Die CDU steht vor der Wahl: Grüne oder Brandmauer

Die CDU distanziert sich in Sachsen von den Grünen. Aber nur halbherzig. Dabei ist die Frage, ob sie weiter mit den Grünen koalieren wollen, die Schicksalsfrage für die Christdemokraten. Und nicht nur für die.

IMAGO / jmfoto

Christian Hartmann führt die Landtagsfraktion der CDU in Sachsen. Vor der Wahl in Sachsen haut er einen raus: „Wenn es eine andere Option gibt, wird die Zusammenarbeit mit den Grünen enden“, zitiert ihn die Chemnitzer Freie Presse. Nun. Das ist nicht viel. Nicht einmal für die CDU 2024. Genauso gut könnte Hartmann sagen: Die CDU stellt sich tapfer dem Drachen – vorausgesetzt, jemand anderes tötet ihn vorher oder der Drachen taucht einfach nicht auf, weil er an dem Tag andere Termine hat.

Aber immerhin hat die sächsische CDU-Führungskraft etwas erkannt: Die Grünen ziehen ihre Koalitionspartner nach unten: Die SPD erreicht in den Umfragen im Bund nur noch etwa die Hälfte ihres Ergebnisses der Wahl 2021. Die FDP muss nächstes Jahr um ihren Verbleib im Bundestag zittern. Nur die Grünen selbst bleiben in der Ampel halbwegs stabil.

Eine Umfrage von Allensbach im Auftrag der FAZ hat ergeben, dass die Grünen mehr als der Hälfte der Deutschen „gar nicht gefällt“. Seit der Wahl hat sich dieser Wert von 25 auf 56 Prozent mehr als verdoppelt. Der Politikwissenschaftler Jürgen Falter erklärt in der Bild, dass die Kombination aus dem Drang zur Bevormundung bei gleichzeitiger eigener Inkompetenz die Grünen so unbeliebt machen.

Allerdings bleiben die Prognosen für die Grünen stabil. Das lässt sich erklären: Die Grünen setzen gnadenlos ihre Ideologie um und bedienen ihre Interessengruppen schamlos. Das macht ihre Leute zufrieden. Es sind ihre Koalitionspartner, die darunter leiden. FDP-Chef Christian Lindner versucht mit einer Ankündigung nach der anderen dagegen zu halten. Doch während sich die Grünen ein nach dem anderem Mal durchsetzen, zeigt Lindner höchstens am Shrimps-Buffet auf Sylt Durchsetzungsvermögen.

Warum arbeiten dann aber die anderen Parteien weiter mit den Grünen zusammen? Das liegt an einer taktischen Volte, die Katrin Göring-Eckardt 2014 durchgesetzt hat. Nachdem die FDP seinerzeit aus dem Bundestag geflogen war, sorgte die damalige Fraktionsvorsitzende im Bundestag dafür, dass die Grünen deren strategische Rolle übernahmen: Sie waren nach links zu Koalitionen mit SPD und Linken bereit, nach rechts zu Koalitionen mit CDU und FDP. Gleichzeitig sahen sich CDU und FDP einer „Brandmauer“ gegen die AfD verpflichtet und verzichteten damals noch auf Koalitionen mit den Linken. Damit war in Deutschland kaum noch eine Regierung ohne Grünen möglich.

Das verleiht den Grünen Macht. Nicht nur beim Regieren im Bund oder in den Ländern. Wer in CDU oder FDP nach einem Wahlsieg Minister werden will, Staatssekretär oder Abteilungsleiter, der darf sich vorher nicht zu stark gegen die Grünen festgelegt haben – denn sonst würde er nicht mehr als „ministerabel“ gelten, falls es zur Koalition mit ihnen kommt. Das hat dazu geführt, dass SPD, Linke, FDP und CDU ihr Programm immer stärker grün gewaschen haben. Das sowie der mediale Druck, der durch den grünen Mainstream in Medien wie ARD, ZDF, FAZ oder Süddeutscher Zeitung erzeugt wird.

Doch es gibt Absatzbewegungen. Boris Rhein hätte im vergangenen Jahr in Hessen die Koalition der CDU mit den Grünen fortsetzen können. Doch er entschied sich für eine Zusammenarbeit mit der SPD. Das war noch wenig bemerkenswert. Der hessische Wähler hatte Spitzenkandidatin Nancy Faeser derart abgelehnt, dass die SPD ins Nichts gefallen war. Nach Faeser hatte die hessische SPD nur noch die Wahl zwischen Anhängsel oder Abschreibungsobjekt. So ist sie dank Faeser für Rhein ein billiger und williger Koalitionspartner.

Bemerkenswert ist indes, was im gleichen Jahr in Berlin geschehen ist. Dort hätte Franziska Giffey die Koalition der SPD mit Grünen und Linken fortsetzen können. Dann wäre sie selbst Regierende Bürgermeisterin geblieben. Doch Giffey hielt die Grünen langfristig für einen derart schädlichen Koalitionspartner, dass sie sich stattdessen dafür entschied, Juniorpartner der CDU zu werden und freiwillig auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters zu verzichten.

