DER SPIEGEL Nr. 6 – America First

Wie lange noch funktioniert die Hysterie? Wirklich gefährlich wird es dann, wenn die Erregungsspirale einen Punkt erreicht hat, an dem man nichts mehr draufsatteln kann. Der SPIEGEL ist dort schon angekommen.

Im Volksmund heißt es „Viel Feind, viel Ehr“. Da dürfte Trump wirklich „First“ sein. Zumindest gilt es mittlerweile hierzulande in vielen Kreisen als Beleidigung, wenn jemand als Trump-Fan oder –Freund verdächtigt wird. Immerhin: Der neue, von Trump kreierte Politikstil findet zumindest immer mehr Nachahmer.

Das Cover der aktuellen SPIEGEL-Ausgabe steht Auftreten und Stil des POTUS (President of the United States) und einem Teil seiner Entourage in nichts nach: Skandalisierung um jeden Preis. Mittlerweile erleben wir, durch Trump animiert, eine bisher nicht für möglich gehaltene Erregungsspirale, in der von Woche zu Woche immer abwegigere Vergleiche an den Haaren herbeigezogen und immer neue Eskalationsstufen erklommen werden. Der bisherige „Höhepunkt“: Auf dem Titel ist die Freiheitsstatue von Donald Trump geköpft, der, ob dieser Großtat, triumphal wie ein IS-Terrorist, ein blutbesudeltes Messer schwingt, das Blut so rot wie die Krawatte des Präsidenten. Donald Trump = IS-Terrorist, das ist die Gleichung, die die SPIEGEL-Macher aufstellen. Man mag die politischen Ziele und das Vorgehen Trumps gutheißen oder nicht – diese Gleichung verhöhnt jedes einzelne Opfer des IS. Ein „Basta“-Cover, das jegliche Diskussion im Keim erstickt.

Gedanken bei einem inakzeptablen Titelbild
Warum flippen Medien aus?
Dabei hat Markus Feldenkirchen in seiner feinen Kolumne „Ende des Biedermeiers“ möglicherweise recht – wenn auch nicht von jetzt auf gleich: Trump hat es geschafft, Westeuropa aus dem politischen Tiefschlaf zu wecken. Dank Trump sei es, „als kehre ein Bewusstsein dafür zurück, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde von aufgeklärten und engagierten Vorfahren erkämpft wurden – und von ihren Nachfahren bei mangelndem politischem Engagement auch wieder verspielt werden können.“

Die 2.500 Eintritte in die SPD in der letzten Woche sind sicherlich nicht nur dem Charisma von Martin Schulz zu verdanken, sondern auch der Repolitisierung gerade junger Menschen geschuldet. Der hessischen SPD gingen ob dieser Eintrittswoge gar die Parteibücher für die Novizen aus, wie der Hessische Rundfunk meldet. Aber nicht nur die politischen Parteien profitieren vom Trump-Effekt, auch die Medien spüren Aufwind: Laut Spiegel verzeichnete die von Trump arg gescholtene New York Times im vierten Quartal 2016 276.000 neue Digitalabonnenten.

Aber wie lange noch funktioniert die Hysterie? Wirklich gefährlich wird es dann, wenn die Erregungsspirale einen Punkt erreicht hat, an dem man nichts mehr draufsatteln kann. Der SPIEGEL ist dort schon angekommen.

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