Steinmeiers Ordensleute

Es regnet Orden: Der amtierende Bundespräsident überreicht sechs (!) amtierenden Ministerpräsidenten das Bundesverdienstkreuz. Ist das nun dreiste Dekadenz der politischen Klasse – oder sind es die letzten Zuckungen eines sterbenden Systems?

IMAGO - Collage: TE

Im Normalfall guckt kein vernünftiger Mensch auf der Internetseite des Bundespräsidenten nach, was für Termine Frank-Walter Steinmeier denn so hat. Es gibt nun wirklich Spannenderes – oder besser: Alles ist spannender als das.

Am kommenden Freitag aber enthält der Kalender ein echtes politisches Kleinod: Da verleiht unser Staatsoberhaupt den „Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland“, im Volksmund Bundesverdienstkreuz genannt – und zwar an diese Menschen:

  • Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz
  • Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt
  • Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg
  • Bodo Ramelow („Linke“), Ministerpräsident von Thüringen
  • Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen
  • Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg.

Der Bundespräsident zeichnet also sechs amtierende Länder-Regierungschefs aus. Und ohne jeden Anflug von Neid fragt man sich: wofür eigentlich? Haben die unter Einsatz ihres eigenen Lebens Ertrinkende aus den Fluten gerettet? Zumindest auf Malu Dreyer trifft das, wie wir wissen, auf keinen Fall zu. Und dass die anderen irgendwann einmal in ihrer Dienstkarosse eine Schwangere mit geplatzter Fruchtblase zur Entbindungsstation oder ein Lebendherz zur Organtransplantation transportiert hätten, ist auch nicht bekannt.

Das Bundesverdienstkreuz ist „die höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl ausspricht“. So formuliert es das Bundespräsidialamt. In der Praxis ist es ein Orden, dem man ab einem bestimmten Jahreseinkommen kaum noch ausweichen kann. Alternativ reicht auch ein bestimmter politischer Einfluss.

Es ist eigenartig, was mittlerweile alles als Leistung am Gemeinwesen angesehen wird.

Angestellte Vorstandsvorsitzende von Großunternehmen werden mit dem Argument geehrt, dass sie dem Standort Deutschland geholfen hätten. Aber wenn sie’s getan haben, dann wurden sie dafür bezahlt, haben also ihren Job gemacht. Dafür braucht’s kein Kreuz. Geradezu pervertiert wird die Idee von „Verdiensten um das Gemeinwohl“, wenn Berufspolitiker geehrt werden: für ein vermeintliches Leben im Dienst der Allgemeinheit, das in Wahrheit ein Leben auf Kosten der Allgemeinheit ist, denn die bezahlt den Politiker ja.

Und das nicht zu knapp. Fast immer verdienen Politiker deutlich mehr, als sie in einem anständigen bürgerlichen Beruf jemals verdienen könnten. Deshalb gehen Menschen auch ausschließlich freiwillig in die Politik. Es sind keinerlei Berichte von bemitleidenswerten Geschöpfen überliefert, die mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen worden wären, für ein politisches Amt zu kandidieren.

Wozu also Orden? Dass der Berufspolitiker sein ganzes Leben lang keinen anderen Job gefunden hat, mit dem er sich an der Wertschöpfung hätte beteiligen können – ist das etwa ein Grund, ihn auch noch besonders auszuzeichnen?

Vielleicht ist es ja auch einfach nur ein begriffliches Missverständnis – und das Bundesverdienstkreuz wird sozusagen aus Versehen besonders oft an Menschen mit hohem Verdienst statt an Menschen mit besonderen Verdiensten verliehen.

Es gäbe freilich noch eine andere Erklärung dafür, dass es vom lebenslangen Berufspolitiker Steinmeier nun Orden auf sechs andere lebenslange Berufspolitiker regnet: Bevor kranke Tannenbäume eingehen, produzieren sie noch einmal besonders viele Zapfen.

Sollten die Orden für unser politisches System etwa das sein, was die Zapfen für Tannenbäume sind? Wir wissen es auch nicht. Aber wir werden es weiter für Sie beobachten. Versprochen.

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Kommentare ( 138 )

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teacher32
1 Jahr her

„Früher war mehr Lametta“ (Loriot). Wirklich?

Aljoschu
1 Jahr her

Die machen doch alle ihren aufopferungsvollen Job ehrenamtlich! Fast jedenfalls. Dann gönnt ihnen doch wenigstens das Blech!

