Erziehung zur Demokratie oder Polit-Aktionismus?

Das Demonstrationsrecht gilt auch für Schüler und Lehrer – außerhalb der Unterrichtszeit. Es darf nicht das Anliegen von Schule sein, Schüler zu politisch motivierten Aufzügen zu locken. Die Schulen sollten sich auf das Neutralitätsgebot besinnen und auf ihre Aufgabe, kritische, nicht konforme Staatsbürger heranzubilden.

IMAGO

Offensichtlich sind die Schulen nach den zig- und hunderttausendfachen Schulschwänzereien „für das Klima“ etwas vorsichtiger geworden. Ab Januar 2019 hatten viele Schulen ihren Schülern nämlich wiederkehrend an Freitagen ab 10 oder 11 Uhr freigegeben, damit sie zusammen mit „Fridays für Future“ demonstrieren können.

Jetzt, bei den Demos gegen AfD, Rechts und Co., mischen Schüler zwar auch zu Tausenden mit. Aber von Ausnahmen abgesehen, bekommen die Schüler dafür nicht unterrichtsfrei. Zumal die Demos ja überwiegend an Nachmittagen, Abenden oder an Wochenenden stattfinden. Aber viele junge Leute sind dabei – hochmotiviert, aufgeweckt, „woke“ eben. Schließlich geht es angeblich ja um „unsere Demokratie“, um „Zeichen setzen“, um „Gesicht zeigen“, vor allem aber gegen „Nazis“, ein Potsdamer „Geheimtreffen“, „Pläne“ von Remigration, Deportation, „Wannsee 2.0“, gegen Rassismus – da und dort auch gegen CDU, CSU, Freie Wähler, Aiwanger usw.

Eine Übersicht, wie viele Schüler von welchen und wie vielen Schulen mitdemonstrieren, ist nicht zu finden. Deshalb haben wir einfach punktuell recherchiert und einige interessante Dinge gefunden. Nachfolgend fünf Beispiele aus dem Schul- und Lehrerbereich:

Am Donnerstag, 1. Februar, fand um 15 Uhr in Berlin Hellersdorf eine solche Demo statt. „In Hellersdorf protestieren Schüler mehrerer Schulen gegen Nazis. Einige Schulleitungen stellen sie dafür frei, andere notieren ihre Abwesenheit.“ Schreibt die „tageszeitung“ (taz).

Am Freitag, 2. Februar, 15 Uhr, kam es zu einem Sternmarsch mit Kundgebung im Menzenberger Stadion in Bad Honnef (NRW). Schüler des städtischen Siebengebirgsgymnasiums, der Erzbischöflichen Gesamtschule Sankt Josef und von Gymnasium und Realschule Schloss Hagerhof waren mit von der Partie.

Am Samstag, 27. Januar, gab es in Passau (Bayern) eine Demo. Mit dabei unter anderem der Diözesanrat der Katholiken, der Rat des katholischen Stadtdekanats und der Katholische Frauenbund, der Bund Naturschutz, der Rotary-Club, Niederbayerns bekanntester Schnapsbrenner, die Evangelische Studierenden-Gemeinde, Hochschulgruppen, der Hausarztkreis Passau/Freyung-Grafenau, der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband. Und: das Auersperg-Gymnasium Freudenhain und das Maristengymnasium Fürstenzell (beides Schulen in katholischer Trägerschaft). Die Schulen hatte die Schüler zur Demo „eingeladen“. Die CSU und die FDP fehlten.

Am 2. Februar demonstrierten in Salzwedel (Sachsen-Anhalt) 300 Schüler. Ihr Motto lautete unter anderem: „Nie wieder ist jetzt“. Schüler berichten von einer Spaltung in den Klassenzimmern.

Am 31. Januar 2024 ruft der Philologenverband Baden-Württemberg alle gymnasialen Lehrkräfte auf, für Demokratie und gegen politischen Extremismus auf die Straße zu gehen.

Eines sollte klar sein

Das Demonstrationsrecht gemäß Artikel 8 Grundgesetz gilt auch für Schüler und Lehrer. Außerhalb der Unterrichtszeit! Es darf aber nicht Aufgabe oder Anliegen von Schule sein, Schüler zu politisch motivierten Demos – für oder gegen was auch immer – zu motivieren. Das verträgt sich nicht mit dem Gebot der politischen Neutralität von Schule. Auch nicht mit der Vorbildfunktion von Lehrern. Zumal es hier überwiegend um Minderjährige geht.

