Agrardiesel: Paris lenkt ein, Berlin bleibt trotzig

Während Berlin sich stur gegen die Forderungen der Bauern wehrt, ist Paris gegenüber den Bauernprotesten eingeknickt. Das gilt auch für den in Deutschland umstrittenen Agrardiesel. Sind die deutschen Bauern zu brav?

IMAGO / ABACAPRESS

Das ging überraschend schnell: während die Ampel mit der Einstellung eines Kleinkindes auf ihrem Willen beharrt und Deutschland wochenlange Bauernproteste bestimmen, hat Paris eingelenkt. Premierminister Gabriel Attal hat als Reaktion auf die eskalierenden Demonstrationen 10 Sofortmaßnahmen angekündigt. 140 Forderungen hatten hatte das französische Äquivalent zum deutschen Bauernverband vorgelegt. Die wichtigste: Finger weg von der Besteuerung des Agrardiesels. Die französische Regierung ist bei dieser Forderung eingeknickt.

In Deutschland haben die Medien der Bundesregierung zugearbeitet, indem sie den Agrardiesel kurzerhand zu einer „Subvention“ und einem „Privileg“ erhoben haben. Der Protest wurde von Anfang an als ungebührlich dargestellt. Dabei ist die „Angleichung“ in Deutschland deutlich radikaler als in Frankreich. Wollte Paris die Steuer auf den Agrardiesel bis 2030 erhöhen, so will die Bundesregierung bereits innerhalb von drei Jahren – beginnend am 1. März – die Steuerrückerstattung für Agrardiesel abschaffen. Wenn es um Steuern geht, macht die Ampel Tempo.

Was also können die deutschen Bauern vom französischen Nachbarn lernen? Die Lektion ist bitter. Sie sind zu brav. In Frankreich blockierten die Bauern zeitgleich die verkehrstechnischen Nervenadern des Landes, verbarrikadierten Präfekturen mit Reifen und Gülle. Die Proteste waren deutlich radikaler, deutlich rauer.

Dennoch hat die französische Regierung – anders als die deutsche – nicht vor der Unterwanderung durch Rechtsextremisten gewarnt. Sie hat es auch nicht für nötig gehalten, Podcasts abzudrehen, um Weimarer Verhältnisse und Umsturzversuche zu beschwören. Und sie hat sich auch nicht auf das Ablenkungsmanöver von Correctiv verlegt, um dann so zu tun, als seien die Proteste plötzlich weggezaubert, weil es Regierungsaufmärsche gibt.

Berlin wehrt sich gegen die Realität. Die Bundesregierung macht den Kampf um den Agrardiesel zu einer ideologischen Angelegenheit. Wenn selbst im elitären Elysee-Palast mehr Verständnis für die Bedürfnisse revoltierender Bauern besteht als im Bundeskanzleramt, dann zeigt das umso mehr, wie sehr sich die Ampel eingegraben hat. Und sie zeigt damit demonstrativ in ganz Europa, wer an erster Stelle in Deutschland steht: sie selbst.

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Kommentare ( 45 )

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Rainer Schweitzer
9 Monate her

Hat die französische Regierung mehr Verständnis für die Bedürfnisse der Bauern, oder hat sie schlicht mehr Angst vor ihnen? Ich vermute eher letzteres, wenn ich sehe, wie entschieden die französischen Bauern aufzutreten pflegen. Der dortige Bauernverband hat nicht in erster Linie Angst davor, irgendwie „von rechts unterwandert“ zu werden oder irgendwem auf die Nerven zu gehen. Er kümmert sich um nichts weiter, als die Anliegen seiner Mitglieder und einen feuchten Kehricht darum, das Land und die Regierung möglichst wenig zu stören. Er läßt sich auch nicht von einer Art Tiefem Staat aus Regierung, Behörden, Parteien, „NGOs“ und einer gleichgeschalteten Presse… Mehr

Flik Flak
9 Monate her

Paris lenkt ein? Scheinbar, jedoch nicht tatsächlich. Es funktioniert wie folgt:

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
Jean-Claude Juncker

Ist der Widerstand zu groß wird eben zurückgerudert. Doch damit ist die Sache nicht vom Tisch. Diese Technik funktioniert nur weil so viele Menschen diese nicht durchschauen.

Last edited 9 Monate her by Flik Flak
Freiheit fuer Argumente
9 Monate her

Ich bin zufrieden, wenn die Proteste der Bauern friedlich und intelligent bleiben. Ein Aufstand der Anständigen sollte als solcher erkennbar bleiben.

Alles andere wäre Wasser auf die Mühlen der Regierung. Deutschland hat schon einmal gezeigt, dass man auch Regierungen, die weit schlimmer sind als die gegenwärtige, auf friedlichem Wege zu Fall bringen kann.

