Nein, mit Wind und Sonne kann man keine Emissionen reduzieren, wenn eine stabile Stromversorgung aufrecht erhalten werden soll. Das jüngste Werbeblatt aus dem Hause Zypries verbreitet in dieser Hinsicht "Fake News".
Scheinbar unaufhaltsam steigt die Bedeutung der sogenannten „erneuerbaren Energien“ für die heimische Stromerzeugung. Bei über 32% hätte ihr Anteil im Jahr 2016 bereits gelegen, jubelt das Bundeswirtschaftsministerium in seiner neuesten Energiewende-Broschüre, die vor einigen Tagen vielen Publikumszeitschriften beilag. Allerdings vermittelt die grafische Aufbereitung dieser Botschaft einen völlig falschen Eindruck. Verweist sie doch allein auf Wind und Sonne, deren Beitrag tatsächlich nur 18% beträgt. Andere politisch den Erneuerbaren zugerechnete Technologien finden in dieser Darstellung nicht statt.
Vor allem der rasante Ausbau der Biomasse scheint ein Ergebnis der Energiewende zu sein, das man in Zeiten, in denen Barbara Hendricks das Umweltministerium ungeniert gegen die Vermaisung der Landschaft reimen lässt, lieber verschweigt. Mag die halbe Wahrheit in diesem einen Aspekt noch genügen, um wenigstens einen Teil der Wirklichkeit korrekt abzubilden, führt sie einige Sätze später dann völlig in die Irre. Zwar stimmt die Behauptung, der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland sei zwischen 1990 und 2015 um 27% gesunken. Die Energiewende allerdings hat nicht nur nichts damit zu tun, sie hat einen höheren Rückgang sogar verhindert.
Denn sie startete erst im Jahr 2000 mit der Verabschiedung des EEG. Der Löwenanteil der Emissionsreduzierung aber fand bereits davor statt. Zwischen 1990 und 1999 verringerte sich das energiebedingte Aufkommen von Kohlendioxid in allen Bereichen um durchschnittlich 16,5 Millionen Tonnen pro Jahr, davon 5,3 Millionen Tonnen in der Stromerzeugung. Die Abwicklung der Schwerindustrie in Ostdeutschland, Verbesserungen im fossilen Kraftwerkspark und effizientere Heizungsanlagen in Privathaushalten trugen hierzu hauptsächlich bei. Die Einführung der Planwirtschaft im Energiesektor zur Jahrtausendwende beendete die Modernisierungsprozesse weitgehend. In den letzten anderthalb Dekaden gingen die Emissionen im Energiebereich nur mehr um sechs Millionen Tonnen im jährlichen Mittel zurück, in der Stromerzeugung sanken sie überhaupt nicht mehr.
Allen sogenannten „erneuerbaren Energien“ ist das durch klimatische und geographische Bedingungen limitierte Angebot gemein. Eine auf ihnen beruhende Versorgung weist eine absolute Obergrenze der verfügbaren Energiemenge auf, steigt der Bedarf über diese hinaus, kann er nicht mehr erfüllt werden. In Bezug auf die Stromversorgung allerdings sind Wasser, Biomasse, Müll und Geothermie grundsätzlich anders zu betrachten als Wind und Sonne. Denn hier zählt nicht nur die Skalierbarkeit, sondern vor allem die zeitliche Verfügbarkeit.
Strom besteht nicht aus Elektronen, die durch Drähte fließen und wie Wasser aufgestaut und in Speichern gepuffert werden können. Strom ist ein an Kabel gebundenes elektrisches Wechselfeld. Damit alle angeschlossenen Geräte, insbesondere die, die das Stromnetz selbst steuern, immer funktionieren, hat dieses Feld bestimmte, zeitlich konstante Eigenschaften aufzuweisen. Frequenz und Spannung dürfen nur innerhalb gewisser Toleranzen schwanken, was letztendlich bedeutet, jeder Energieentnahme mit einer entsprechenden Energiezufuhr begegnen zu müssen. Sobald eine Fabrik ihre Maschinen einschaltet, oder ein Privathaushalt den Fernseher, wird das diffizile Gleichgewicht im Netz gestört, die Netzfrequenz entfernt sich von ihrem Sollwert. Und das unaufhaltsam, ein Stromnetz ist aus physikalischen Gründen instabil und kehrt niemals von allein in den eigentlich gewünschten Zustand zurück.
