Porsche fällt 200 Hektar Wald – für die Nachhaltigkeit

Porsche plant ein Riesenprojekt in Italien: Der Konzern will eine fast 13 Kilometer lange Teststrecke „fit für die Zukunft“ machen – für die Nachhaltigkeit. Dafür muss Porsche allerdings einen seltenen, Jahrhunderte alten Wald abholzen.

IMAGO / Pond5 Images

In Italien geht der Naturschutz offenbar nicht über das Wirtschaftswachstum: Porsche vernichtet im Salento, dem Absatz des italienischen Stiefels, die Überreste eines alten mediterranen Ökosystems, um ein Prüfgelände auszubauen: das „Nardò Technical Center“ (NTC). Dort treffen seit mehr als 50 Jahren zwei Welten aufeinander: Mitten in der ländlichen Region voller grüner Steineichen erstreckt sich eine fast 13 Kilometer lange Ringbahn, auf der Porsche und andere Firmen ihre Prototyp-Autos testen und Geschwindigkeitsrekorde aufstellen – hinter hohen Mauern und Stacheldrahtzäunen, die Öffentlichkeit und Wissenschaft fernhalten.

Bisher war das für die Bewohner von Apulien in Ordnung: Sie profitieren von den Besuchern, Testfahrern und Angestellten des Konzerns, die in den örtlichen Gastbetrieben einkehren und die lokale Wirtschaft ankurbeln. Aber jetzt weht ein anderer Wind: Unter dem Stempel der Nachhaltigkeit möchte Porsche das Prüfgelände „fit für die Zukunft machen“ und dafür die „bestehende, zum Teil über 40 Jahre alte und nach zukünftigen Maßstäben unzureichende, Infrastruktur“ modernisieren und erweitern. Viele Bewohner der Region sowie Naturschutzverbände kritisieren diesen Ausbau allerdings.

Sie sehen das Naturschutzgebiet in Gefahr. Denn Porsche sieht vor, einen Teil des Waldes abzuholzen, um die Strecke auszubauen, wie ein Pressesprecher der Firma, Matthias Rauter, gegenüber TE bestätigt: Porsche plant demnach rund 200 Hektar „Landveränderungen“ – das entspricht fast 300 Fußballfeldern. Die Fläche teile sich auf in circa 160 Hektar Prärie und Steppe sowie rund 40 Hektar Steineichenwald, sagt Rauter. Laut den Naturschützern ist diese Fläche das letzte Stück eines „alten, mediterranen Ökosystems“, das heute fast vollständig verschwunden ist. Das Gebiet sei eine Oase der Artenvielfalt, die, wie von der Europäischen Kommission in der Habitat-Richtlinie von 1992 festgelegt, von den Mitgliedsstaaten geschützt werden sollte. In dieser Richtlinie heißt es: „Die Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Flora und Fauna in Europa schützen“. Eigentlich.

Entsprechend dieser EU-Auflage ist die Grünfläche im und um das NTC strengen Auflagen ausgesetzt. Eigentlich. Die Folgen des Projekts müssen angemessen abgeschätzt werden: Für das Naturschutzgebiet ist das „Parco Office“ der Gemeinde Porto Cesareo zuständig. Dieses findet den geplanten Ausbau des NTC „signifikant negativ und relevant“, wie der Anwalt Ennio Cillo in der italienischen Reportage von „Rai3“ sagt. Trotzdem haben die Region Apulien, die Gemeinde Nardò, die Gemeinde Porto Cesareo und das Konsortium Asi Lecce im August letzten Jahres ein Programmabkommen über den Eingriff von Porsche unterzeichnet – wegen eines „öffentlichen Nutzens“:

Porsche plant, 100 Hektar innerhalb des NTCs und weitere 500 Hektar außerhalb des Geländes zu „renaturieren“. Der Konzern wolle sich dafür einsetzen, 1,2 Millionen neue Pflanzen zu pflanzen. Der italienische Journalist Sigfrido Ranucci findet das nicht ausreichend: Porsche wolle Pflanzen setzen, die 2,28 Euro kosten und in der Regel 40 bis 50 Zentimeter hoch sind, sagt er gegenüber „Rai3“. Einen 200 Jahre alten Steineichenwald könne man so nicht kompensieren.

Porsche versucht seinen geplanten Ausbau nicht nur mit der Renaturierung im Sinne der „ökologischen Nachhaltigkeit“ zu rechtfertigen. Sondern betont auch soziale Aspekte: Porsche würde die Flächen aufwerten und der lokalen Bevölkerung zugänglich machen, betont Rauter. „Unter anderem werden Fahrrad- und Fußgänger-Routen angelegt, die es bis dato nicht gegeben hat.“ Ein Sprecher der Porsche-Geschäftsführung, Marcus-Christian Eberl, sagt, Porsche plane außerdem, Spielplätze und Picknick-Möglichkeiten anzulegen. Obendrein kündigt Porsche auf seiner Website an, ein Brandschutzzentrum und ein Notfall-Rettungszentrum mit einem Hubschrauberlandeplatz zu errichten und diese Zentren in das regionale Gesundheitssystem zu integrieren. Außerdem wolle Porsche „die Möglichkeiten auf weitere Beschäftigungen erhöhen“, so Eberl. Rauter sagt gegenüber TE, dass derzeit 80 Prozent der Mitarbeiter des NTC aus der Region stammen.

