Täglich schauen Medien und Menschen auf den DAX, wobei suggeriert wird, als ob 40 Unternehmen die deutsche Konjunktur repräsentieren. Doch dem ist nicht so. Geschäftsklima- und Konsumklimaindex sind bessere Instrumente, um die Wirtschaftskraft zu bewerten. Der DAX hingegen vermittelt ein falsches, zu positives Bild. Von Samuel Faber
Beim Deutschen Aktienindex (DAX) ist die Welt noch in Ordnung. Am 12.03.2024 zeichnete der DAX 18.000 Punkte. Wieder einmal ein Rekord, wieder einmal knallen die Sektkorken der Nachfolger von Dirk Müller.
Diejenigen, die aus nachvollziehbaren Gründen auf fallende Kurse setzen, fühlen sich betrogen. Denn betrachtet man die harten Zahlen jenseits des DAX, dann stehen alle Zeichen auf Baisse, fallende Kurse. Doch der größte deutsche Index macht gar keinen Anstand, sich dem Trend anzuschließen, was nur auf den ersten Blick verwundert. Tatsächlich hat die scheinbare Hausse handfeste Gründe.
Ein Aktienindex soll eine bestimmte Region, ein Land oder eine Branche repräsentieren. Wo wir bereits beim Grundproblem sind: Der DAX ist nicht repräsentativ im Sinne einer Wissenschaftlichkeit, wie etwa der Geschäftsklimaindex oder der Konsumklimaindex. Die Kriterien, um in den DAX zu kommen, sind zwar klar, schließen jedoch viele Firmen aus.
40 Unternehmen sollen die deutsche Wirtschaftslage repräsentieren?
Grundsätzlich müssen Unternehmen die Transparenzanforderungen von Prime oder General Standard erfüllen und fortlaufend auf Xetra gehandelt werden. Darüber hinaus muss der Unternehmenssitz in Deutschland vorhanden sein bzw. einen wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit dort ausüben und mindestens 10 Prozent der Anteile im Streubesitz haben. Im Moment erfüllen gut 600 Unternehmen die ersten drei Kriterien. Alle drei Monate wird entschieden, wer im DAX verweilen darf und wer neu hinzukommt.
Anders gesagt: Unternehmen, die nicht börsennotiert sind, sind außen vor. Unternehmen wie Heller, Knauf, Beiersdorf oder Tengelmann generieren Umsätze in Milliardenhöhen, sind aber aufgrund der Rechtsform nicht im DAX gelistet. Auch die über 2,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) werden im größten deutschen Index naturgemäß nicht gelistet. Und das, obwohl rund 56 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland in solchen Betrieben angestellt sind. Mehr als 99 Prozent der Unternehmen sind als KMU definiert.
600 potenzielle Unternehmen und 40 tatsächlich gelistete Firmen sollen den Zustand der deutschen Wirtschaft abbilden? Dies suggerieren manche Finanzexperten, aber auch die Medien selbst. In Nachrichten wird regelmäßig nach Frankfurt an die Börse geschaltet und berichtet, wie der DAX gerade auf Ereignisse „reagiert“.
Viele DAX-Unternehmen erwirtschaften wenig Umsatz in Deutschland
Die mangelnde Repräsentativität liegt nicht nur in den Auswahlkriterien, sondern auch an den gelisteten Unternehmen selbst. Das größte DAX-Unternehmen (im Sinne der Marktkapitalisierung) ist SAP. Der Software-Riese erzielte im Geschäftsjahr 2023 einen weltweiten Umsatz von rund 31,2 Milliarden Euro. Doch lediglich 4,5 Milliarden wurden in Deutschland erwirtschaftet. Der größte Markt für das Unternehmen ist die USA. Das heißt, mehr als 80 Prozent des Umsatzes von SAP findet im Ausland statt. Das Verkaufsverhalten der deutschen Kunden hat für die Softwarefirma eine untergeordnete Rolle.
Ähnlich sieht es bei Airbus aus. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die Airbus Group in Europa mit 25,73 Milliarden Euro zwar den größten Umsatz, dennoch betrug dieser lediglich 40 Prozent. Von diesen 25 Milliarden erwirtschaftete der Flugzeugbauer 4,2 Milliarden Euro. Also auch weniger als 20 Prozent. Auch Siemens erwirtschaftet nur rund 19 Prozent in Deutschland, der Rest vor allem in den USA. Lediglich Versicherer und Rückversicherer sowie die Deutsche Börse AG verbuchen den hauptsächlichen Umsatz in Deutschland. Doch diese sind in der absoluten Minderheit.
