Beim Besuch in Eschweiler spürt der Kanzler den Unmut der Bürger

Wenn die Regierenden zu ihren Untertanen reisen, prallen Welten aufeinander. Olaf Scholz hat jetzt einen kurzen PR-Termin in den nordrhein-westfälischen Flutgebieten angesetzt. Die Bürger dort sprechen, was Berufspolitiker nicht tun: Klartext.

IMAGO

Eschweiler ist in doppelter Hinsicht verlorenes Land: Hier hat einerseits die Flut vielen Menschen beinahe alles genommen, und die meisten haben bisher nur wenig wieder zurückbekommen. Andererseits gibt es auch politisch für Olaf Scholz hier nur wenig zu holen – oder auch gar nichts, wie wir gleich sehen werden.

Die fortgesetzte Hilfe für das Ahrtal ist nun einmal die Hauptbegründung der Ampel-Regierung, weshalb sie in diesem Jahr (und sehr sicher auch danach) eine Notlage des Bundeshaushalts feststellen will – was ihr die Möglichkeit geben würde, die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse zu ignorieren. Also hat sein Beraterstab dem Kanzler wohl einen Besuch in den Flutgebieten der letzten Jahre verordnet. Zugunsten des höheren Ziels (aka: mehr Schulden) beißt Olaf Scholz in den sauren Apfel (aka: Kontakt mit Bürgern), schnallt den Helm enger und stürzt sich in die Niederungen des echten Lebens von echten Menschen.

Das geht nur so mittelgut aus.

Nachdem er gerade erst beim Besuch eines Spiels der deutschen Mannschaft bei der Handball-Europameisterschaft von der ganzen Halle in Berlin gnadenlos ausgepfiffen wurde, schlägt dem Kanzler erneut die Wut der Bürger entgegen. Selbst der bekanntlich nicht eben SPD-feindliche WDR sammelt vor Ort fast nur empörte Stimmen. „Seit zwei Jahren Kuddelmuddel“, schimpft ein älterer Herr. Alle drei Ampel-Parteien müssten weg. Die Stimmung in Deutschland sei gekippt.

Wo man auch hinhört: Scholz wird überall angezählt. „Unsichtbar“ sei er als Regierungschef, seine Koalition „fokussiert auf Positionskämpfe“. „Die meisten sind unzufrieden mit der Ampel-Politik“, sagt eine junge Frau und verzieht angewidert das Gesicht. „Alles wird teurer, zukunftsperspektivisch sieht es nicht so rosig aus“, ergänzt ihre Freundin und sieht dabei sehr traurig aus.

Auch Joost Nehl macht aus seinem Frust keinen Hehl. Der Selbstständige mit den feuerroten Haaren betreibt in der Innenstadt eine Apotheke. Auch zweieinhalb Jahre nach dem Hochwasser ist sie nur in provisorischen Containern untergebracht. „Auf vieles, was zugesagt wurde, warte ich noch immer“ – also seit Sommer 2021, sagt er bitter. Der aktuellen Gesundheitspolitik kann er ebenfalls nichts abgewinnen. Die Ampel vernachlässige die Probleme mit asiatischen Produzenten und den Lieferketten, dadurch entstünden enorme Versorgungslücken. „Das rächt sich“, ist seine düstere Prognose.

Kamerawirksam besucht Scholz das St.-Antonius-Hospital, das im Juli 2021 vom Flüsschen Inde überschwemmt worden war. Der Schaden danach belief sich auf etwa 120 Millionen Euro. Es dauerte über ein Jahr, bis in dem Krankenhaus wieder Normalbetrieb herrschte.

Beim Kanzler, so scheint es, herrscht immer Normalbetrieb. Kurz wirkt es so, als würde er einen Anflug von Selbstkritik zeigen, als er sagt: „Als Bundeskanzler trage ich die Verantwortung für die Regierung.“ Aber der Eindruck verflüchtigt sich schnell wieder, als er hinterherschiebt: „In den vergangenen zehn, 15 Jahren ist viel zu viel liegen geblieben, weil Regierungen Konflikte vermieden haben.“ Dass er in den vergangenen 15 Jahren die Hälfte der Zeit diesen Regierungen selbst angehörte, verschweigt er geflissentlich. Typisch Scholz eben.

Dann beklagt er noch, es sei „leider“ zu selten gelungen, wichtige Beschlüsse ohne langwierige öffentliche Auseinandersetzungen zu treffen. Und dann sagt er rundheraus, als habe er mit all dem nichts zu tun: „Darauf hätte ich gut verzichten können.“

Wir auch, möchte man ihm zurufen, wir auch. Aber da ist er schon wieder auf dem Weg zurück in die Berliner Blase.

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Kommentare ( 51 )

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Der Michel
9 Monate her

„„Alles wird teurer, zukunftsperspektivisch sieht es nicht so rosig aus“, ergänzt ihre Freundin und sieht dabei sehr traurig aus.“

Mir geht der Hut hoch bei solchen Aussagen. DAS WAR DOCH KLAR! Die Grünen haben keinen Hehl aus ihren Plänen gemacht, die Roten sind schon unter Merkel stramm in Richtung Degrowth mitmarschiert – und die Gelben waren schon seit jeher die Umfallerpartei schlechthin. Aber man musste ja wacker gegen rääächts kämpfen… und ist jetzt anscheinend erstaunt, dass bei steigender CO2-Abgabe, immer neuen Steuern, exorbitanter Energieverknappung und und und das Leben doch tatsächlich *teurer* wird? Ja wer hätt’s gedacht???

