Parteitag der LINKE: Eine an Israel gespaltene Partei

Von „Genozid“ an den Palästinensern und israelischen „Massakern“ in Gaza: Beim Parteitag der Linken am Wochenende eskalierten einige Delegierte ihren Israel-Hass. Andere stellten sich dem entgegen. Von Einigkeit ist bei der Post-Wagenknecht-LINKE keine Spur.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Nach dem Abschied von Sahra Wagenknecht sollte bei der Linken alles besser werden: Neues Logo, neue Gesichter, weniger destruktiver Streit. Der Parteitag am vergangenen Wochenende: geplant als Signal des Aufbruchs. Ganz ohne Reibungen ging er dann aber nicht über die Bühne. Nicht nur sprengte ein gewisser Bijan Tavassoli mit einem exzentrischen pro-Wagenknecht-Auftritt die Parteitagsregie. Es zeigte sich auch erneut, dass die Linke in Sachen Israel nach wie vor an unheilbaren Gegensätzen und insgesamt an einem chronischen Israel-Komplex leidet.

Bereits kurz vor dem Parteitag hatten Ex-Parteichef Bernd Riexinger und zwei Mitglieder des aktuellen Bundesvorstands für Aufmerksamkeit gesorgt, indem sie Greta Thunberg nach deren jüngsten anti-israelischen Eskapaden den Rücken stärkten. Greta Thunberg hatte das Forum einer Klimademonstration genutzt, um das Existenzrecht Israel grundsätzlich in Frage zu stellen. Der Bundestagsabgeordnete Jan Korte erklärte daraufhin via X, es sei falsch sich hinter die gestürzte schwedische Klima-Heilige zu stellen, „nur weil sie was Richtiges zum Klima gesagt hat“.

Es ist falsch, sich hinter #Thunberg zu stellen, nur weil sie was Richtiges zum Klima gesagt hat. https://t.co/CODp6ThGJo

— Jan Korte (@jankortemdb) November 17, 2023

Der Streit um die angemessene Antwort auf das Hamas-Massaker vom 7. Oktober drohte auf den Parteitag überzuschwappen. Noch bis Freitag, dem Tag des Parteitagsbeginns, rangen die verschiedenen Lager um eine Einigung für einen Einheitsantrag zum Krieg in Nahost – mit Erfolg: In der Nacht verabschiedeten die Delegierten ein entsprechendes Papier. Dieses ist von einer falschen Äquidistanz geprägt, indem es das Hamas-Massaker genauso verurteilt wie „die exzessive Bombardierung des Gaza-Streifens“. Insgesamt widmet sich der Text mehr den angeblichen Fehlern Israels als denen der Palästinenser.

„Genozid“ Israels und Forderung nach „weniger Staatsräson“

Die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler sagte bei der Einbringung des Antrages unter Bezug auf einen palästinensischen Bekannten, die Leute in Israel und den Palästinensergebieten seien sowohl Geiseln der Hamas als auch der „rechtsextremen israelischen Regierung und ihrer (!) Armee“. So als wäre die israelische Volksarmee, für die übrigens auch in diesem Krieg bereits mehrere arabische Drusen ihr Leben gaben, eine Privatmiliz durchgeknallter Rechtsextremer.

Dass das Papier und Voglers Einlassung dazu im Gesamtkontext der Linken aber noch als gemäßigt bezeichnet werden müssen, hatten die Debatten gezeigt, die der Parteitag vor dessen Verabschiedung führte. Bereits in einer Generalaussprache proklamierte die – in Sachen Nahost einschlägig bekannte – frühere Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Bundesvorstand Christine Buchholz am Freitag von der Bühne, es brauche mehr Solidarität und „weniger Staatsräson“. Im Gazastreifen fänden „Massaker“ statt.

In der Aussprache zum Israel-Antrag trat dann Nick Papak Amoozegar ans Rednerpult und hetzte über einen „Völkermord“ und einen „Genozid“ Israels im „Gefängnis“ Gaza: „Es ist die gezielte Vernichtung eines Volkes.“ Außerdem gebe es auch Geiseln Israels, meinte der Landesschatzmeister der Linken in Hessen. Die Hamas bezeichnete er als „palästinensischer Widerstand“. Seinen Auftritt unterstrich er, indem er eine Kufija, das sogenannte „Palästinensertuch“, um den Hals trug.

Es gab auch Gegenpositionen

Diese offene Hetze war auch einigen Parteitagsdelegierten zu viel. Amoozegars Rede wurde durch Buh-Rufe gestört. Bereits zuvor hatte die EU-Abgeordnete Martina Michels mit Blick auf die Rede von Christine Buchholz geklagt, diese nutze „die Sprache von Alice Weidel“. Wobei nicht bekannt ist, dass die AfD-Chefin dem Diktum von der Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson jemals öffentlich eine Absage erteilt hätte.

Eine bemerkenswerte Rede hielt indes Klaus Lederer, vormaliger Kultursenator in Berlin. Er benannte den Hamas-Terror klar als „genozidale Gewaltorgie“. Mit Blick auf einen Vergleich, den ein spanischer EU-Abgeordneter der Linksfraktion im Oktober zwischen Gaza und dem Warschauer Ghetto angestellt hatte, erklärte er: „Wir haben ein Problem, ein ernsthaftes Problem.“ Dafür, dass Parteichef Martin Schirdewan dies in seiner Rede nicht angesprochen hatte, habe er, Lederer, sich geschämt.

Lederer benannte den Zäsur-Charakter des 7. Oktobers deutlicher als manch ein Politiker aus den anderen Parteien: Was in Südisrael geschehen ist, sei „nicht einfach irgendwie Nahost-Konflikt“; es sei eine „spezifische Qualität von Antihumanismus und Unmenschlichkeit, die man nicht mit den alten Kategorien bearbeiten kann“. Ob Lederer anschließend dem Einheitsantrag zustimmte, ist nicht bekannt. Dieser strotzt jedenfalls nur so von jenen unangebrachten alten Kategorien, die er in seiner Rede anprangerte.

Am Samstag äußerte sich dann auch Parteichefin Janine Wissler zum Nahen Osten. In ihrer Rede verurteilte sie den Terror der Hamas deutlich und forderte: „Alle Geiseln müssen sofort freigelassen werden.“ Gleichzeitig lederte auch sie gegen die „rechte Netanjahu-Regierung“. Mit Blick auf die Debatte vom Vortag kritisierte sie, „einige Aussagen“ seien dem Leid der Menschen im Nahen Osten nicht gerecht geworden. Meinte sie damit Lederer? Meinte sie Amoozegar? Oder Buchholz? Das ließ sie offen.

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