Karl Lauterbachs befremdlicher Umgang mit einem sensiblen Thema

Das Thema Prävention gegen Suizid eignet sich nicht für politische Debatten. Umso erstaunlicher, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach damit umgeht. Und wichtige Fragen zu seinem Vorgehen verhindert.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, stellt auf einer Pressekonferenz die Nationale Suizidpräventionsstrategie der Bundesregierung vor, 02.05.2024

Die Wissenschaft kennt den „Werther-Effekt“. Er besagt, dass eine öffentliche Beschäftigung mit dem Thema Selbstmord dazu führen kann, dass die Anzahl steigt. So zeigte das ZDF im Januar und Februar 1981 die sechsteilige Serie „Tod eines Schülers“, die das Thema behandelte. Obwohl die Serie künstlerisch wertvoll war, führte sie eben doch zu dem gefürchteten Werther-Effekt: In den ersten beiden Monaten nach der Ausstrahlung stieg die Suizid-Rate bei den 15- bis 19-Jährigen um 175 Prozent. Ein häufiger Ort des Geschehens waren wie in der Serie Bahnstrecken. Selbst nach der Wiederholung stieg die Rate noch einmal um deutlich über 100 Prozent an.

Entsprechend verwundert, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit dem sensiblen Thema umgeht. Der Bundestag hatte ihn im Juli aufgefordert, bis Ende Januar ein Präventionsprogramm vorzulegen. Das blieb er bis jetzt schuldig. Nun stellte er das Konzept kurzfristig vor. Zwischen Feiertag und Wochenende. Ohne über die üblichen Presseverteiler einzuladen. Und auch ohne die Fachpolitiker darüber zu informieren, nicht einmal die aus den eigenen Reihen. Der Arzt und Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger (CSU) wundert sich über Lauterbach: „Einen fast einstimmigen Arbeitsauftrag des Deutschen Bundestages mit über vier Monaten Verspätung zu erfüllen, grenzt schon an eine Missachtung des Parlaments, also der Vertreter des Volkes. Aber gerade bei diesem sensiblen Thema gilt: Besser spät als nie.“

Lauterbach setzt in der Prävention darauf, den Suizid technisch zu erschweren. So soll der Zugang zu Brücken, Hochhäusern oder zu Gleisen erschwert, Packungen mit Schmerzmitteln verkleinert werden. Da Gefährdete oft aus einem Impuls handelten, könne es die Rate senken, wenn man die Umsetzung erschwert, hofft Lauterbach. Studien würden das belegen.

Nun will Lauterbach zu diesem Thema auch seine eigenen Studien anfertigen lassen. Deswegen will der Minister ein Register anlegen. In dem wird künftig unter falschem Namen stehen, also unter Pseudonym, wer einen Versuch begangen hat. Da so Methoden und gefährliche Orte besser erkannt würden, berichtet die FAZ. Durch seine Journalisten-Auswahl hat sich Lauterbach kritische Nachfragen erspart. Etwa, inwiefern das als Prävention helfen soll? Die Methoden führt die bisherige Statistik bereits jetzt penibel genau auf, kritische Orte wie eben Brücken, Hochhäuser und Bahnstrecken kann Lauterbach auch schon jetzt selbst benennen.

Als weitere Maßnahme will Lauterbach die gefährdete Gruppe gezielt ansprechen. Das sind häufig ältere Menschen. Denen will er in Praxen, Hospizen und Seniorentreffs Beratung anbieten. Außerdem will er – wie schon zu Corona-Zeiten – verstärkt Anzeigen in Zeitungen und Werbung im Fernsehen schalten. Ob er dabei keinen Werther-Effekt fürchtet? Das hätte sich als Nachfrage aufgedrängt. Doch für Lauterbachs Freundeskreis unter den Journalisten gilt die Regel: Je mehr er ihre Medien mit Werbung füttert, umso weniger kritische Nachfragen stellen sie, desto bevorzugter werden sie eingeladen. So ist rund um Lauterbach ein Zirkel der gemeinsamen Inkompetenz und Kumpanei entstanden.

