Spektakuläres erstes Quartal – Anlageregeln für Neueinsteiger

Kurz vor dem Osterwochenende legten die Aktienkurse in den USA nochmals leicht zu, der Dax fügte seiner jüngsten Rekordserie einen weiteren Höchststand hinzu. Angesichts der starken Kursentwicklung der vergangenen Monate stellt sich die Frage, ob man sich noch engagieren sollte. Die NZZ erinnert an die Anlageregeln des „Börsenprofessors“ Erwin Heri.

IMAGO / STPP

Kurz vor dem Osterwochenende legten die Aktienkurse in den USA nochmals leicht zu. Der Dow Jones Industrial stieg am Donnerstag um 0,1 Prozent auf 39.807 Punkte. Zu einer Fortsetzung der Rekordjagd reichte es aber nicht mehr, dem Dow fehlten in der Spitze nur gut 20 Punkte zu einer weiteren Höchstmarke. Gleichwohl steht mit einer Quartalsbilanz von plus 5,6 Prozent ein ansehnlicher Jahresauftakt zu Buche. Am Karfreitag blieben die Börsen geschlossen.

Aussagen des US-Notenbankdirektors Christopher Waller zur künftigen Zinspolitik bremsten lange Zeit die Kaufbereitschaft der Anleger. Dieser hatte betont, es bestehe keine Eile, die Zinssätze zu senken. Die jüngsten Wirtschaftsdaten rechtfertigen ihm zufolge einen Aufschub oder eine Reduzierung der für dieses Jahr erwarteten Zinssenkungen. Erst im späten Handel wagten sich die Anleger wieder ein wenig aus der Deckung.

Der marktbreite S&P 500 stieg im späten Handel auf ein weiteres Rekordhoch. Er schloss mit 0,1 Prozent im Plus bei 5.254,35 Zählern. Der von Technologieaktien dominierte Nasdaq 100 schloss gut 0,1 Prozent niedriger auf 18.255 Zählern.

Die Aktien von Walgreens Boots Alliance legten nach starken Schwankungen am Ende um 3,2 Prozent zu. Die Apothekenkette übertraf im abgelaufenen Quartal die Erwartungen.

Tesla-Aktien verloren 2,3 Prozent. Hier mehrten sich in den vergangenen Tagen die Kommentare von Analysten, die mit schwächeren Auslieferungen des Herstellers von Elektrofahrzeugen rechnen.

Die Aktien von Take-Two Interactive Software legten um 1,1 Prozent zu. Der Entwickler von Computerspielen einigte sich mit dem schwedischen Branchenkollegen Embracer auf die Übernahme von Gearbox Entertainment für 460 Millionen US-Dollar in eigenen Aktien.

Bei den Aktien von General Electric nahmen Anleger vor dem langen Wochenende Gewinne mit, die Papiere verloren 2,6 Prozent. Sie waren in diesem Börsenjahr um rund 40 Prozent gestiegen. Ähnlich stark war es mit den Papieren von Meta nach oben gegangen, auch hier strichen Investoren Gewinne ein. Die Aktien des Facebook- und Instagram-Konzerns verloren 1,6 Prozent.

Im Dow Jones und dem Nasdaq sind zweistellige Kursbewegungen bei den Tops und Flops im ersten Quartal zu beobachten. Im Dow Jones war es die Walt Disney Aktie, welche die stärkste Bewegung zeigen konnte und mit einem Plus von 34 Prozent alle anderen Aktien in den Schatten stellte. Seit dem CEO-Wechsel und der Umstrukturierung geht es voran im Haus des Unterhaltungskonzerns.

Dass Apple unter den Verlierern gelistet ist, konnte man sich bis Ende 2023 nicht vorstellen. Zum absoluten Verlierer wurde Boeing – der Flugzeugbauer verzeichnete ein Minus von 26 Prozent im ersten Quartal. Deutlich positiver lief es bei einigen Nasdaq-Werten, ganz vorn natürlich bei Nvidia. Um sagenhafte 82 Prozent legte der Wert zu und stellte damit alle anderen Aktien in den Schatten. Das Thema Chips und KI spielte auch bei Micron Technologies eine große Rolle, die immerhin noch um 39,7 Prozent anstiegen.

Der Euro kostete zuletzt 1,0787 US-Dollar. Am Anleihenmarkt gaben die Notierungen leicht nach. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere stieg moderat auf 4,21 Prozent

Der Dax hatte zuvor seiner jüngsten Rekordserie im Handelsverlauf einen weiteren Höchststand hinzugefügt und nur wenig verändert geschlossen. Letztlich gewann der deutsche Leitindex 0,1 Prozent auf 18.492 Punkte. Für die verkürzte Karwoche stand beim Dax damit ein Gewinn von rund 1,6 Prozent zu Buche. Den Monat März schloss das wichtigste Börsenbarometer mit einem Gewinn von 4,6 Prozent ab und das erste Quartal mit einem Plus von 10,4 Prozent.

Dagegen sank der MDax der mittelgroßen Unternehmen am Donnerstag um 0,2 Prozent auf 27.043 Zähler. Auch auf Wochen-, Monats- und vor allem auf Quartalssicht (minus 0,4 Prozent) hinkte der MDax dem Dax hinterher.

Erwartungen an baldige Zinssenkungen in der Eurozone und in den USA, wo sich zudem die Wirtschaft in robuster Verfassung zeigt, waren die entscheidenden Gründe für die jüngste Dax-Rally. In den vergangenen Tagen sprangen immer mehr Investoren auf, um die Hausse nicht zu verpassen. Größere Gewinnmitnahmen blieben bislang aus.

