Hat der berühmteste Sohn der Stadt Gelnhausen, Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, im Simplicissimus an Peter Tauber gedacht? Kapitel 25: „Dem seltsamen Simplicissimus kommt in der Welt alles seltsam vor - umgekehrt er der Welt aber auch.“
Servus Tichy, ich bin zwar kein Philosoph, neige aber dennoch zuweilen dazu, die Menschheit generell für einen pathologischen Fall zu halten. Ein Shitstorm der patentierten Menschenfreunde ist doch wohl das Mindeste, was ich jetzt zu erwarten habe, oder? In diesem Sinne setze ich weiter auf das Sammeln des Schwachsinns. Nach der ersten Lieferung war ich mir gar nicht sicher, ob dem Almanach Woche für Woche neue Seiten hinzuzufügen wären. Garantieren kann ich es auch heute nicht. Aber die zweite Lieferung war Stunden nach Zustellung der ersten transportfertig.
I.
So wie Sigmar Gabriel sich intellektuell verbiegt, kann er als Gummimensch im Zirkus Larifari auftreten. Wobei das Wort „intellektuell“ in diesem Zusammenhang von ihm selbst ins Spiel gebracht worden ist, und so viel mit Intellekt zu tun hat wie ein Soyaburger mit Fleisch. Gabriel fordert zum „Kampf“ gegen den Islam. Doch, doch, aber eben nur „intellektuell und kulturell“. Deshalb gehe es dabei nicht um „Religionszugehörigkeiten“. Sein Zauberwort lautet: Kultur. Wer Kultur so ausspricht wie er, kann unmöglich Religion meinen. Religion gehört für Gabriel nicht zur Kultur, jedenfalls nicht im Fall des Islam. Und Kultur scheint für den Schullehrer a.D. einerseits zwar irgendwie etwas Luftiges, Harmloses zu sein, doch zugleich eine unwiderstehliche Geheimwaffe. Religionszugehörigkeit und Unkultur: Die beiden Sachen müssen doch auseinander zu halten sein, wenn die unterschiedlichsten Wähler beglückt werden sollen. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Sicher wird es uns der künftige Kanzlerkandidat bei nächstbester Gelegenheit bei Anne Will näher erläutern.
Richtig ist doch wohl das Gegenteil: Gegen radikalislamischen Terror ist rein kulturell nichts zu machen. Es sei denn, die dieser Religion Zugehörigen begehrten endlich auf gegen Scharia und die Verteufelung der Kultur der „Ungläubigen“. In Wahrheit interessiert das Gabriel gar nicht. Er steht nur in der Manege und zeigt seinen neuen Trick: „Hoch verehrtes Publikum! Sehen Sie und staunen Sie! Ein Haar des Propheten – gespalten von mir persönlich mit nichts als meinem eigenen Scharfsinn!“ Beziehungsweise Bullshit.
II.
Wir wollen nicht katholischer sein als der Papst. Aber genau zuhören muss erlaubt sein. Franziskus setzte gerade wieder die Ursachen der Gewalt im Islam in Beziehung zur „Aussendung der Jünger durch Jesus“. Der Pontifex Maximus schwingt also die Konquistadorenkeule, relativiert damit radikalislamischen Terror und Unterdrückung. Das ist so, als würde jemand fordern, die Deutschen sollten sich doch bitte über Völkermord nicht mehr ganz so furchtbar aufregen, weil sie in der Geschichte der Völkermorde selbst nachhaltig in Erscheinung getreten sind.
III.
Peter Tauber ist ein stolzer Gelnhausener. Man könnte glatt auf die Idee kommen, der berühmteste Sohn der Stadt, Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, habe beim Verfassen des Abenteuerlichen Simplicissimus an Merkels Simpel gedacht. Ein Fall von Wiedergeburt? Als Beleg z.B. Kapitel 25: „Dem seltsamen Simplicissimus kommt in der Welt alles seltsam vor – umgekehrt er der Welt aber auch.“ Daraus der letzte Satz: „Andererseits ist es aber gewiss, dass ein Weltmensch, der alle Untugenden und Torheiten gewohnt ist und selbst begeht, am allerwenigsten erkennen kann, wie sehr er mit seinen Gefährten auf dem Weg der Bosheit wandelt.“ Für Tauber vermutlich zu hoch. Er kann Gedanken nicht unterscheiden, bloß Klamotten. Wenn Gauland am abgewetzten Tweedsakko, und Lindner am überteuerten Anzug (Vorsicht: Besserverdienender!) zu erkennen sind – woran dann Tauber? Vielleicht an der Charaktermaske ohne Charakter.
IV.
Es lebe der Sozialstaat! Aber er ist noch lange nicht perfekt. Sex für Pflegebedürftige fehlt noch. Ich sage ausdrücklich Ja zu Sex für Jedermann, der sich danach sehnt. Aber auf Rezept, wie es die Grünen fordern? Manche Fachleute halten dies für „menschenverachtend“ (Pflegeforscher Frieling-Sonnenberg), weil nur auf Triebabfuhr aus, an den wahren Bedürfnissen (Einsamkeit) vorbei zielend, Sex zur Dienstleistung herabwürdigend. Ich schließe mich dem ausdrücklich nicht an. Pervers ist etwas anders: Für jedes sogenannte Grundbedürfnis von der Wiege bis zur Bahre soll der Staat zuständig sein, alles der „Solidargemeinschaft“ in Rechnung gestellt werden. Na dann. Es gibt ja nicht bloß das Grundbedürfnis nach Sex. Für mich zum Beispiel wäre ein Leben ohne Musik nicht mehr lebenswert. Ich fordere deshalb Konzertkartenerstattung (privat versichert, also freie Orchesterwahl) im Falle meiner Pflegebedürftigkeit. Aber warum nur im Pflegefall? Im Interesse des Sozialstaats muss es doch sein, die Pflege möglichst lange zu vermeiden. Etwa durch Golfen. Viele Golfer entspannt die Konzentration auf das weiße Kügelchen besser als, nun ja, alles andere. Haben Sie noch Sex oder Golfen Sie schon? Clubmitgliedschaft auf Krankenschein wäre das Mindeste, was man verlangen kann – wenn man an die totale Verstaatlichung sämtlicher Bedürfnisse glaubt.
V.
Schon jetzt einen Ehrenplatz im Almanach der Scheußlichkeiten hat ein Vorschlag aus den USA: Algorithmen steuern unser Leben. Warum nicht auch den Tod, glaubt eine Firma, die der frühere republikanische Mehrheitsführer im Senat William Furt mitgegründet hat. Der Algorithmus soll objektiv, versteht sich, und ohne Gefühlsverirrung entscheiden, bei welchen Patienten im Endstadium eine teure Behandlung noch lohnt. Schließlich gehen ein Viertel der Gesundheitskosten im letzten Lebensjahr drauf. Palliativmedizin ist viel billiger und – so die zynischen Algorithmiker: humaner. Vermutlich werden sich die Kassen schon bald dafür interessieren, auch bei uns. Noch billiger und noch „humaner“ wäre es, der Algorithmus würde gleich zu aktiver „Sterbehilfe“ raten.
VI.
Fußfesseln für Gefährder? Warum nicht. Wenn Fußfesseln für Maas und de Maizière Terroranschläge verhindern, bin ich dafür.
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