Hope springs eternal

Nichts und niemand ist alternativlos – das Denken in absoluten Wahrheiten ist typisch für religiöse Dogmen und die damit verbundenen, erstarrten Gedankenstrukturen.
Der aufgeklärte Mensch dagegen, erkennt die unendlichen Möglichkeiten des Lebens und ergreift sie. Die Zukunft ist noch nicht geschrieben, sie liegt in unserer Hand.
Wir schaffen das – nur anders. :D

Am Anfang eines neuen Jahres erwartet man ja von “Börsenexperten”, dass sie irgendwelche Prognosen zum DAX-Stand am Ende des Jahres abgeben. Was ich von dieser „Prognosiritis“ halte, habe ich hier bei Tichy zum Beispiel in Das Ende ist nah! deutlich gemacht.

Nein, in dem Sinne bin ich kein „Börsenexperte“, ich kann Ihnen nicht sagen, wo der DAX am Jahresende 2017 steht und schaue mit einem Schmunzeln auf die, die sich nicht entblöden, es trotzdem zu versuchen.

Die Klügeren unter den Prognostikern sagen dann für 2017, dass es ein „volatiles Jahr“ würde. Sehr geschickt, die Verwendung des Fachwortes „volatil“ schützt Kompetenz vor, dabei ist dieses eine Nullaussage, denn volatil heißt nichts Anderes als „bewegt“ oder „voller Veränderungen“ und natürlich wird das ein „volatiles Jahr“ – wie überraschend. 😉

Denn jedes Börsenjahr hat seine volatilen Phasen und eines wie 2017, mit solch massiven Veränderungen und absehbaren Krisen in der Welt, als „volatil“ zu bezeichnen, ist ungefähr so aussagekräftig, wie wenn man jemandem der mit einer lebensbedrohenden Krankheit kämpft, ein „herausforderndes Jahr“ prophezeit.

„Nicht hilfreich“ ist das, um mich der Sprache von Angela Merkel zu bedienen. 😉

Hope springs eternal – die Hoffnung stirbt nie. Und das ist gut so.

Ich möchte deshalb ganz „börsen-experten-untypisch“, zum Jahresanfang 2017 in eine andere dunkle Zeit zurückgehen. In den Beginn der Aufklärung im auslaufenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert, in dem ein moralphilosophischer Optimismus Europa ergriff, der Europa dann sehr weit gebracht und in die Neuzeit katapultiert hat.

Ein Optimismus und ein Glaube an Fortschritt und die Kraft der menschlichen Erkenntnisfähigkeit, der uns auch heute wieder gut zu Gesicht stehen würde, in einer Zeit, in der wir durch die Globalisierung und die weltweiten Kommunikationsnetze, ganze Weltregionen – unter Umgehung jeder Aufklärung – sozusagen direkt vom „Zelt des Ziegenhirten“ in die komplexe Neuzeit zerren und dabei Gefahr laufen, selber wieder hinab in dunkle Zeiten des Aberglaubens und der religiösen Dogmen gezerrt zu werden.

Ein herausragender literarischer Markstein, der damals große Wirkung entfaltete, war dabei das geistreiche und mit philosophischem Hintersinn versehene Lehrgedicht „über den Menschen“ von Alexander Pope (1688–1744) „An Essay on Man“.

Hope springs eternal in the human breast;
Man never is, but always to be blessed:
The soul, uneasy and confined from home,
Rests and expatiates in a life to come.

Hope springs eternal – die Hoffnung stirbt nie. Und das ist gut so.

Kultur ist nicht beliebig – Kultur zählt!

Denn wenn wir derzeit in die Nachrichten schauen und uns hier auf Tichys Einblick umschauen, dann kann man ja ganz depressiv werden. Die Welt ist scheinbar dunkel und düster und wir steuern auf unseren eigenen Untergang zu. Ist das wirklich so?

Keine Sorge, ich bin der Letzte, der die ganzen strukturellen Probleme nicht sieht, denen unsere Gesellschaft unterliegt. Ich bin der Letzte, der sich nicht darum sorgt, das wir uns als moderne Zivilisation selber abschaffen, auch weil eine ideologisierte Minderheit, in ihrem langen Marsch durch die Institutionen, nun an den Hebeln der Macht in Politik und Medien angekommen ist.

Eine gesellschaftliche Minderheit, bei der ich manchmal den fatalen Eindruck habe, als ob diese bereit wäre, die Kulturgeschichte hunderter Jahre – eben seit den Anfängen der Aufklärung – auf dem Altar einer kulturellen Beliebigkeit zu opfern.