Ein halbes Jahr später machte Markus Söder (CSU) in Bayern Wahlkampf mit dem Versprechen, nicht mit den Grünen zu koalieren. Was sein Wort im Zweifelsfall wert gewesen wäre, dürfte bekannt sein. Söder hat in seinem Leben schon fast jede Meinung vertreten und auch das Gegenteil davon. Mitunter am gleichen Tag. Mitunter in der selben Rede. Söder konnte sich sein Grünen-Bashing leisten, weil klar war, dass ihm in den Freien Wählern ein ausreichend starker Koalitionspartner zur Verfügung steht.

Das gilt nicht für die CDU Sachsen. Schon 2019 war die „große Koalition“ so schwach, dass CDU und SPD die Grünen brauchten, um eine Mehrheit zu haben. Wobei in dieser Koalition die Grünen die zweitstärkste Partei sind und die SPD die Rolle des Anhängsels mit Dienstwagen spielt. In den jüngsten Umfragen führt die AfD und folgt das Bündnis Sahra Wagenknecht auf Platz drei, zusammen liegen sie bei etwa 45 Prozent – mehr als CDU, SPD und Grüne zusammen.

In der Chemnitzer Freien Presse lässt Hartmann erkennen, was hinter seiner Attacke gegen die Grünen tatsächlich steht: Wer nicht wolle, dass die sächsische Koalition weiter regiere, dürfe nicht AfD, sondern müsse CDU wählen, sagt er. Das macht seine Attacke so klein. Das macht seinen Versuch so erbärmlich. Hartmann will als Grünen-Gegner gewählt werden, obwohl er weiß, dass die CDU nur mit den Grünen in der Regierung bleiben kann. Er will Stimmen gegen die Grünen in eine Koalition mit den Grünen führen. Genau das gleiche Vorgehen wie das der FDP im Bund – genau der gleiche Grund, aus dem liberale und konservative Wähler die FDP abstrafen.

Die CDU 2024 ist eine linke Partei geworden. Wie linke Parteien es gerne tun, wollen sie einen Teil der Mehrheit, die ihren Ideen nicht folgt, mit Worttäuscherein für sich gewinnen – anstatt die eigentlichen Probleme zu lösen. Im Fall der CDU Sachsen heißt das: Sie müsste eigentlich offen diskutieren, ob sie die „Brandmauer“ aufrecht erhält oder ob sie mit der AfD koaliert. Oder ob sie ersatzweise eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht anstrebt. Sonst droht der CDU die Abwahl oder im besten Fall ein weiteres Bündnis mit den Grünen. Angesichts der toxischen Wirkung der Grünen für ihre Koalitionspartner muss sich die CDU allerdings fragen, ob das auf länger Sicht wirklich der beste Fall wäre.

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Kommentare ( 87 )

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bluezomo
8 Monate her

«Die CDU 2024 ist eine linke Partei geworden.»
So ein Stuss!
Die CDU hat sich maximal ein linksliberales Erscheinungsbild erschaffen, ein Feigenblatt, mit dem sie versucht, Mittewähler abzufischen und nicht von vorgestern zu wirken. Die CDU ist nach wie vor neoliberal, proatlantisch und die Partei der „mir geht es gut und das soll so bleiben“ (die besitzende Klasse).
Wirklich Links ist im Bundestag gar nicht mehr vertreten.

Buck Fiden
8 Monate her

Der Wähler wird es richten?
„Unter Wahlen in einer Diktatur versteht man die Prozedur, bei der offen abgestimmt und geheim ausgezählt wird.“ (Bob Hope)

Autour
8 Monate her

Die Grünen werden gar nicht erst in den Landtag einziehen, des weiteren wird die AfD keine Partei zur Mehrheitsbeschaffung benötigen, da auch die SPD nicht einziehen wird. Somit stellt sich dieses CDU Koalitionsgehabe überhaupt nicht!
Man sollte sich eher Gedanken machen wer diese „freie“ Wahl eigentlich überwachen wird! Nicht dass auf einmal die Briefwahlstimmen doch noch dafür sorgen, dass….

