von Unternehmertum geschaffen wurde, ist… Mehr

johnsmith
5 Monate her

Ein guter Teil der Gewinne auf dem Papier sind allerdings nur Inflationsausgleich. Und man muss sehen, dass die DAX-Konzerne inzwischen den größten Teil ihres Gewinns nicht mehr in Deutschland sondern im Ausland machen. Auch die Aktien gehören nicht mehr Deutschen, sondern mehrheitlich ausländischen Eigentümern (hauptsächlich amerikanischen).

fatherted
5 Monate her

so wie es aussieht ist immer noch viel zu viel Geld auf dem Markt….keiner weiß wohin damit….und alle meinen es geht immer höher mit den Aktien….mag ja sein….aber jede Blase platz nun mal irgendwann….ich will jetzt nicht den Otte machen….aber irgendwann ist eben mal Schluss und die Kurse rutschen nach unten. Fragt sich nur wie weit.

Apfelmann
5 Monate her
Antworten an  fatherted

Ach, wenn erst die zig Milliarden für die Aktienrente jedes Jahr in den Markt geblasen werden geht’s schon wieder hoch…..