Wie immer zu diesem Datum versuchen sich Mandatsträger der Grünen und der SPD in ideologischer Korrektheit – und verdrängen dafür einen Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht und damit die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg jährt sich heute zum 79. Mal. Korrekt ist auch der Hinweis in einschlägigen Medienbeiträgen und Politikerkommentaren, dass es sich um den Zusammenbruch des Nationalsozialismus handelte. Und natürlich um eine Befreiung der Konzentrationslagerhäftlinge, der untergetauchten Juden, der Gegner Hitlers. Im Westen eröffnete dieser Tag die Chance auf einen demokratischen Neubeginn.
Eine Besonderheit zeigt sich in etlichen politischen Statements allerdings auch an diesem 8. Mai 2024: Die Geschichte Ostdeutschlands kommt bei ihnen nicht vor. Dort brach der Nationalsozialismus wie im ganzen Reich zusammen. Aber es folgte eben keine freiheitliche Ordnung, sondern: eine neue Diktatur. Keine mit Massenmorden und Vernichtungskrieg, aber mit Verfolgung politisch Andersdenkender, mit Denunziation und mit Todesopfern. Diesen Teil der Geschichte blendet beispielsweise die grüne Bundestags-Fraktionschefin Britta Haßelmann aus, wenn sie auf X, vormals Twitter, schreibt: „Der 8. Mai ist ein Tag der Befreiung vom Faschismus, ein Tag, an dem Freiheit über Unrecht siegte.“
— Britta Haßelmann (@BriHasselmann) May 8, 2024
Dass östlich der Elbe die „Freiheit über das Unrecht siegte“, dürften vor allem ältere Ostdeutsche entweder als völlig geschichtsvergessen oder als Zynismus empfinden. Ganz ähnlich klittert auch Daniel Eliason, Vize-Vorsitzender der Grünenfraktion in Steglitz-Zehlendorf, die Historie, wenn er auf X behauptet, dieser Tag sei „ein Tag des Sieges der Zivilisation über den Zivilisationsbruch“.
Stalins Truppen als Träger der Zivilisation? Dazu stellte er nicht etwa ein Foto der West-Alliierten oder wenigstens aller vier Siegermächte, sondern das Bild, das einen Rotarmisten beim Hissen der Hammer-und-Sichel-Fahne auf dem Reichstag zeigt.
Die SPD-Bundestagsfraktion schreibt: „Wer nicht feiert, hat verloren“, und attestiert mit dem Hashtag „#TagderBefreiung“, jedem, der den 8. Mai 1945 nicht ausnahmslos als Tag der Befreiung begeht, eine Nähe zum Nationalsozialismus. Ohnehin wirkt der Spruch „Wer nicht feiert, hat verloren“ so, als ginge es um ein Brettspiel, und nicht um eine komplexe und ambivalente Geschichte.
In dem gleichen Post zitieren die PR-Mitarbeiter der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion einen Satz Helmut Schmidts von 1975, merken dabei allerdings nicht, dass der SPD-Kanzler sein Wort von der Befreiung damals zurecht auf Westdeutschland bezog.
Bei den Politiker-Tweets bleibt außerdem der schale Eindruck, dass sie an den historischen Tag vor allem erinnern, um damit innenpolitisch Terrain abzustecken. Das Interesse an Reflexion scheint bei ihnen gering – wie eigentlich an jedem 8. Mai. Vielleicht setzt sich ja irgendwann auch in der politischen Klasse die Einsicht durch, dass sich das Gedenken an dieses Datum einfach nicht für einen flotten X-(vormals Twitter)-Spruch eignet.
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Der Tag der Befreiung liegt nicht hinter uns, sondern vor uns.
Die Nordstreamsprengung und der Umgang damit zeigt das überdeutlich.
Die Russen sind abgezogen. Die Amis und die NATO sind immer noch da.