Einen Gesetzentwurf bleibt Lauterbach weiterhin schuldig. Für den hat er gerade mal noch Zeit bis Ende Juni. Es geht um die Suizid-Assistenz. Die hat die Große Koalition 2015 verboten. Fünf Jahre später hat das Bundesverfassungsgericht dieses Verbot aufgehoben. Es verstoße gegen die Menschenwürde, wenn ein Mensch die Entscheidung zum Selbstmord nicht selbst fällen könne. Wer Gefährdeten beim Suizid hilft, steht seitdem mit einem Bein im Knast und mit dem anderen im Ungewissen. Denn es ist nur erlaubt, zu helfen, wenn die „Freiverantwortlichkeit“ sichergestellt ist. Doch gilt ein Suizidgefährdeter als geistig krank, kann die „Freiverantwortlichkeit“ eigentlich nicht gegeben sein.

1981, im Jahr der Ausstrahlung von „Tod eines Schülers“ lag die Fallzahl der Suizide noch bei 18.825 Fällen. Bis 2021 ist sie auf 9215 Fälle zurückgegangen – 2022 dann auf 10.119 Fälle gestiegen. Die Kritiker des Urteils führen den Anstieg auf die Toleranz gegenüber der Suizid-Assistenz zurück. Kritiker der Pandemie-Politik sehen den Grund in der sozialen Isolation, die Kontaktverbote und Ausgangssperren, die diese Pandemie-Politik mit sich gebracht hat.

„Die Zahlen zeigen, dass die Corona-Pandemie und ihre Folgen die Zahl der verzweifelten, suizidgefährdeten Menschen deutlich erhöht hat. Politik und Staat haben die Verpflichtung, diesen Mitmenschen schnellstmöglich aus dieser psychischen Extremsituation herauszuhelfen und nicht monatelange Fachdiskussionen zu führen“, sagt Pilsinger. Der Arzt sagt: „Die beste Suizidprävention ist für mich nach wie vor die individuelle, ausführliche Beratung von lebensmüden Menschen. Daher arbeite ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen der ,Castellucci-Gruppe‘ weiterhin an einem überarbeiteten Gesetzentwurf, der im Rahmen eines Beratungskonzepts den unbedingten, autonomen Willen des Einzelnen feststellt und jeglichen Missbrauch durch Außenstehende verhindern soll.“


Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.

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Kommentare ( 21 )

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Sabine W.
7 Monate her

Oh, Mann… Harry. ?
Ich muss darauf gerade mal antworten.

Können wir uns bei allem weiteren Zynismus zumindest darauf einigen, dass es kompletter Bullshit von Herrn L. ist, suizidale Menschen durch physikalische Maßnahmen à la Barrieren/Zäune von ihrem Vorhaben abzuhalten?
Es ist letztendlich nur ein weiteres ‚Projekt‘ aus der Denkwerkstatt dieses Menschen, der zwischen Dilettanz, Ignoranz und Rechtfertigung seiner Position hin- und herditscht.
Auch das wäre schon eine Form von Zynismus.

Bitte hauen Se nicht noch einen drauf. ?

Last edited 7 Monate her by Sabine W.
Paroline
7 Monate her

Meine Mutter hätte lieber den Freitod gewählt als an Krebs zu sterben (Das ist dann übrigens passiert, Turbo-Krebs nach der Impf-Nötigung). Das hatte sie übrigens schon in jungen Jahren gesagt. Und recht hatte sie, ich würde das auch tun. Am Ende hat die Pflegekasse auf Widersprüche nicht reagiert (ein dreiviertel Jahr lang!), die Höherstufung hat deswegen nicht geklappt und der Pflegedienst hat gekündigt, weil eben deswegen nicht genug Geld da war. Ich habe sie dann für ihre letzten Tage im Krankenhaus unterbringen müssen. Das wünscht man niemandem! Vielleicht sollte sich der saubere Herr mal um die Zustände in diesem Land… Mehr

Kalle Mollmann
7 Monate her

„befremdlich“ ist ein sehr freundliches Wort – um den lockeren Umgang mit den rund zehntausend jährlichen Toten durch Suizid pro Jahr in Deutschland des Herrn Professors Lauterbach zu beschreiben – denn mindestens ebenso „befremdlich“ ist die NICHT vorhandene Aufklärung des Corona Bio-Terrors in Deutschland. Wegen etwa eines Viertels der Toten im Straßenverkehr – werden fleißige & flotte Arbeitnehmer als „Raser“ mit Mördern verglichen – nur weil sie genauso schnell fahren, wie sie arbeiten . . . Mein Vater war ein guter Arzt & ein erstklassiger Chirurg – bevor er sich am 19.Juli 1963 das eigene Leben nahm – ich nahm… Mehr

Last edited 7 Monate her by Kalle Mollmann
Kalle Mollmann
7 Monate her
Antworten an  Kalle Mollmann

HIER ein Artikel zu Lauterbach’s NICHT vorhandener Aufklärung des Corona Bio-Terrors in Deutschland:
https://www.freischwebende-intelligenz.org/p/plotzliche-tode-wie-langsam-kann?publication_id=95541&post_id=144265990&isFreemail=true&r=far4j&triedRedirect=true

Brauer
7 Monate her

Er kann es nicht und wird es nie können. Nun die Frage, warum stoppt Scholz diesen verwirrten „Professor“ nicht?

