Selbstbestimmungsgesetz liegt auf Eis

Das Selbstbestimmungsgesetz, eines der zentralen gesellschaftspolitischen Projekte der Ampelkoalition, erleidet offenbar einen weiteren Rückschlag. Ausgerechnet die FDP, die das Gesetz maßgeblich mit ihrem Justizminister Marco Buschmann vorantreiben wollte, bremst das Vorhaben nun.

IMAGO / photothek

Die Ampel ist ein Club von Dilettanten. Nichts bringt sie zustande: Die deutsche Wirtschaft stürzt ab oder wandert aus. Die Energieversorgung wackelt, die Preise dafür steigen. Die Staatsverschuldung erklimmt immer neue Höhen. Die innere Sicherheit liegt in weiten Bereichen darnieder, die Kriminalitätszahlen nehmen zu. In Großstädten herrscht tagelang der Mob. Jüdische Mitbürger sitzen auf gepackten Koffern oder müssen ihre Identität wieder verstecken. Die Infrastruktur (Straßen, Brücken, Bahn) harrt der Sanierung. Polizei und Bundeswehr haben Personallücken zu Tausenden.

Hunderte von Krankenhäusern stehen vor dem Aus. Es mangelt selbst an Standardmedikamenten. Hunderttausende Wohnungen müssten gebaut werden, werden aber nicht gebaut. Der Wirtschaft fehlen die Fachkräfte, weil es in (!) Deutschland 2,5 Millionen junge Menschen (davon 1,5 Millionen Zuwanderer) zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss und 2,9 Millionen Studenten gibt. Die „Bildungsnation“ ist nur noch eine vormalige. Außenpolitisch spielt Deutschland trotz üppigster Reisetätigkeit der Kabinettsmitglieder in der dritten Liga. Aber das Land bleibt Sehnsuchtsland aller Mühseligen und Beladenen dieser Welt; täglich (!) kommen eintausend neue Flüchtlinge hinzu, aber ab 2024 sollen 600 dieser Leute pro Jahr (!) mehr abgeschoben werden. Für die Versorgung von „Migranten“ werden tagtäglich (!) 132 Millionen Euro (im Jahr 2023: 48,2 Milliarden) ausgegeben. Während deutsche Rentner verschämt zu den „Tafeln“ gehen müssen.

Und noch ein „Gipfel“ und noch ein „Gipfel“: Migrations-, Digital-, Energie-, Ernährungs-, Bau-„Gipfel“, ein Bürgerrat für Ernährung und so weiter und so fort. Ampel – das ist seit zwei Jahren ein Berg, der ständig kreißt, aber nicht einmal Mäuschen gebiert.

Brechen wir die Aufzählung ab und fragen, ob die Ampel denn wenigstens ihre hochideologischen Lieblingsprojekte zu der von ihr monomanisch verfolgten gesellschaftlichen „Transformation“ hinbekommt, nämlich so, wie sie im Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 festgehalten wurden. Nein, nicht einmal das funktioniert in diesem Dilettantenclub. Erstes Beispiel: das Gesetz zur Freigabe von Cannabis. Ursprünglich sollte es bereits für 2023 gelten, nun ist nicht einmal sicher, dass der SPD/FDP/Grünen-Lauterbach/Buschmann/Özdemir-Plan überhaupt schon 2024 Gesetz wird.

„Selbstbestimmungsgesetz“ blockiert

Widmen wir uns zweitens dem anderen Ideologieprojekt der Ampel: dem „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG)“. Auch hier geht es drunter und drüber. Jetzt bremst ausgerechnet die FDP, die das Gesetz maßgeblich mit ihrem Justizminister Marco Buschmann vorantreiben wollte. Wie aus Koalitionskreisen zu erfahren ist, wird die öffentliche Anhörung im Familienausschuss dazu nicht wie geplant am 13. November 2023 stattfinden. Dabei sollte das SBGG noch in dieser Woche in die erste Lesung in den Bundestag gehen. Daraus wird aber nichts. Denn die FDP, so heißt es, habe intern noch Klärungsbedarf.

Da hat FDP-Justiz-Mann Buschmann wohl doch zu viel mit der „grünen“ Familien- und Jugendministerin Lisa Paus und ihrem Staatssekretär Sven Lehmann („Queer“-Beauftragter der Bundesregierung) geklüngelt statt mit den eigenen Leuten. Eine partei- und fraktionsinterne Klatsche also für Buschmann. Noch am 8. November jedenfalls sollte die Verschiebung der Anhörung der Experten den beteiligten Verbänden mitgeteilt werden. Das Vorhaben, das SBGG im Jahr 2023 durch alle Lesungen im Bundestag bis zum Beschluss zu bringen, sei laut Koalitionskreisen aber nach wie vor das Ziel. Geplant ist dann ein Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. November 2024. Wenn das keine Dynamik ist!

