Kirche ohne Botschaft

Nichts dürfte die Glaubwürdigkeit der EKD starker beeinträchtigt haben als die Hartnäckigkeit, mit der sie die Auswüchse der Flüchtlingspolitik nicht wahrhaben will. Statt im Widerspruch zur Politik zu stehen, passt sie sich dieser an – und macht sich überflüssig. Von Konrad Adam

IMAGO / epd

Die EKD, die Evangelische Kirche in Deutschland, will sich einmischen. Sie will mitreden, mitbestimmen, mitentscheiden und pocht auf ihr politisches Mandat. Einmischung ist allerdings das falsche Wort, es klingt nicht gut, man denkt an Übergriff und Grenzverletzung. Es klingt, als wolle die Kirche den Politikern ins Handwerk pfuschen. Als wolle sie sich spreizen und über Dinge reden, zu denen sie nichts beizutragen hat.

Hat sie aber. Als ihr Ahnherr Martin Luther gegen die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern zu Felde zog, hat er sich genauso eingemischt wie sein Gegenspieler Thomas Müntzer, der für die Bauern Partei ergriffen hatte, zusammen mit ihnen in den Krieg gezogen war und diese seine Einmischung nach der verlorenen Schlacht von Frankenhausen mit dem Leben bezahlen musste.

Luther wusste, dass die Erneuerung der Kirche nur mit, nicht gegen den starken Arm des Staates gelingen konnte. Ohne den Schutz Friedrichs des Weisen, des Kurfürsten von Sachsen, wäre er früher oder später auf dem Scheiterhaufen gelandet, genauso wie der böhmische Reformator Hus in Konstanz oder der Dominikaner Savonarola in Florenz.

Begriffsmissbrauch
Wenn Unsinn zu „Solidarität“ hochgepusht wird
Luther wusste aber auch, dass es zwei Reiche gibt und dass in der Politik andere Regeln gelten als im Raum der Kirche. Nicht nur den Nächsten, sondern auch den Feind zu lieben, und dem Gegner, der einen auf die rechte Backe geschlagen hat, auch noch die linke hinzuhalten, ist eine Zumutung, ein Zeichen von Würdelosigkeit – außer für einen Heiligen, wie Max Weber seinerzeit bemerkt hat. Heilige sollten der Politik allerdings fernbleiben, denn die lebt vom Kampf, vom Abstand zwischen Uns und Denen, vom Gegensatz zwischen Freund und Feind, von der Konkurrenz zwischen Regierung und Opposition. Fromme Leute werden da nicht mitmachen, sie wollen Gott mehr gehorchen als den Menschen und ihren eigenen Weg gehen.

Was Uwe Holmer, der Pfarrer, bei dem Honecker Zuflucht fand, getan hat, und was Margot Käßmann, die frühere Bischöfin, gewollt hat, als sie empfahl, Terroristen mit Gebet und Liebe zu begegnen, mag einem Politiker naiv, gefährlich oder empörend vorkommen – dass es im Sinne des Evangeliums gesagt und getan worden ist, lässt sich kaum bestreiten. Das Gebot der Nächstenliebe ist unbequem, weil es aufs Ganze geht. Es gilt unbedingt und ausnahmslos für alle – also auch für Mauerschützen, auch für Terroristen, ja, sogar für AfD-Mitglieder. Statt diese Botschaft zu verkünden, unabhängig von dem, ja im Widerspruch zu dem, was die Politik dazu sagt, passt sich die Kirche an. Sie sagt nur das, was alle sagen, und macht sich damit überflüssig.

Der Staat soll gerecht, die Kirche soll barmherzig sein, heißt eine alte Regel. Wo es die Kirche für gerecht hält, Altenheimbewohner vor die Tür zu setzen, um Flüchtlingen, denen der barmherzige Staat die Miete zahlt, die Türen zu öffnen, da gilt die Regel allerdings nicht mehr. Man muss weder Rassist noch Populist, nicht einmal AfD-Mitglied sein, um diesen Rollentausch absurd zu finden. Wer nach den Gründen für den Ärger, das Misstrauen, die offene Verachtung fragt, die der Kirche entgegenschlägt, der wird hier fündig. Nichts dürfte die Glaubwürdigkeit der Amtskirche stärker beeinträchtigt haben als die Hartnäckigkeit, mit der sie die Auswüchse der Flüchtlingspolitik nicht wahrhaben will oder nicht sogar befördert.

„Lassen wir uns nicht zur Unmenschlichkeit verführen!“, hatte der zuständige Kirchenfürst verkündet, nachdem in der pfälzischen Kleinstadt Kandel ein Flüchtling aus Afghanistan seine deutsche Freundin vor aller Augen niedergestochen hatte. Unmenschlichkeit – das böse Wort war nicht auf den Täter gemünzt, sondern auf die Demonstranten, die das blutige Geschehen zum Anlass für eine Protestkundgebung genommen hatten. Aber der Zustrom geht weiter, der Fortschritt kennt keine Grenzen, allein in diesem Jahr dürfte die Zahl der Asylanträge bei rund 300.000 liegen, der Einwohnerschaft einer Großstadt wie Münster. Der EKD ist das noch immer nicht genug, sie will den Einmarsch weiterlaufen lassen „bis hin zur Selbstaufgabe“. Als ob der Punkt nicht schon erreicht wäre!


Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 16 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

16 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
the ministry of silly walks
11 Monate her

Der Titel ist nicht zutreffend, die EKD hat sehr wohl eine Botschaft. Sie lautet: Abkehr von christlichen Werten, muslimische Einwanderung bis zur Selbstaufgabe und darüber hinaus, Energiewende, Mobilitätswende, AfD-Bashing, Aufgabe des seelsorgerischen Auftrags, Verachtung der Frauen durch Transaktivismus. Daher bin ich vor Jahren aus der politischen Vorfeldorganisation EKD ausgetreten. Meiner Beziehung zum Glauben hat das nicht geschadet, im Gegenteil…

PeterMichael
11 Monate her

Mir wurde es zu dumm und bin nach 65 Jahren Mitgliedschaft ausgetreten.

Esteban E
11 Monate her

MEINE eigene Wange kann ich als Christ hinhalten. MEINE eigene Wohnung kann ich auch schrägen Gestalten öffnen. MEIN eigenes Geld kann einem Bekannten sus der Patsche helfen.
Sobald ich aber einem Staat oder einem Unternehmer diene, gelten andere Spielregeln. Dort bin ich verantwortlich dafür, mit dem mir anvertrauten Gut gewissenhaft umzugehen.

L.Ulbrich
11 Monate her

Für Christen gilt: Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an den GLAUBENSGENOSSEN. (Galater 6,10). Dem sollte die EKD wieder folgen.

Grumpler
11 Monate her

Die EKD wurde von der Gegenseite, dem Teufel, übernommen. Der wiederum ist in Wahrheit nicht böse, sondern einfach nur dumm. Und Schwupps ist der ganze Spuk um diese menschenfeindliche Organisation, die jegliches logische Denken ablehnt, erklärt.

Übrigens: Die Kirchensteuer kann weg. 😀

Teiresias
11 Monate her

Es ist nicht so lange her, da haben die noch Kirchenglocken und Orgelpfeifen gspendet für den Endsieg.
Die Religion der Staatskirchen ist letztendlich der Staat.
Ob Nazistaat oder Ökokommunismus – da ist die Kirche flexibel.
Sie ist ein Dienstleister, der denen folgt, die sie finanzieren.

Mausi
11 Monate her

Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist (Matthäus 22,21). Schon damals also eine Trennung zwischen Kirche und Staat. Ich ganz persönlich kann den Terroristen lieben, kann für ihn beten, aber auf der Straße gelten immer noch die Gesetze des Staates. Im Grunde hat der Staat eben über das eigentliche Asyl hinaus keine Aufgabe. Der Rest an Zuwanderung ist Aufgabe der christlichen Nächstenliebe. Und vielleicht noch Aufgabe der Unternehmen, wenn sie Arbeitskräfte brauchen. Nächstenliebe wird freiwillig gegeben. Es geht also nicht an, dass der Staat uns Zuwanderung auferlegt und dann die Kirche Nächstenliebe einfordert. Im übrigen… Mehr

Waldorf
11 Monate her

Das Scheitern Deutschlands als Bund oder souveräner Nationalstaat, wenn man sich diese Bezeichnung noch traut, öffnet die Tür zur Rettung durch „EU“, was sich viele deutsche Linke sowieso seit Jahren innig wünschen, nachdem ihr Traum vom wahren Sozialismus mit der DDR verstorben ist. Deutschland politisch vor die Wand fahren, also klassischen Hochverrat begehen, ist für viele Sozen, Grüne und Unionisten kein Horror, sondern geradezu wünschenswert, wenn es zur EU als echten und vollwertigen Bund ala USA führt. In der EKD wird dieser linke Traum wohl mitgeträumt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Traum jemals in Erfüllung geht, dürfte gegen Null gehen.… Mehr

Marcel Seiler
11 Monate her

Zum Verhältnis von Recht und Gnade, Recht und rechtaufhebende Barmherzigkeit: Das Recht muss zuerst da sein. Es muss die Regel sein. Gnade, Barmherzigkeit machen nur Sinn vor dem Hintergrund einer funktionierenden und durchgesetzten Rechtsordnung. Sie müssen begründete Ausnahme im begründeten Einzelfall bleiben.

Die heutigen windelweichen, lauwarmen Gutmenschen aber meinen, es müsse immer „Gnade“ geben, als Regelfall. Sie verachten damit das Recht. Gnade ohne Recht aber ist Willkür, führt zur Dominanz der Gewalt. Dass die Kirche sich dafür hergibt, ist geistige Verirrung.

Andreas aus E.
11 Monate her

Eine (Staats-)Kirche, welche selbst von Weihnachtsbrauchtum abrät, sollte besser Zelte abbrechen und in Somalia oder Afghanistan um Asyl bitten.