Sabine W.
7 Monate her
Antworten an  Brauer

Aus dem gleichen Grund, aus dem er den Rest seines ‚Kabinetts‘ (inkl. seiner eigenen Kanzlerschaft) nicht stoppt: Eine Mischung aus Machtgeilheit und wohlwissendem Schweben über dem Bewusstsein, dass es eben auch keine ernstzunehmende Alternativkonkurrenz gibt, die eine wirkliche Bedrohung dieser Regierungsdarsteller ausmachen könnte. Zwar geht dem Herrn Scholz zunehmend die (falls es sie jemals gab) Munition in Bezug auf Minister-Ersatz aus, aber wer soll’s denn dann ‚richten‘? Die Union, die jetzt schon öffentlich mit Links kuschelt? Nein, es gibt keine ernstzunehmende Konkurrenz – serviert wird weiterhin der Brei aus ‚irgendwas mit demokratisch‘. Warum also sollte Herr Scholz sein Kabinett aufräumen?… Mehr

AngelinaClooney
7 Monate her

Lauterbachs „Blabla“ soll vermutlich von anderen Themen ablenken (Klinikinsolvenzen, gestiegene Gesundheitskosten durch Migration ec.).

JPP
7 Monate her

Es ist doch einfach die nächste – werbewirksame! – Nebelkerze, die vom Regime gezündet wird. „Schaut her, ich kümmere mich um euch!“, soll die Botschaft sein. Dafür werden nun mutmaßlich wieder Millionen verschleudert, um Brücken baulich suizidhemmend herzurichten oder sonstigen Unfug zu treiben. Nicht falsch verstehen: Ich finde – wie wohl jeder andere empathische Mensch auch – jeden Suizid fürchterlich. Mein Eindruck des Herrn Gesundheitsministers ist jedoch anhand seiner Taten in der Vergangenheit, dass dem das alles völlig scheißegal ist. Er hat eine billige Werbekampagne auf den Schultern der Betroffenen und deren Angehörigen im Sinn. Hätte man wirklich etwas bewegen… Mehr

HDieckmann
7 Monate her

Lauterbach ist jedes Thema recht, um von seinen Corona-Verbrechen sowie den Corona-Schandtaten des Gesundheitsministeriums und der Regierenden insgesamt abzulenken.

Sabine W.
7 Monate her

Ich verstehe Herrn Lauterbach mal wieder nicht. Wer sich wirklich umbringen will, der tut es auch – da bringen ‚Präventionsmaßnahmen‘ nur wenig. Und wie sollen die auch konkret aussehen? Wieder mal im Lauterbach-Style unter erneuter Bemühung eines gefährlichen Halbwissens, unter dem er so gerne schon seit Jahren glänzen möchte (wie schon zur Corona-Zeit, und letztes epidemisches Verglühen unter den ‚Affenpocken‘)? Irgendwie mutet das an wie der letzte verzweifelte ABM-Versuch eines Gesundheitsministers, der sich der essenziellen Probleme nicht annimmt, weil er dazu nicht in der Lage ist und stattdessen lieber Nebengleise bereist. Liebe Mitleser, bitte versteht mich nicht falsch! Ich will… Mehr

fatherted
7 Monate her

In einem freien Land muss ein jeder Herr über sein Leben und seinen Tod sein. Das man Hilfe in psychischer Ausnahmesituation anbietet, ist selbstredend. Das man aber die Freitodentscheidung jetzt quasi staatlich unterdrücken will….ist für einen liberalen Menschen unerträglich.

Julischka
7 Monate her

WARUM gab es denn im Jahr 2022 einen Anstieg der Suizide von 10%, Herr Lauterbach? Da war doch was!

Regina Lange
7 Monate her
Antworten an  Julischka

So ist es, daran habe ich auch sofort gedacht. Ich will gar nicht wissen wieviele Suizide Lauterbach und seine Corona-Schergen zu verantworten haben! Aber wie erwartet, jetzt war’s ja keiner. Die waschen ihre Hände in Unschuld!