Das klingt alles so toll, so fair, so nachhaltig. Aber viele Menschen aus der Region wollen keine neuen Spaziergeh-Wege. Und auch keine neuen Picknick-Plätze. Sie glauben auch nicht, dass Porsche das Notfall-Rettungszentrum tatsächlich für die Allgemeinheit öffnet: Immerhin habe Porsche das NTC bisher vor der Öffentlichkeit abgeschottet. Dass das so bleiben wird, verdeutlicht auch Rauter auf TE-Anfrage: „Wir bebauen Flächen, die aus Gründen der Geheimhaltung unserer Kunden nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren und bleiben“, sagt er. Der Grund: Die Porsche Engineering Group GmbH – und einige andere Unternehmen – entwickeln in diesem 700 Hektar großen NTC „aktuelle und zukunftsfähige Mobilitäts-Technologien“, die noch nicht auf dem Markt sind. Zu diesen „Mobilitätstechnologien“ gehören laut Rauter automatisiertes Fahren, neue Fahrerassistenzsysteme oder auch „Konnektivität“. Das bedeutet, dass ein Auto mit anderen Geräten verbunden ist und beispielsweise per Handy entriegelt oder gestartet werden kann. Einzelne Bürger und Verbände aus dem Salento halten es für einen „äußerst schwerwiegenden Akt“, wenn die Erweiterung eines Privatunternehmens als ein Werk von öffentlichem Interesse verschleiert wird.

Die Kritiker wollen, dass das Naturschutzgebiet so bleibt, wie es ist. So haben sich im November einige von ihnen zu dem „Komitee der Wächter des Arneo Waldes“ zusammengeschlossen und eine Petition gestartet: „Als betroffene Bürger fordern wir die Region Apulien auf, die Wirksamkeit des Ratsbeschlusses aufzuheben“, schreiben sie auf ihrer Website. Sie wollen nicht, dass das Naturschutzgebiet vernichtet wird. Sie halten wenig von Porsches Plänen, die teils 200 Jahre alte Fläche mit kleinen Pflanzen zu ersetzen, die viele Jahre brauchen würden, um zu wachsen. Die „Wächter des Arneo Waldes“ befürchten, dass dieser Ausbau von Porsche auch anderen „multinationalen Unternehmen“ die Türen öffnet, den Schutz von Naturgebieten zu umgehen: Das schaffe einen „gefährlichen Präzedenzfall“.

Eigentlich wird es Porsche wohl eher um eine „ökonomische Nachhaltigkeit“ gehen, also um wirtschaftliches Wachstum: Immerhin könnte Porsche ihre Teststrecke laut dem Umweltantwalt Cillo woanders bauen – in einem Gebiet, das nicht unter Naturschutz steht: beispielsweise auf den Feldern außerhalb der „großen Mauer“ von Porsche. Aber Rauter meint, das ginge nicht: „Ein Ausbau außerhalb des Nardò Technical Center hätte zwangsläufig den Eingriff in bis dato unberührte Kulturlandschaften bedeutet.“ Allerdings ist nicht jede Kulturlandschaft gleich ein Naturschutzgebiet mit seltenen Vegetationsformen, wie auf dem NTC.

Kritiker, wie Enzo Debonis von den „Wächtern des Arneo Waldes“, verstehen nicht, warum Porsche den Wald nicht für ein „nachhaltiges Image“ nutzt. Debonis sagt gegenüber dem Europamagazin, dass es Porsche mit der „Nachhaltigkeit“ offenbar nicht ernst meint. Die erste Bauphase außerhalb des NTC hat bereits begonnen: Sieben Hektar seien mit Eichen „renaturiert“ worden, sagt Rauter. Im Klartext bedeutet das, dass kleine Pflanzen, die nicht mehr als 3 Euro kosten, in die Erde gesetzt wurden. In einem Gebiet, in dem es kaum regnet und das Grundwasser immer salziger wird – da haben es Pflanzen schwer, zu überleben. Innerhalb des NTC habe bisher aber noch kein Eingriff in „bestehende Grünflächen“ stattgefunden, sagt Rauter. Noch steht der Steineichenwald also.

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Kommentare ( 26 )

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chaosgegner
7 Monate her

Also BITTE,
wenn in Europa ein Jahrhunderte alter Steineichenwald in einer heissen Küstenregion dem technischen Fortschritt geopfert wird, sollte man schon etwas mehr Kulanz und Verständnis mitbringen!
Das ist schließlich etwas ganz anderes, als wenn in Brasilien ein Baum am Amazonas gefällt wird. Da muss der Politiker schon mal persönlich vor Ort nach dem Rechten sehen.

horrex
7 Monate her

Ob „Wir“ noch erleben, dass eine Folgeggeneration den grün-intellektuellen Kahlschlag (PLUS all die anderen) noch „ausgleicht“???
Ich sehe wenige Ansatzpunkte.