Aber es ist gut so, wenn der Gesetzentwurf auf Eis liegt. Vielleicht gibt es doch noch ein Einsehen, dass dieser Entwurf Schrott ist.

Worum geht es?

Das SBGG soll das seit 1980 existierende Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen. Trans- und intergeschlechtlichen Menschen soll die Änderung von Namen und Geschlechtseintrag erleichtert werden. Statt wie bisher zwei psychiatrischer Gutachten sowie einem Gerichtsbeschluss soll mit dem SBGG nur noch eine einfache Erklärung beim Standesamt notwendig sein.

73 Seiten umfasst der SBGG-Entwurf laut Kabinettsbeschluss vom 23. August 2023. Es sind dies zwar nur insgesamt 15 Paragraphen. Letztere machen im Entwurf nur sechseinhalb Seiten aus. Hinzukommt die Darstellung der Auswirkungen auf andere Gesetze, als da sind: Passgesetz, Bundesmeldegesetz, Personenstandsgesetz, Personenstandsverordnung, Rechtspflegegesetz, Bundeszentralregistergesetz, Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Gerichts- und Notarkostengesetz, Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Hinzukommen ferner weitschweifige Erklärungen.

Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen nur die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben können. Minderjährige ab 14 Jahren sollen die notwendige Erklärung selbst abgeben dürfen; die Erklärung bedarf der Zustimmung der Sorgerechtsberechtigten. Stimmen die Sorgerechtsberechtigten nicht zu, kann diese Zustimmung vom Familiengericht ersetzt werden; dies allerdings nur dann, wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Auf Grundlage des Gesetzes kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn jemand die Änderung des Geschlechtseintrags von transgeschlechtlichen, nichtbinären oder intergeschlechtlichen Personen gegen deren Willen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt („dead naming“; sogenanntes Offenbarungsverbot). Eine Bußgelddrohung von 10.000 Euro sei angesichts der Tatbestandsvoraussetzung der absichtlichen Schädigung der betroffenen Person angemessen (Zusammenfassung hier).

Das „Saunaproblem“, das heißt: die Frage, ob Transfrauen, also vormalige oder biologisch immer noch Männer, in die Frauensauna gehen dürfen, wird auf die Ebene vor Ort verlagert. Der Saunabetreiber soll das entscheiden dürfen. Wie es im Wettkampfsport mit Transfrauen weitergehen soll, ist auch offen. Selbst die Bedenken des Bundeskriminalamtes (BKA), dass straffällige Personen mit dem SBGG einfach ihren Namen ändern könnten, um einer Strafverfolgung zu entgehen, wurden vom Tisch gewischt. Denn voraussichtlich sollen zuständige Standesämter die Daten bei den Anträgen an die Meldebehörden, also auch die Strafverfolgungsbehörden, weitergeben. Diese schauen dann, ob gegen die Person bereits ein Verfahren oder eine Fahndung läuft. Ist das nicht der Fall, sollen die Daten direkt wieder gelöscht und nicht gespeichert werden. Falls es doch der Fall ist, wissen die Sicherheitsbehörden, dass die Person einen neuen Namen angenommen hat, und können das registrieren. Wir sind schon mal gespannt, wie die Datenschutzbeauftragten das sehen.

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Kommentare ( 36 )

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Marie2023
1 Jahr her

Bei der Diskussion um das Selbstbestimmungsgesetz ist es wichtig, einen klaren Blick auf die Dinge zu bewahren und sich nicht von den Nebelkerzen ablenken zu lassen. Das Transsexuellengesetz (TSG) von 1981, welches ersetzt werden soll, ist ein Relikt einer vergangenen Ära und steht im krassen Widerspruch zu modernen Menschenrechtsstandards. Die Notwendigkeit seiner Reform steht außer Frage. Die Argumentation, es gäbe dringendere Probleme, verkennt die Bedeutung der Menschenrechte der Betroffenen. Menschenrechte sind universell und unteilbar. Sie zu respektieren und zu schützen, ist keine Frage der Bequemlichkeit oder des Zeitpunkts. Es ist eine grundlegende Verpflichtung eines jeden Staates. Die Tatsache, dass das… Mehr