Solche Einladungen spalten zudem eine Schulgemeinschaft, denn es ist nicht zu erwarten, dass eine komplette Schüler- und Lehrerschaft solchen Einladungen im Gleichschritt folgt. Solchermaßen aktionistisch motivierte Einladungen spalten eine Schulgemeinschaft – wie dies ja auch in Salzwedel richtigerweise zum Ausdruck kam.

Schule darf und kann nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Wir haben zumal in der jüngeren deutschen Geschichte (1933 bis 1945 und 1945 bis 1990 in der DDR) keine guten Erfahrungen damit gemacht, wenn Regierende oder auch nur die Leiter von Schulen oder Jugendgruppen zu Demonstrationen, zu öffentlichen Pro- oder Anti-Bekundungen aufriefen.

Sinnvoller und korrekt wäre es, anstatt einen Polit-Aktionismus zu befördern, die Schülerschaft im Unterricht recherchieren zu lassen, was wirklich beim „Geheimtreffen“ in Potsdam los war, was Politik und was öffentlich-rechtliche Medien daraus zimmerten, welch zum Teil fragwürdige Gruppen hinter den Demos stecken und welche Salti das „Investigativ“-Medien „Correctiv“ mittlerweile in der Darstellung des Potsdam-Treffens machte. Da wäre Politik- und Medien-Bildung hin zur Kritikfähigkeit, das heißt Erziehung im Sinne des griechischen Wortes „krinein“ (κρίνειν) – „unterscheiden können“.


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Kommentare ( 24 )

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arnonymous
9 Monate her

Es ist jetzt um die 50 Jahre her. Da hatte ich einen sehr strammen Maoisten als Gemeinschafskundelehrer. Damals war ich Junge Union (da ging das noch 😉 ). Wir hatten meist im Streit 2 Jahre lang alleine den Unterricht gefüllt.
Damals hat er mich wegen des Streits und Engagements immer mit „sehr gut“ benoted. Solche Lehrer fehlen offenbar heute!

Deutscher
9 Monate her

Ich stimme Ihnen, Herr Kraus, bis auf den letzten Absatz zu. Die Schulen sollten sich vollständig raushalten und sich darauf konzentrieren, den Schülern ihren Stoff zu vermitteln. Dass solche Recherchen auch nicht objektiv ablaufen würden, liegt doch auf der Hand.

ketzerlehrling
9 Monate her

Zur Demokratie gewiss nicht, denn zum einen war Deutschland nie eine direkte Demokratie und zum anderen sind die Deutschen gar nicht reif dafür. Die heutigen Generationen sowieso nicht, sie haben nichts verstanden, dafür fest eingetrichterte Feindbilder, die sie gar nicht loslassen können, denn sie hätten nichts mehr, wohin dann mit ihrem Hass?

Nibelung
9 Monate her

Mit dem Aufkommen der grünen Kommunisten und der systematischen Übernahme der Lehranstalten über Jahrzehnte dürfte es doch unschwer zu erkennen sein, wohin der Nachwuchs nach Art des grünen Hauses hin dressiert wird und das unter den Augen der Bevölkerung und der eigenen Eltern und die finden nichts anstößiges dabei, wenn aus ihren Kindern stramme Kommunisten gemacht werden, denn mit ihrem Blendwerk der Aufklärung bemächtigen sie sich der zukünftigen Elite und die wird nicht anders ticken, als ihre geistigen Besatzer, die man willenlos diesen Typen überläßt. Die Folge ist nun das Aufkommen einer Gegenströmung, wo es allerhöschste Zeit ist, diesem rot-grünen… Mehr

Dieter Blume
9 Monate her

Das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt haben wir damals in unserer Schule live im Fernsehen verfolgt. Zwei meiner Lehrerinnen freuten sich schon auf das Ende der Kanzlerschaft Willy Brandts und ich hoffte, dass er Kanzler bleibt. Die Meinungsfreiheit spielte damals noch eine Rolle in der Schule und meine Lehrerinnen sagten: „Du darfst natürlich anderer Meinung sein. Du musst unsere Meinung nicht teilen“. Ja, so war das früher.