AlexR
7 Monate her

Hier wird der Wald dank der linksgrünen Ideologie zu Gunsten der „Energiewe(ä)nde“ und für Radwege abgeholzt. Umweltschutz und GrünInnen sind nicht vereinbar.

Wilhelm Roepke
7 Monate her

Im Vergleich zu den Windradfanatikern in Deutschland ist der Eingriff von Porsche in Italien ein Witz. Andererseits klingt Steineichenwald schon besonders. Der Hauptgrund ist vermutlich, dass alles, was nicht durch Porsches Stacheldraht in den letzten Jahrzehnten geschützt war, in diesen Regionen längst abgeholzt ist. Nichts für ungut, aber mein Vertrauen in süditalienische Umweltschutzinteressen ist überschaubar; für genauso wahrscheinlich halte ich es, dass irgendjemand sein Bakschisch nicht bekommen hat, aber vielleicht tue ich jetzt jemandem Unrecht. Es ist unglaublich schwer, sich aus so großer Entfernung ohne Ortskenntnisse eine Meinung zu bilden.

horrex
7 Monate her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Es waren schon die „alten“ Griechen und Römer vor mehr als 2000 Jahren die aus dem einst bewaldeten Stiefel die nicht ganz selten öde Trostlosigkeit machten die wir heute OFT vorfinden … um ihre Flotten zu bauen.
Was hat Italien 2000 Jahre lang gemacht, um den „zuvor Zustand“ wieder her zu stellen???
Und nun sollen die „reichen“ Tedesci es richten????

Werner Geiselhart
7 Monate her

Naja, in Deutschland heißt das größte Waldvernichtungsprogramm Energiewende, und hier der Windradbau.
Andererseits mal wieder typisch für ein grüngewaschenes Unternehmen, einen auf Öko machen und fernab ein Biotop abholzen, verlogen halt. Anstatt endlich mal das Maul aufzumachen und der grünlinken Blase klarzumachen, dass die ganzen feuchten Transformationsträume nichts anderes bewirken wie die Deindustriealisierung und Verarmung Deutschlands.
Nein, da wird lieber einem Kinderbuch-Coautor in den Allerwertesten gekrochen.

Der Ingenieur
7 Monate her

Autonom fahrende Autos und „Konnektivität mit Ampeln“ sind das letzte, was die Welt braucht. Wenn Porsche E. das anders sieht: In Spanien oder Andorra gibt es viele Flächen mit spärlicher Vegetation, die sie nutzen könnten.

Für Porsche E. ist es jedoch am günstigsten, die neuen Teststrecken dafür an vorhandene Infrastruktur wie Tankstellen, Werkstätten, Kantinen etc. anzukoppeln.

„Komitee der Wächter des Arneo Waldes“ klingt hinterpfotzig angesichts der Tatsache, dass der Wald nur noch steht, weil das Testgelände ihn seit 50 Jahren als Sichtschutz brauchte, denn sonst hätten ihn die Bürger schon längst abgeholzt, – wie den übrigen Wald in Apulien.

Last edited 7 Monate her by Der Ingenieur
humerd
7 Monate her

mein, bei uns werden Wälder für Windräder gerodet. Klima ist das Diktat. Nachhaltigkeit das Narrativ. Den FFF Kindern und Klimaklbefinnen gefällts.

Klaus Uhltzscht
7 Monate her

Man könnte die Teststrecke zur Migrationsroute erklären. Dann gäbe es sogar Fördergeld, und negative Berichterstattung könnte verfolgt werden.

WandererX
7 Monate her

Wozu braucht Porsche in Italien den x-ten Testring? Weil dort die Tester schöner essen, schwimmen und die Wärme genießen können? Man gönnt sich ja sonst nichts… die EU- Eliten drehen langsam durch, die Schwaben allen voran.

Der Ingenieur
7 Monate her
Antworten an  WandererX

Nein, weil das Wetter dort konstant gut ist, man also doppelt so viel pro Jahr testen kann, wie im Testzentrum Weissach.

johnsmith
7 Monate her
Antworten an  WandererX

Unser Gesundheitsminister hat uns doch kürzlich erst aus seinem Italienurlaub berichtet dass es in Italien viel zu heiß sei wegen Klimawandel und so und man sich dort gar nicht im Freien aufhalten könne. Weiß Porsche offenbar nicht.

Ostfale
7 Monate her

Frau Kirchhoff, was soll das, kümmern WIR uns besser um den Dreck, den die grünen Weltverbesserer in diesem Lande verzapfen. Da gibt’s genug zu tun, gelle. Was die Italiener machen, ist allein deren Bier und geht uns einen feuchten Kehricht an. Im Übrigen – die weiteren Nutzer dieser neuen Anlage bleiben hier von Ihnen völlig ungeschoren. Na ja, es ist schon immer befriedigender, einen Deutschen anzupinkeln, bringt immer (zwar zweifelhaften Beifall) und verschont vor peinlicher oder schmerzlicher Kritik aus dem (ach so guten ) Ausland. Nebenbei, fahre keinen Porsche, kann mir den nicht leisten, träume aber von ihm, einem Juwel… Mehr