Eine Antwort an Berlindiesel Ich hoffe für Sie, aber auch alle anderen Menschen, dass diese möglichst vom Krieg verschont bleiben und nicht gleiches wie ich erfahren müssen. Als Kind wurden mir die Schrecken eines Krieges bereits aufgezeigt. Meine Eltern und Großeltern erlebten den Ersten Weltkrieg. Ein Onkel war im Krieg geblieben, ein anderer war Kriegsinvalide und die Kriegsfolgen wirkten sich noch auf meine Kindheit aus. Ich selber wurde mit noch nicht einmal ganz 16 Jahre vom Wehrertüchtigungslager an die Front gebracht, um die Rote Armee bei Seelow aufzuhalten. Bis nach Berlin hinein habe ich Furchtbares erlebt und bin nur mit… Mehr
Geschichte ist sehr komplex,
aber der Autor irrt, wenn er mit Ostdeutschland die ehemalige DDR meint. Das ist Mitteldeutschland.
Aus Ostdeutschland und aus dem Sudetenland wurden ca. 18 Millionen Deutsche zum größten Teils gewaltsam vertrieben.
Die größte Vertreibung und damit definitionsgemäß Völkermord, die die Weltgeschichte je gesehen hat.
Für Österreich mag es gelten. Für Deutschland kamen noch 4 bittere Jahre und dann nochmal 40 dazu. Erst der Fall der Mauer und danach Schengen Abkommen brachten Freiheiten für die Bürger.
Bevor es aber zu gut wurde gab und gibt es Schläge ins Genick. 2001, 2008, 2015, 2022 also so im Rhythmus von 7 Jahren.
Die Heeresgruppe Kurland musste weiterkämpfen – auf Befehl aus Berlin. Sie durfte erst kapitulieren, als letzte deutsche Flüchtlingsschiffe deutsche Häfen erreicht hatten: das war am 09. Mai 1945. Nicht umsonst wird der 09. Mai 1945 als Sieg über Nazi-Deutschland in den ehemals sowiet-russischen Gebieten gefeiert.
Stimmt nicht ganz.
Hat einfach nur was mit der Moskauer Zeitzone zu tun.
Als die Urkunde unterzeichnet wurde in Berlin-Karlshorst war es 23 Uhr am 8.Mai, somit in Moskau bereits der 9.Mai.
Nichtsdestoweniger war mir die Sache mit den Flüchtlingsschiffen, die sichere Häfen erreichen sollten, neu.
Wer aus der Geschichte nichts gelernt hat, gar aus ideologischen Gründen und Unwissenheit die Geschichte nach seinem Gusto klittert, der darf sich über die Folgen nicht wundern.
aktuelles Beispiel:
Die verbleibende Größe der Ukraine ist indirekt proportional der Reichweite und Menge der gelieferten westlichen Waffen.
Nach offizieller Doktrin der amerikanischen Armee wurde Deutschland nicht befreit sondern besiegt und besetzt. Befreit wurden die misshandelten Häftlinge in den deutschen Konzentrationslagern. In den meisten Fällen von den Sowjets, die selber ca. 27 Millionen Menschen verloren hatten. Wie schön, dass wir (völkerrechtlich ) mal wieder im Kriegszustand mit Russland sind. Übrigens: Die Auseinandersetzung zwischen Ukraine und Russland begann natürlich nicht 2022 sondern mindestens 8 Jahre vorher. Also zusammengefasst: In knapp 120 Jahren befand sich Deutschland 3 mal im Kriegszustand mit Russland und wir fahren gerade das 4. Deutschland mit der Hauptstadt Berlin vor der Wand.
Deutschland war noch nie in der Lage sich selbst von seinen eigenen und fremden Tyrannen zu befreien.
Es bedurfte immer der Hilfe von Außen – ob man es nun Sieg oder Befreiung war.
Übrigens hat bisher nur die Ehemalige die ehemaligen Besatzer nach Hause geschickt – der Westen hat diesen wichtigen Schritt noch vor sich.
Sehr geehrter Herr „Pilo“, besten Dank für Ihre zusammenfassende historische wie aktuelle Beschreibung.