Die gegenwärtige Propaganda entlarvt sich selbst. Es braucht Geduld und Überzeugungsarbeit im eigenen Umfeld. Dafür ist es auch wichtig, dass alternative Informationsquellen wie Tichy weiterhin so seriös und glaubwürdig bleiben, wie sie sind.

verblichene Rose
9 Monate her

„…In Deutschland haben die Medien der Bundesregierung zugearbeitet, indem sie den Agrardiesel kurzerhand zu einer „Subvention“ und einem „Privileg“ erhoben haben…“ Genau DAS ist, was in diesem Land gerade passiert, nämlich das Wort mit Worten erschlagen zu wollen. Eine klassische Subvention bedeutet nämlich, dass der Staat GIBT und nicht, dass er NICHT NIMMT! Die Bauern GEBEN also auch m.M.n. sehr viel mehr, als sie für ihren VORHERIGEN (!) Einsatz grosszügig erlassen bekommen! Nur ein Beispiel: Nutzen deutsche Bauern eigentlich überwiegend die öffentliche Infrastruktur, die eigentlich für den Individualverkehr geschaffen wurde? N E I N! Sie fahren und verbrauchen Sprit auf… Mehr

the toothfairy
9 Monate her

Im Ausland wird pragmatische Politik gemacht, während in Deitschland ideologisch verblendet „weiter so“ re(a)giert wird. Das geht nicht mehr lange gut.

Fieselsteinchen
9 Monate her
Antworten an  the toothfairy

Oh doch: 2030! Ein Ziel der Transformation ist die Agrarwende.
Was viele momentan noch nicht auf dem Schirm haben ist eine Neufassung Özedemirs zur Waldnutzung. Waldbesitzer aufgepasst!

IDa1
9 Monate her

Mit einem Bauernpräsidenten und Ex CDU-ler Ruckwied, der wiederholt dazu auffordert, dass in jedem Fall korrekt und Vorschriftenkonform demonstriert wird, wird es keine Durchsetzung der Bauernforderungen geben.
Braves demonstrieren wirkt bei dieser Politriege nicht.

L.Ulbrich
9 Monate her

Die Bauern in DE sind zu brav. Das wundert mich nicht!!! Der Präsident des DBV sitzt Seit an Seit mit Ministern der Ampel, im Verwaltungsrat der KfW. In unserem Regional Bauernverband ist ein Landwirt im Stellv. Vorstand, dessen Ehefrau bei der Hessenwahl 2023, in unserem Wahlkreis , für die Grünen kandidierte.

Juergen Schmidt
9 Monate her

Ich meine die deutschen Bauern sind zu brav, ja. Von der Außenlinie übers Spiel meckern ist nicht gern gesehen, aber: Z.B. der Kölner Bauernprotest lief im Prinzip auf eine Stadtrundfahrt hinaus. So eine Art Karnevalszug, aber ohne Kamelle. Mit Hupen und Winken zu den Leuten, die zufällig am Straßenrand standen. Nach ein paar Stunden war alles wieder vorbei. Besenrein, sozusagen. Der große Güterbahnhof »Eifeltor« am Stadtrand wurde morgens doch nicht blockiert, wie im Vorfeld angekündigt. Damit waren einige Leute in der Stadt sicher sehr zufrieden. Es kam auch nicht zu einer Abschlussveranstaltung oder -Versammlung auf dem zentralen Neumarkt, wie erwartet,… Mehr

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
9 Monate her

„während die Ampel mit der Einstellung eines Kleinkindes auf ihrem Willen beharrt“

Ganz falsch, Herr Gallina. Es ist nicht die Einstellung eines Kleinkindes, sondern die mittelalterlicher Feudalherren, die ihr Volk als Untertanen betrachten, welche nichts zu melden haben und nach Belieben ausgebeutet werden können.

Memphrite
9 Monate her
Antworten an  Marco Gallina

Nun Herr Gallina, in der Theorie durchaus richtig aber in der Geschichte gab es genug Feudalherren die für den kurzfristigen Profit ihr Land geopfert haben.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
9 Monate her
Antworten an  Marco Gallina

Das ist kein Widerspruch. Dafür reicht es schon aus, die Untertanen in Abhängigkeit zu halten und ihnen das Nötigste zum Leben zu lassen. Es ist kaum zu übersehen, dass sich die Parteien diesen Staat längst zur Beute gemacht haben und den angeblichen „Souverän“ mehr oder weniger nur noch als Untertanen betrachten, den es maximal auszubeuten gilt. Wenn die Untertanen Kritik üben, ist das den Herrschern schnuppe. In diesem Falle muss man den Untertanen nur besser erklären, wie falsch ihre Ansichten sind. Dafür gibt es die regierungsabhängigen Propagandamedien.

Tut mir leid, aber für mich ist das nichts als modernes Feudalherrentum.

Last edited 9 Monate her by Ceterum censeo Berolinem esse delendam
Christoph
9 Monate her

Bauern und Waldbesitzer müssen sich ehrlich machen.Zur Zeit stellen sie die notwendigen Fächen für die “ Energiewende“ zur Verfügung,weil es lukrativ ist.Ein Windradstandort bringt ca 50 bis 60 tauesend Euro /anno .Bezahlt wird es von jedem Bürger mittels Spitzenpreise beim Strombezug.Der Ruf der Bauern nach Solidarität der Bevölkerung beim Thema Streik sollte zwar auf Verständnis treffen ,aber es wäre schön ,wenn hier Einigkeit herschen würde und der Robert halt keine Flächen bekommt. Anthony Lee habe ich noch nie über die Energielandwirte reden hören.Schade..