Konsumklima- und Geschäftsklimaindex sind aussagekräftiger
Währenddessen ist der Ifo-Geschäftsklimaindex repräsentativ. Mehr als 9000 Unternehmen werden pro Monat befragt, die bestimmte Kriterien im Sinne erfüllen müssen, um den Querschnitt der deutschen Wirtschaft darzustellen. Laut diesem hat sich die Stimmung unter den Unternehmen zu Jahresbeginn weiter verschlechtert. Im Januar sank der Index auf 85,2 Punkte, nach 86,3 Punkten im Dezember. Die Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Lage schlechter. Auch die Erwartungen für die kommenden Monate fielen erneut pessimistischer aus. „Die deutsche Wirtschaft steckt in der Rezession fest“, ist sich das Ifo sicher.
Auch der Konsumklimaindex zeigt weiter nach unten. Die Marktforscher des Marktforschungsunternehmens GfK und des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen (NIM) gehen davon aus, dass die Verbesserung des Konsumklimas im vergangenen Jahr nur ein Aufflackern vor Weihnachten war. Tatsächlich geben die Menschen immer weniger Geld aus, weil sie die Rezession am eigenen Leib spüren. Die GfK befragt 2000 ausgewählte Personen ab 14 Jahren nach ihren Einkommens- und Konsumerwartungen auf Sicht von 12 Monaten sowie nach ihrer Anschaffungsneigung und ihren Erwartungen an die ökonomische Situation. Kurz: repräsentativ.
Viele DAX-Unternehmen sind nicht auf Deutschland angewiesen
Ähnlich verhält es sich mit den Konjunkturdaten. Die Wirtschaftsforschungsinstitute blicken deutlich skeptischer auf die Konjunktur in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird 2024 nur um 0,2 Prozent zulegen und wird damit noch weniger wachsen, als noch im Januar erwartet wurde (0,7 Prozent). Das teilte das Ifo-Institut mit. Die deutsche Wirtschaft ist wie gelähmt. Unter Unternehmen und Haushalten ist die Stimmung schlecht und die Unsicherheit hoch.
Egal ob Entwicklung des BIP, ob Konsumklimaindex oder Geschäftsklimaindex. Alle repräsentativen und empirisch handfesten Zahlen sehen für die ökonomische und damit auch gesellschaftliche Zukunft in Deutschland schwarz. Währenddessen erreicht der DAX immer größere Werte. Dabei entwickelt sich der Index durchaus rational. Die allermeisten DAX-40-Unternehmen können ihren Umsatz steigern. Der Knackpunkt: Sie sind nicht auf Deutschland angewiesen.
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Zudem geht der DAX nur wegen wenigen Firmen hoch, etwa SAP und Rheinmetall mit sehr guten Aussichten.Eine Menge Andere dümpeln dahin und sind für Anleger eigentlich eine Zumutung wie Bayer, VW, Porsche und Viele, die sich nun erst nach langen Durststrecken erholen. ZUdem ist die Dividende immer im Kurs drin, was die Zahlen verwirrt: Der Index- Dax Kurs ist realistischer in Bezug auf NIcht- Dividenden- Titel. Eine Steigerung seit 2000 gleich 24 Jahren um 125% minus Steuern ist gleich 90% (in 2020 waren es null Steigerung!) ist angesichts des Risikos auch reichlich bescheiden – letztlich nicht viel mehr als die… Mehr
Passiert halt, wenn man Sozialisten an der Regierung hat und Sanktionen gegen Russland verhängt. Keine günstigen Rohstoffe, keine günstige Energie, durch die Inflation angepasste Löhne, und schon ist man nicht mehr wettbewerbsfähig. Zumal das Land nicht verteidigungsfähig ist. Wer es sich leisten kann, verlagert ins Ausland. Erst gehen die Werke, dann wird der Unternehmenssitz verlagert. Siehe Shell oder Unilever…
Die Finanzmärkte leben von Liquidität und die ist immer dann vorhanden, wenn die Wirtschaft nicht übermäßig gut läuft. Es ist lohnender, in Aktien zu investieren als in die Unternehmen. Ein großer Teil der Boerseninvestoren kommt aus den USA, der DAX folgt dem S&P500. Warum der in der Breite dermaßen haussiert, ist mir zugegebenermaßen rätselhaft. Die Assetpreise (auch Gold und Krypto) explodieren, weil es den Reichen so gut geht?
Deutschlands SonstwasIndex ist mir ziemlich wumpe, solange mir die Unternehmen eine ordentliche Dividende zahlen. Wo das erwirtschaftet wird, siehe vorne.
Das erinnert an die Aktien-Hochstände in den USA am Vorabend der Weltwirtschaftskrise 1929. Obwohl alle Wirtschaftsindikatoren wie Konsumnachfrage, Produktionsumfang und Firmenzusammenbrüche seit 1927 ein kritisches Bild zeichneten, stiegen und stiegen die Kurse an der Wall Street.
Wie im Artikel gesagt: Der DAX gibt ein falsches Bild. Wenn die Stimmung kippt, wird es nicht nur Kursverluste geben, sondern auch Banken, die urplötzlich Riesen-Defizite abschreiben müssen.