Dunkelflaute
Zum Glück verschaffen die großen Turbinen in den thermischen, den nuklearen und den Speicherwasserkraftwerken den Netzbetreibern durch ihre Massenträgheit ausreichend Zeit zur aktiven Nachregelung. Damit diese möglich wird, bedarf es wiederum der sogenannten grundlastfähigen Stromerzeuger, die zu jedem beliebigen Zeitpunkt ihre Leistung dem Bedarf anzupassen vermögen. Nachts aber liefern Solarzellen nicht und wenn der Wind nicht weht, stehen auch die Rotoren der Windkraftwerke still. Der Begriff „Dunkelflaute“ ist schon jetzt ein Kandidat für das Wort des Jahres. Volatile Quellen können die zur Netzstabilisierung erforderlichen Systemdienstleistungen nicht anbieten. Sie sind auch nicht dazu in der Lage, Parameter wie Spannung oder Frequenz zu definieren, damit das Netz im Takt bleibt. Eine Stromversorgung auf Basis von Wind und Sonne gleicht einem Orchester ohne Dirigenten, in dem die einzelnen Instrumente ihre Einsätze nicht aufeinander abstimmen und das daher nur mehr unzusammenhängenden Lärm statt harmonischer Wohlklänge produziert.
Deswegen sind die konventionellen Stromquellen, zu denen neben den fossil und nuklear betriebenen Kraftwerken aus technischer Sicht eben auch größere Wasser-, Biogas- und Müllverbrennungsanlagen zählen, im Grundsatz unverzichtbar. Sie müssen im Hintergrund immer mitlaufen, immer bereit sein, in Minuten- oder gar Sekundenschnelle einzuspringen, sie müssen selbst dann in Betrieb sein, wenn sie aufgrund eines Überangebotes an Wind- und Solarenergie eigentlich gar nicht benötigt würden. Sie arbeiten dabei immer häufiger jenseits ihrer idealen Betriebspunkte, was Emissionsminderungen verhindert. Durch die Subventionierung und die Bevorzugung der volatilen Quellen werden sie außerdem zunehmend unwirtschaftlich. Ihre Betreiber verzichten daher auf Investitionen, sei es für die Überholung des Bestandes oder für die Realisierung neuer, viel effizienterer Anlagen. Mit jedem neuen Solarpaneel, mit jedem neuen Windrad vermindern sich aus diesen Gründen die Möglichkeiten, Emissionen zu reduzieren. Die Energiewende ist prinzipiell ungeeignet, ihr eigentliches Primärziel, die Senkung des Kohlendioxidausstoßes, zu erreichen.
Diese Zusammenhänge benennt das Propaganda-Papier des Wirtschaftsministeriums natürlich nicht. Stattdessen liefert es zwanzig Seiten voller Durchhalteparolen und verknüpft Teilwahrheiten mit Falschdarstellungen zu irreführenden Interpretationen. Es ist die erste große Veröffentlichung, für die Brigitte Zypries als neue Wirtschaftsministerin verantwortlich zeichnet, auch wenn es noch unter Gabriel vorbereitet wurde und sie vielleicht nur das Vorwort wirklich gelesen hat. Aber so ein Einstieg in das Amt ist diesen Zeiten durchaus angemessen. Mit Stolz und Zufriedenheit dürfen die Bürger dieses Landes konstatieren: Die Etablierung und Nutzung alternativer Fakten ist eine von der deutschen Regierung meisterhaft beherrschte Disziplin. Dagegen wirken andere Administrationen wie Anfänger.
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