OMG!

Ein Mensch
9 Monate her

Wo die lieben guten Demokraten in Eschweiler und Umgebung wohl bei der EU Wahl ihr Kreuzchen machen? Die gehen lieber unter, im wahrsten Sinne des Wortes, als der ,,Gott sei bei uns“ Partei ihre Stimme zu geben. Einige wenige vielleicht, aber die große Mehrheit?

joly
9 Monate her
Antworten an  Ein Mensch

Die große Mehrheit wird im Sommer alles in Grün sehen und genau das ankreuzen. Marschieren doch all diese Laffen mit Hurra-Unterstützung für die Regierung durch die Lande. Haben wohl Angst das versprochene Geld sonst doch nicht zu bekommen.

Sonny
9 Monate her

Und trotzdem haben die Menschen im Ahrtal (wider besseres Wissen?) dieser Ampel mit ihren Wahlstimmen zur Macht verholfen.
Da fragt man sich wirklich, wer hier der Idiot ist.

Last edited 9 Monate her by Sonny
Martin Mueller
9 Monate her

Die Ampelregierung hat den Wahnsinn zur Normalität gemacht…..Und das auf fast allen politischen Ebenen…

Turnvater
9 Monate her
Antworten an  Martin Mueller

Sie treibt es nur auf die Spitze. Die Grundlagen davor wurden schon vor langer Zeit gelegt.

Matteo
9 Monate her

Nur kurz zur Korrektur: Der erwähnte Apotheker in Eschweiler heißt mit Nachnamen Ney, nicht Nehl.

Kassandra
9 Monate her

Wenn man nur bedenkt, dass diese Flut, in der Menschen ungewarnt zu Tode kamen, inzwischen 3 Jahre her ist, jetzt als Notnagel für eine selbst inszenierte finanzielle Notlage der Scholzschen Mannschaft dienen soll, nachdem man die Menschen an Erft und Ahr seitdem sich selbst überließ, muss er froh sein, da in Eschweiler tatsächlich wieder heil vom Hof gekommen zu sein.

Autour
9 Monate her

Ach das Ahrtal… man schaue sich die Wahl nach der Flutkatastrophe an… danach kann man sich fragen ob man diesen Menschen noch helfen kann…

Kassandra
9 Monate her
Antworten an  Autour

Da hatten die ja noch Hoffnung und schöne Worte von unbürokratischer Hilfe im Ohr.
Inzwischen, fast 3 Jahre später, wird vieles ganz anders eingeschätzt werden – möchte man hoffen.
Aber vielleicht gibt es auch dort zur Zeit Demonstrationen gegen rechts?

ludwig67
9 Monate her

Wir müssen uns jeden Tag fragen: Wir konnte es dazu kommen, dass wir von derartigen Mittelbegabungen (und das ist noch nett) regiert werden? Die absolute Zitronenauswahl.

Kassandra
9 Monate her
Antworten an  ludwig67

Es war nichts besseres im Angebot?
Prof. Mausfeld: in einer knappen Minute geklärt, was von repräsentativer Demokratie als „Tiefenindoktrination“ und entsprechend von Wahlen zu halten ist: https://www.youtube.com/watch?v=g2_Fnmd47Po

haqus b.
9 Monate her

„Darauf hätte ich gut verzichten können.“
Jetzt holen wir den Klingelbeutel raus und spenden dem sturmgeschüttelten und mit der Gnade des Vergessens gesegneten Olaf S. aus Potsdam/Hamburg eine Runde Mitleid.

Derrick
9 Monate her

Scholz, Habeck und Lindner können sich mal mit Merz unterhalten über hohe Energiepreise und die Auswirkungen: Diese Woche stellte der Glashersteller Ritzenhoff in Marsberg im Wahlkreis von Herrn Merz Insolvenantrag nach 120 Jahren Firmengeschichte – alles hat die Firma überstanden, 1. Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise, 2, Weltkrieg aber die von der CDU begonnene CO2 Abzocke und die noch höheren Energiekosten (Abschaltung der letzten 6 Kernkraftwerke) war zu viel – das ist ein Skandal!!!

Kassandra
9 Monate her
Antworten an  Derrick

Scholz, Habeck und Lindner singen im Chor, dass der Putin Schuld habe. Dabei haben sie fossile Energie aus dem Osten selbst sanktioniert und durch die sabotierten Nordstreampipelines kommt auch kein Gas mehr – ab 2025 auch nicht mehr über die Ukraine, weil Selenskyj die Durchleitungsverträge für russische Enwergie nicht verlängert hat. Die DUH hat die LNG-Terminals vor Rügen vor Gericht still legen lassen, die AKWs sind abgeschaltet und zum großen Teil bereits zerstört, Kohle kommt von sonstwo und die Verbraucher werden getriezt, ihre noch intakten Holzöfen wie Kamine still legen zu lassen. Aus Solar wie Wind kann Energie nur zeitweise… Mehr

Proffi
9 Monate her
Antworten an  Kassandra

„Was denkt sich eine Politik, die eine intakte Energieversorgung eines ganzen Landes „in Angriff“ nimmt und zerstört –“ Sie unterliegt dem Irrglauben einer nahenden Klimakatastrophe, an der das CO2 schuld ist, und die man durch Verminderung des CO2 Eintrags aus auschließlich deutschen Quellen, verhindern müsse, weil es angeblich fünf nach zwölf ist.