Der-Michel
1 Jahr her

Und wie schaut es mit § 183, StGB aus? Strafgesetzbuch (StGB)§ 183 Exhibitionistische Handlungen(1) Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.(3) Das Gericht kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auch dann zur Bewährung aussetzen, wenn zu erwarten ist, daß der Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung keine exhibitionistischen Handlungen mehr vornehmen wird.(4) Absatz 3 gilt auch, wenn ein… Mehr

Bricco del Bricco
1 Jahr her

Jeder Tag, an dem diese drei Parteien weiterregieren, ist ein guter Tag für Deutschland; denn es bedeutet, dass sie nach der nächsten (hoffentlich vorgezogenen) Wahl nicht sobald nicht wieder an der Macht sein werden

Leopold Schmidt
1 Jahr her

Sorgfalt in der Sprache ist Ausdruck von Sorgfalt im Denken. Es gibt in Deutschland keine Flüchtlinge. Niemand, der über eine Landgrenze zu uns kommt (also: praktisch alle), ist ein Flüchtling, denn er kommt aus einem sicheren Land, flieht also vor nichts und niemand. Diese Menschen sind auch keine Migranten. Sie ziehen nicht herum, sie haben ihr Ziel erreicht. Sie wandern ein. Sie sind Einwanderer. Ich rege an, daß TE – das ich als kritisches und unabhängiges Medium schätze – hier künftig klarer denkt und sorgfältiger und einheitlicher formuliert. Und nun zum Selbstbestimmungsgesetz: Wer an sich herabblickt, dort einen Penis und… Mehr

HansKarl70
1 Jahr her

Reale Probleme sind ja schwierig. Da lässt man besser die Finger von.

bkkopp
1 Jahr her

Es wäre sicher interessant zu ergründen wie es Lehmann/Paus gelungen ist, dem katholisch sozialisierten Rechtsanwalt und Jungpolitiker aus Gelsenkrichen, der sonst bestimmt nicht der Dümmste ist, einer identitäsideologischen Gehirnwäsche zu unterziehen. Anders kann man sich seine Arbeit am SBGG nicht erklären. Wenn das Gesetz auf Minus 273 Grad Celsius abgekühlt würde, dann bräuchten wir über den Unsinn nicht mehr reden.

Transformation
1 Jahr her

Wenn das so weitergeht mit den Massen an Muslimen, bzw. zurzeit ja Islamisten, die hier alles überrennen, was politisch gewollt ist, kann man die ganze bisherige Planung, wie die Transformation ablaufen soll, abschreiben. Nicht ein einziger Bestandteil aus diesen Plänen wird von Migranten akzeptiert, auch Impfungen nicht. Die Juden hier müssen alle zurück nach Israel flüchten (wie auch aus anderen europäischen Ländern, und sogar aus den USA), da durch die Horden an Judenfeindlichen Migranten, hier keiner mehr in Sicherheit leben kann. Israel ist bereits jetzt schon übervölkert, deshalb schaffen sie gerade Platz im Gaza-Streifen, den werden sie komplett von Arabern… Mehr

Johann P.
1 Jahr her

Ganz genauso muß es weitergehen, bis wirklich nichts mehr geht und der Karren derart im Dreck steckt, daß es keinen Ausweg mehr gibt. Dann löst sich diese desaströse Dilettanten-Regierung hoffentlich von selbst in Luft auf und verschwindet. Also, noch etwas durchhalten, wir sind auf dem „richtigen“ Weg…

Audix
1 Jahr her

„Hunderttausende Wohnungen müssten gebaut werden, werden aber nicht gebaut.“ Gut so. Schiebt lieber ab, dann braucht sie keiner.

Rolfo
1 Jahr her

Sollte dieses Gesetz — Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) — beschlossen werden, sehe ich definitiv das Ende der Fahnenstange erreicht. Die in allen Bereichen sichtbare Abwirtschaftung hat dann ihren Höhepunkt gefunden in der jährlichen Selbstzuschreibung des Geschlechts bei gleichzeitiger Strafandrohung für alle Zweifler und Andersmeiner.
Der Staat ist gekippt wie ein gärender stinkender See.

Contra Merkl
1 Jahr her
Antworten an  Rolfo

Es ist eher ein Güllesilo einer Biogasanlage oben am Berg geplatzt und in den schon gärenden stinkenden See geflossen. Katastrophe kann man nur noch sagen.