Fieselsteinchen
9 Monate her

Das begann bereits mit den ausufernden Schulschwänzer-Demos der Gretel aus Scholefrö in Deutschland, in übrigens keinem anderen Land weltweit, nicht mal in Schweden. Bereits damals mussten sich Schüler daran beteiligen, um das Klima zu retten. ? Lehrer forderten explizit dazu auf, so damals am Gymnasiums unseres Kindes, wer mitlief und die Murksparolen im Unterricht skandierte, war auf der sicheren Seite guter mündlicher Noten, obwohl es im Gehirn zu keinerlei Wissenszuwächsen kam. Die meisten Lehrer nutzten den Freitag allerdings für sich privat. Nette Anekdote: unser Kind (Schulsprecher, Kursstufe) samt einem weiteren Schüler beteiligten sich nicht am allgemeinen Schuleschwänzen und erschienen zum… Mehr

Last edited 9 Monate her by Fieselsteinchen
Rene Meyer
9 Monate her

Ja, was Sie im letzten Absatz schreiben, war „früher“ – wie lange ist das eigentlich her? – „normal“. Aber „normal“ geht ja gar nicht, ist schon „rechts oder so“. Neben Schulen haben auch (zu viele) Hochschulen und Universitäten zur Teilnahme an solchen Demonstrationen aufgerufen. Für Mitglieder der Präsidien kam es teilweise einer Pflicht gleich, den Aufrufen zu folgen. Auch hier: Gruppenzwang „für die gemeinsame, gute Sache“! Pfui Teufel!

rainer erich
9 Monate her

Lehrer unterrichten Schüler „in Demokratie“. Das hat was. Das, was ich in Sachen Staatsform, Verfassung und Politik von angehenden Lehrerinnen als Gasthoerer wahrnahm, ist mit der Begriff „erschütternd“ nur unzulaenglich beschrieben. Da kam nichts, was vermutlich noch die feste Reaktion war. Auch die Professorin erwies sich als nicht immer sattelfest, aber sie nahm Unterstützung durchaus offen an. Und nun sollen Lehrer wie Blinde von der Farbe lehren. Von ihrer Neigung ganz abgesehen. Wobei fairerweise geschätzt 90 % der Michel nicht genau wissen, was das eigentlich ist, diese Demokratie. Denn dann wuessten sie, dass es jedenfalls nach 1945 keine „richtige“ gibt.… Mehr

Heiner Mueller
9 Monate her

Schon in den Lehrplänen wird deutlich, dass in den Schulen nicht mehr kritisches Denken gelehrt werden soll, sondern die Schüler zugunsten der herrschenden Klasse indoktriniert werden (s. Hauke Arach: Mensch, lern das und frag nicht, München 2023). Und dies ist in den letzten 20 Jahren bei Lehrern und Schülern konsequent durchgeführt worden.

Kassandra
9 Monate her
Antworten an  Heiner Mueller

Heino Bosselmann erlebt als Lehrer seit 1989 die Verflachung der Bildung im Osten und beschreibt unter „Erneut mein Land: West-östliches Woher und Wohin“ über den Zustand des vereinten Deutschlands, das wegen gewollter Verbildung zu Niemandesland zu werden auf dem Weg ist.

Mausi
9 Monate her

„Die Schulen sollten sich auf das Neutralitätsgebot besinnen und auf ihre Aufgabe, kritische, nicht konforme Staatsbürger heranzubilden.“ Die Schulen: Sind sie der richtige Ansprechpartner? Die Schulen sind Ländersache. Die Länder geben die Lehrpläne vor. Sie haben bei TE doch bestimmt jemanden, der Lehrer ist. Sie sollten sich von demjenigen mal die Entwicklung der Lehrpläne schildern lassen und mal einen Lehrplan z. B. für katholische Religion lesen. Hochinteressant. Wahrscheinlich betreffen 90% des Lehrplanes nicht das Fachwissen. Wenn nun der Lehrplan in Ordnung ist, dann folgt als nächster Schritt die Kontrolle der Einhaltung. Und was ist damit? Und dann folgen die Klagen… Mehr