Ernst K.
8 Monate her
Antworten an  Autour

Wer möchte, daß seine kritische Stimme bei der Zählung Berücksichtigung findet, sollte unbedingt an die Urne gehen.

bernstedter
8 Monate her

Die CDU IST die Partei die Deutschland am meisten verraten hat und am meisten zerstört hat! Es ist DIE CDU!

hassoxyz
8 Monate her

Eine linke Partei ist die CDU nicht erst jetzt, sondern schon seit mindestens 10 Jahren, wenn nicht noch länger. Die Entwicklung Richtung links begann schon 2010 mit Ausbruch der Eurokrise und der Schuldenvergemeinschaftung für die schwachen Süd-Staaten. Ein Jahr später dann der überhastete Atomausstieg, schließlich als Höhepunkt Anfang September 2015 die Grenzöffnung. Ich schrieb bereits 2014, also vor 10 Jahren, hier auf TE in einem Kommentar: „Die CDU ist heute nur noch ein Ableger von Rot-Grün. Themen, die die Menschen berühren wie z.B. Migration, Islam, innere Sicherheit interessieren sie überhaupt nicht mehr, andere Themen wie Frauenquote, Homoehe dafür umso mehr.“… Mehr

AndreasH
8 Monate her

Genauso könnte man sagen: wer AfD wählt bekommt Grün. Bei zwei Landtagswahlen ist die CDU übrigens als Sieger hervorgegangen und die Grünen sind aus der Regierung geflogen. Was Ihre Aussage umso mehr widerlegt.

Ombudsmann Wohlgemut
8 Monate her
Antworten an  AndreasH

Falsch! Das liegt nur an den jeweiligen Parteien und deren Entscheidungen. Die haben sich für eine antidemokratische Brandmauer entschieden und müssen jetzt immer mehr mit den Konsequenzen leben. Allerdings war die AfD damals auch noch nicht so stark. Die BSW-Gründung bescherte den anderen Parteien einen leichten Rückgang. Diesen holt sich die AfD seitdem jedoch monatlich zurück. Bei den nächsten nationalen Wahlen, angefangen mit Sachsen und Thüringen, könnte die CDU nun endlich die richtige Entscheidung treffen und eine große Koalition bilden, womit die meisten Bürger repräsentiert werden und endlich dieser unsägliche linke Terror zumindest landesweit unterbunden wird. Groß genug ist die… Mehr

Ohanse
8 Monate her
Antworten an  AndreasH

Genauso? Wohl kaum. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Kann man aber nur erkennen, wenn man nicht linksgrün gescheitert ist.

Giovanni
8 Monate her

„Die Grünen ziehen ihre Koalitionspartner nach unten“ Merzel und die grünen Merkelianer in der CDU kündigen vor den Wahlen eine mögliche Koalition mit den Grünen an. Sollte die CDU auf Landes- und Bundelebene mit der grünen Sekte ins Bett steigen, obwohl sie mit der AfD eine Mehrheit hätte, so wird die CDU abstürzen.
Es ist offensichtlich, daß die Grünen in einer neuen ÖSED (Ökosozialistische Einheitspartei Deutschlands) -CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und BSW – weiterhin den Ton angeben werden. Sie wird die anderen Parteien am Nasenring durch die Manege ziehen.

Manfred_Hbg
8 Monate her

Zitat: „Die CDU steht vor der Wahl: Grüne oder Brandmauer“

> Na, !diese! vergrünte CDU ist doch selbst auch ohne Brandmauer nicht wählbar. UND muß sich mit Blick auf die letzten ~20 Jahre erst einmal selber von innen heraus reinigen um auf ihre alten grün- und woke- und Merkel-losen Pfade zurückzukehren.

Thorsten
8 Monate her

Die CDU kann nur mit den Grünen koalieren ansonsten funktioniert die Brandmauer nicht.
Das sollte jedem CDU-Wähler klar sein: seine Stimme ist eine Stimme für eine Koalition mit den Grünen.

Markus Gerle
8 Monate her
Antworten an  Thorsten

Und dann möge man noch an eine Wählerklientel erinnern, die jetzt schon stinksauer ist. Das ist die Gruppe der ehemaligen FDP-Wähler. Ja, ich gebe zu, die derzeitige Katastrophe durch meine Stimme für die FDP ermöglicht zu haben. Das trifft in meinem Umfeld auf viele Wähler zu. Und die sind genauso sauer wie ich und werden den Fehler nicht nochmals begehen. Es sind meiner Meinung nach für Netto-Steuerzahler eigentlich nur noch Parteien wählbar, die eine Brandmauer zwischen sich und den Grünen hochziehen. Das sind nach meinem Kenntnisstand derzeit nur die AfD und die Werteunion. Würden CDU und FDP dies auch so… Mehr

gmccar
8 Monate her
Antworten an  Markus Gerle

Das würde aber Black Rock, denen Merz verpflichtet ist, garnicht gefallen.

Juergen P. Schneider
8 Monate her

Wenn die Union ihre idiotische Brandmauer aufgeben würde, hätte sie eine dauerhafte Machtoption in vielen Bundesländern und im Bund. Aber sie lässt sich lieber von den rot-grünen Jakobinern vorschreiben, mit wem sie koalieren soll. Gegen politstrategische Dummheit ist halt kein Kraut gewachsen. Es gab und gibt eine liberal-konservative Mehrheit im Land und es gibt eine Union, die dies vergessen hat.