Dabei hatten einige Marktbeobachter vermutet, dass noch vor dem langen Osterwochenende Anleger Kasse machen und auf Nummer sicher gehen könnten. Die US-Börsen melden sich bereits am Montag wieder aus der Osterpause zurück.

An der Dax-Spitze setzten die Aktien von Siemens Energy ihren starken Lauf mit plus 3,3 Prozent fort. Im ersten Quartal waren sie mit plus 42 Prozent der zweitbeste Wert im Leitindex hinter den vom Rüstungsboom getriebenen Papieren von Rheinmetall (plus 82 Prozent). Diese legten um 1,8 Prozent zu, blieben aber unter ihrem Rekordhoch vom Vortag.

DHL Group lagen auf dem letzten Platz im Dax mit einem Abschlag von 1,4 Prozent. Die Deutsche Bank hatte erstmals seit 2017 die Kaufempfehlung für die Papiere des Logistikers gestrichen.

Aus dem MDax gab es Zahlen von Jungheinrich. Der Gabelstapler-Hersteller blickt nach einem starken vergangenen Jahr in der Tendenz optimistisch auf das laufende und kommende Jahr. Die Aktien stiegen um 1,5 Prozent. Kurseinbußen von knapp zehn Prozent verbuchten im SDax der kleineren Werte die Papiere von Energiekontor. Der Wind- und Solarpark-Betreiber erwartet nach einem Rekordjahr sinkende Ergebnisse für 2024. Auch der Ausblick des Diagnostikspezialisten Stratec kam nicht gut an, die Aktien verloren 5,2 Prozent.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,39 Prozent am Vortag auf 2,37 Prozent.

Angesichts der starken Kursentwicklung der vergangenen Monate stellt sich die Frage, ob man sich noch engagieren sollte. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ erinnert man angesichts dieser Problemstellung an die Anlageregeln des „Börsenprofessors“ Erwin Heri. Der formuliert als erstes Gebot: „Investieren Sie“.

Über lange Jahre brachliegendes Geld bedeutete auf lange Sicht immer verpasste Chancen. Eine Studie der Bank Pictet ermittelte, dass Schweizer Aktien im Zeitraum 1926 bis 2023 nach Abzug der Inflation einen durchschnittlichen Ertrag von 5,6 Prozent pro Jahr brachten. Obligationen im selben Zeitraum nur zwei Prozent pro Jahr. Dies gilt mit leicht anderen Zahlen auch für alle anderen Märkte.

Rendite, so Heris zweites Gebot, werde an der Börse vor allem mit Sitzfleisch erzielt. Der Finanzprofessor plädiert dafür, die Geldanlage strategisch zu betreiben. Lege man langfristig an und ziehe die Strategie durch, so arbeite die Zeit für den Anleger und unterstütze den Aufbau von Vermögen. Dies zeigt auch die Pictet-Studie: Laut dieser haben Investoren, die ihr ursprüngliches Engagement bei Schweizer Aktien mindestens 14 Jahre lang behalten haben, seit dem Jahr 1926 keinen Verlust auf ihren Anlagen erlitten.

„Versuchen Sie nicht, den ‚richtigen Moment‘ zu erwischen – es gibt ihn nicht“, rät Heri weiter. Viele Anleger träumten davon, Aktien dann zu kaufen, wenn die Kurse auf einem Tiefpunkt liegen, und sie wieder zu verkaufen, wenn sie einen Höchststand erreicht haben. Ein kurzfristiges Ein- und Aussteigen an der Börse schade im Normalfall der Rendite, so der Professor. Lege man mit Geduld, langfristig und diversifiziert an, so sei der Einstiegszeitpunkt für ein Aktienengagement hingegen fast ohne Bedeutung.

Daran schließt er einen weiteren Ratschlag an: „Versuchen Sie nicht, den richtigen Titel zu finden – es gibt ihn nicht.“ Dieses Gebot zielt darauf ab, dass man bei der Geldanlage die Risiken unbedingt streuen sollte. So hat ein Aktienportfolio, das nur aus wenigen Titeln besteht, höhere Anlagerisiken als ein breit diversifiziertes. Folglich empfiehlt er Privatanlegern vor allem Indexfonds und ETF. Solche Anlageprodukte bilden die Entwicklung von Börsenindizes ab und gehen keine Wetten ein, dass sich bestimmte Titel besser entwickeln als andere. Zudem sind solche Produkte im Allgemeinen günstiger als aktiv verwaltete.

Das wichtigste Gebot lautet aber: „Trauen Sie keinem“. Für eine erfolgreiche Vermögensanlage braucht es laut Heri eine angemessene Portion Skepsis. An den Finanzmärkten wimmele es von Anbietern, die übertrieben hohe Renditen oder garantierte Gewinne versprächen. Es bleibe aber Fakt, dass sich höhere Renditen nur mit größeren Risiken erzielen ließen. Auch bei Anlageberatern rät er zur Vorsicht. Viele seien gar keine Berater, sondern müssten Produkte verkaufen.

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Sam99
8 Monate her

Kein Wort zum Goldpreis? Der ist immerhin im letzten Monat um 11% gestiegen und ist weiter auf dem Weg nach oben. Als Erklärung hierfür bekommt man nur die üblichen Verdächtigen angeboten: Unsicherheit, Zinspolitik, China. Nichts Neues also. Der aktuelle, ungewöhnlich starke Anstieg scheint andere Gründe zu haben.