Aljoschu
1 Jahr her

Der größte Vaterlandsverräter verleiht den Vaterlandsverrätern Blechorden! Alt-KBWler, Stalinisten, Salon-„Sozialismusdemokraten“, Oppirtunisten, Hetzer und Versager – unter sich!

teacher32
1 Jahr her
Antworten an  Aljoschu

Sie müssen das doch endlich einmal positiv sehen: Die Altstalinisten/-maoisten Ramelow und Kretschmann sind in der „Demokratie angekommen“. Wenn das keine „Häutung“ ist!

Dellson
1 Jahr her

Nachtrag zu dem Präsidenten des Elferrats der sein Blech an die Büttenredner verteilt. Das Gewicht dieser so ehrenhaften, würdigen Auszeichnung an Menschen mit Haltung und top Leumund wird durch einige Träger zum Absurdum geführt. Der vorbestrafte EX Verkehrsminister Klimmt ( SPD) trägt weiterhin das Aushängeschild der besseren würdigen Elite, während man es einem verdienten blonden „Volkssänger“ mit dunkler Brille verweigert. Heino hat durch seine Lieder mehr für diese Land geleistet, als etliche dieser heutigen Politikdarsteller!

JuergenR
1 Jahr her
Antworten an  Dellson

Zu Ihrem letzten Satz: Heino hat nicht nur für Deutschland viel geleistet, sondern sogar für Frankreich. Ich kenne einen Franzosen, der als Autodidakt durch Heinos Lieder deutsch gelernt hat. Das war für ihn der Grundstock, bevor er seine Sprachkenntnisse erweiterte. Er spricht schon seit Jahrzehnten ziemlich gut deutsch.

Andreas Stueve
1 Jahr her

Haha, Orden an Ahrtalflut – Dreyer und Wahlbetrugs – Rammel- Oh! Mehr Volksverachtung geht nicht. PahlRugensteinmeier ( M. Klonovsky) hat wieder zugeschlagen. Erinnerungen werden wach, an die SED, in der sich die führenden Genossen gegenseitig mit Lametta behängten. Pfui Deibel!
Orden für Hoch-und Volksverrat. Mehr Verkommenheit ist nicht möglich. Nochmals Pfui Deibel.

Rasparis
1 Jahr her

Es gab da mal einen, der es im Mai 45 auch noch Orden auf seine Paladine herabregnen liess – bis 5 Minuten nach dem „Endsieg“ nichts mehr da war, was noch irgendeinen Einsatz gelohnt hätte. Und genau dafür wurde das Blech ja auch verteilt. Es geschah -wie jetzt- in Berlin. Und in der Tat erinnern z.B. Typen wie „OPM“ („other people’s money“) -Weil oder der „hilfreiche“ Genosse Pfuschmann aka Ramelow an die Diadochen der letzten Tage des Reiches der 1000 Jahre: In Hybris und Wahn einer jahrzehntelangen Blasnexistenz vorzugsweise in den Scheinwelten ihrer Medienkumpel greifen die kleinen Tyrannen begierig nach… Mehr

Nachrufer
1 Jahr her

„…noch einmal besonders viele Zapfen“. Ein richtiger Zapfenstreich sozusagen, was da wieder verzapft werden soll. Wurde bei der Ankündigung im Bundespräsidialamt womöglich gegen Datenschutz verstoßen durch die öffentliche Namensnennung – Anprangerung – der „Ordensleute“? In Bundesministerien ist man z. B. bei geldwerten Beförderungen teilweise dazu übergegangen, diese nicht mehr allen Beschäftigten zur Kenntnis zu bringen wegen möglicher unerwünschter und belästigender Werbung, was bei Beschäftigten selbst den Wunsch habe aufkommen lassen, diese Veröffentlichungen – nach Jahrzehnten – abzuschaffen. Konkurrentenklagen hoffte man dadurch einzuschränken. Vielleicht fühlen sich angesichts des kommenden bunten Freitags manche übergangen und suchen händeringend nach helfenden Händen für eine… Mehr

Evero
1 Jahr her

Wo liegt das besondere Verdienst dieser Ordensempfänger? Man darf rätseln. Etwa weil sie so lange durchgehalten haben und den Linksstaat verteidigen? Oder ist es gar bewußte Beeinflussung von Amtsträgern aus dem Präsidialamt heraus? In welcher Sache? Fragen über Fragen.

Steffen S.
1 Jahr her

Sie feiern sich sich selbst und beglückwünschen sich selbst und beweihräuchern sich selbst in ihrer eigenen Blase. Wie ist doch der Realitätssinn abhanden gekommen. Je länger, je mehr. Erinnert doch sehr an die DDR-Führerschaft, die bis zum letzten Atemzug treu an sich selbst festhielt …

Reinhold
1 Jahr her

Das ist die perfekte AfD-Werbung. Danke Herr St. Besser geht es nicht.