Die Geschichte lehrt nicht, sondern bestraft.
Die Deutschen haben bis zum Schluss erbittert gekämpft. Nicht für das Nazi Regime sondern für Deutschland. Die Amerikaner hatten die meisten Verluste im März 1945. Die Russen hatten 100.000 Mann allein bei der Einnahme Berlins verloren. Die Evakuierungen über die Ostsee nach Schweden, Dänemark und Schleswig Holstein gingen bis in den Juni.
Das ist Janusköpfige des 8. Mai. Ende des Nazi Terrors aber auch die endgültige Niederlage Deutschlands. Bis heute ist Deutschland ein gebrochenes und besetztes Land, daß seinen Weg und seine Identität verloren hat.
„Die deutschen Soldaten“….
Das ist genau das Gleiche, wie wenn man schreibt „Die Juden“.
Die wenigsten haben irgendwelche Kriegsverbrechen begangen.
Völlig ausgeblendet wird das Jahrtausendverbrechen an über 15 Millionen Ostdeutschen, die Auslöschung Ostpreußens, Westpreußens, Posens, Schlesiens, Ostbrandenburgs, Hinterpommerns, der Sudetengebiete usw. – Vertreibung Verschleppung, Massenmord. Über 2 Millionen Tote. Ausdrücklich gebilligt durch die Westalliierten, durchgeführt von Sowjetrußland, Polen, Tschechen.
Vollkommen richtig. Meine Vorfahren mussten am Ende des Krieges aus Gebieten flüchten, in denen die Russen einmarschierten. Wer nicht floh, musste mit willkürlichen Erschießungen, Zwangsarbeit und Vergewaltigung rechnen. Aller Besitz, jede Habe der Vertriebenen war weg! Bei aller Erleichterung über das Kriegsende war der Jubel über diese Art der Befreiung verständlicherweise gedämpft. Noch ein Aspekt: Die Weltgemeinschaft sorgt sich momentan sehr um die palästinensische Zivilbevölkerung, weil Israel einen von der Hamas entfesselten Krieg führt. Die Sorge ist berechtigt, denn unschuldige Zivilisten sollten nicht Opfer von Kriegshandlungen werden. Wie sieht es mit den dt. Opfern des 2. WK aus, z. B.… Mehr
Das dann noch 17 Millionen Deutsche 40 Jahre lang hinter Mauer und Stachedraht eingesperrt waren, kam ebenfalls nur mit Zustimmung der Westmächte zustande, die auch die DDR genannte Zone ohne jeden Wiederstand den Sowjets zur Plünderung überlassen haben und bis heute noch keinen Friedensvertrag mit dem jetzt zum Teil , wiedervereinigten Deutschland abgeschlossen haben. Während die Russen ihren Teil der Kriegsbeute aufgegeben haben, halten die Westmächte an der Beute und ihrem Besatzngsstatus weiterhin fest.
Am 8. Mai war der Krieg für viele Menschen endlich vorbei. Aber mit höchst unterschiedlichen Folgen. Zum Teil wurde noch nachträglich dafür gestorben. Nur wer einen Krieg selber erlebt hat, weiß wie schrecklich und ungerecht er wirklich ist. Während viele sterben müssen, wer will das schon freiwillig, feiern andere Feste und tanzen. Leider trifft es immer die am meisten, die am wenigsten dafür können. Unsinnig von wegen: „Der Dank des Vaterlands ist Dir gewiss“. Fragt mal diejenigen, die ihre mühsam aufgezogenen Kinder hergeben mussten. Fragt diejenigen, die den Mann, die Eltern oder auch nur den Vater in einem Krieg verloren… Mehr
Wie viele Kriege haben Sie denn schon selbst mitgemacht, um zu beurteilen, dass Krieg „immer“ nutzlos und ungerecht sei, Kapitulation dagegen schlau und vorteilhaft? Als Deutscher müssten Sie dann fast 100 Jahre alt sein.