Während CDU und SPD eine Koalition mit der AfD ausschließen, kann die FPÖ 2017 oder 2018 sowohl Koalitionspartner der SPÖ wie der ÖVP werden.
Den Auftakt des Pokers setzte Christian Kern mit der Provokation des Koalitionspartners ÖVP im Privatsender puls 4: Es gebe zwei Parteien, die Österreich verändern wollten: „Die SPÖ und die FPÖ“. Vorgezogene Neuwahlen des Nationalrats war das eigentliche Ziel von Österreichs Kanzler Christian Kern, SPÖ.
Der Druck, eine neues Regierungsprogramm binnen kürzester Zeit aus dem Boden zu stampfen, das alle Mitglieder des Kabinetts unterschreiben, sollte zu Neuwahlen führen. Doch die ÖVP mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner an der Spitze ließ Kern in Verhandlungswatte laufen. Es dauerte zwar ein wenig länger, als Kern gefordert hatte, aber am Ende unterschrieben alle.
In seiner Regierungserklärung im Nationalrat wollte Kern den Anschein vermitteln, er gehe aus dem Koalitions-Boxring als Sieger nach Punkten hervor: „Das ist kein SPÖ-Programm oder ein ÖVP-Programm, es ist ein Programm, das Probleme lösen soll.“ Doch das hält der Überprüfung nicht stand. Aber noch interessanter ist, welche Spitzenpolitiker ihren Stellenwert in diesen wenigen Tagen wie verändert haben.
Im Pressebild der Alpenrepublik geht die Runde an Mitterehner, die ÖVP und Sebastian Kurz. Letzterer ließ sich in das Duell Kern-Mitterlehner nicht hineinziehen, setzt aber im neuen Regierungsprogramm praktisch alle seiner Forderungen in der Sache geschickt durch.
Das von Kurz geforderte Burka-Verbot im öffentlichen Raum und Kopftuchverbot bei Justiz und Exekutive sind nun Regierungsprogramm, der Ausbau der „Wertekurse“ – Kurz ist auch Integrationsminister – sowie Billig-Jobs für Flüchtlinge als Modul im „Integrationsjahr“. Der Sieg von Kurz ist zugleich eine glatte Niederlage von SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar, die Kanzler Kern als Vertreterin der jungen „Linke“ in die Regierung geholt hat. Verloren hat auch SPÖ-Sozialminister und Gewerkschafter Alois Stöger: Der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer fällt bereits zum 1. Juli 2017 weg.
Wie die konkrete Praxis des Signalthemas Kopftuch aussehen wird, bleibt als Feld der Auseinandersetzung, im neuen Regierungsprogramm steht: „Der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral aufzutreten. In den jeweiligen Ressorts wird bei uniformierten ExekutivbeamtInnen sowie RichterInnen und StaatsanwältInnen darauf geachtet, dass bei Ausübung des Dienstes dieses Neutralitätsgebot gewahrt wird.“
ÖVP-Finanzminister Schelling gelang es, alle Steuererhöhungsideen fernzuhalten. SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil gab bei der Fußfessel für Gefährder nach und verhinderte eine Asylobergrenze als gesetzliche Regelung.
Dass es in Wahrheit weniger um den Inhalt des neuen Regierungsprogramms geht, sondern um den Bezug der Ausgangspositionen der beteiligten Hauptpersonen in der nächsten Wahlschlacht, sagte Kanzler Kern vor zwei Tagen erfreulich offen im ORF-Radio: „95 Prozent der Politik, die geboten wird, besteht aus Inszenierung.“
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