Nein, tut mir leid. Jeder Mensch ist zwar gleich viel Wert und hat die gleichen Rechte – der „Ziegenhirte“ als Metapher des archaisch denkenden Analphabeten ebenso wie der “Raketenwissenschaftler´“. Das stimmt und das ist ein eherner Grundsatz, dem wir uns alle verpflichtet fühlen sollten.

Aber das, woran diese prinzipiell gleichberechtigten Menschen glauben und wie sie sich verhalten, das ist keineswegs alles gleich viel wert. Es gibt eben archaische, in Stammesdenken verharrende Kulturen und die sind nicht gleich viel Wert, wie das Ergebnis von Hunderten von Jahren der Aufklärung. Letzteres ist es wert, verteidigt und ausgebaut zu werden, Ersteres gehört ins kulturhistorische Museum.

Und es gab und gibt herausragende Literaten wie Alexander Pope und herausragende Wissenschaftler wie Newton, die der Menschheit weit mehr gegeben haben und geben und deren Tun weit mehr wert ist, als das uniforme Nachbeten fester Litaneien.

Welche Gene und welche Hautfarbe die Menschen haben, ist völlig egal. Was sie denken, woran sie glauben und wonach sie streben, aber gerade nicht. Kultur zählt!
Denn genau die macht den Unterschied zwischen einer humanistischen Welt des 24. Jahrhunderts, in der die Menschheit offenen Geistes wie in Roddenberrys Star Trek danach strebt, sich selbst zu verbessern und jedem seine Chance zu gewähren und einer Welt des 14. Jahrhunderts, die von Dogmen geprägt im Stillstand verharrt, um einer kleinen Kaste ihre Machtprivilegien zu erhalten.

Mit dem Optimismus und dem Bewusstsein der eigenen Kraft, fängt alles an.

Wenn wir nur wieder anfangen könnten, die Bedeutung unserer Kultur zu würdigen, wenn wir wieder bereit wären, den Irrweg der kulturellen Beliebigkeit zu beerdigen und der Tyrannei der neuen Begrenztheitsideologie zu entkommen, die stark religiöse Züge trägt, dann würde sich unsere Welt schnell wieder wandeln.

Denn das, was wir nun in der Gegenwart beklagen, ist keineswegs unumkehrbar und alternativlos. Es gibt immer Alternativen und wir haben durchaus die Kraft, diese Realität werden zu lassen.

Letztlich hängt es doch überwiegend an Personen, denn die machen den Unterschied. Auch wenn beispielsweise die CDU eine Merkel wieder mit fast 90% bestätigt hat, sieht doch jeder Blinde mit Krückstock, dass das nur mit größten Bauchschmerzen geschehen ist. Die CDU ist und bleibt eben ein „Kanzlerwahlverein“ und hat keine Tradition darin, gegen die eigene Führung aufzustehen, selbst wenn eine Mehrheit darin vielleicht still und heimlich wünscht, dass es bitte der Nachbar doch tun möge.

Offensichtlich ist aber auch in der CDU die ganz große Sehnsucht nach jemandem wie Helmut Schmidt an der Spitze, woran man auch sieht, dass es hier nicht um das Parteibuch, sondern um ganz grundlegende, soziokulturelle Überzeugungen geht.

Gäbe es heute innerhalb der CDU, oder als Kanzleralternative bei der SPD, eine herausgehobene Person von der persönlichen Integrität und zupackenden Tatkraft eines Schmidt, die von einer robusten Verantwortungsethik geprägt wäre und weiß, dass beim Hobeln auch mal Späne fallen, wäre Merkel vermutlich schon Geschichte, weil beim Parteitag dem Konkurrenten unterlegen, oder würde in Kürze nach der Wahl Geschichte sein. Und unsere Welt wäre schnell eine andere. Denn viele der begangenen Fehler der letzten Jahre wären immer noch umkehrbar, wenn man nur wollte und das mit Konsequenz verfolgen würde.

Nur eine Person macht eben manchmal den Unterschied, sie muss aber auch den Mumm in den Knochen haben, den Hut mal in den Ring zu werfen. Man kann über Gerhard Schröder denken was man will, der hat in jungen Jahren aber wenigstens mal an den Gitterstäben des Kanzleramtes in Bonn gerüttelt und „ich will da rein“ gerufen. Die Union könnte ein paar Schröders nun gut gebrauchen und vieles wäre anders.

Mit dem Bewusstsein der eigenen Kraft, fängt eben alles an.

Die Kräfte der Aufklärung – Erkenne die unendlichen Möglichkeiten!

Die Dinge sind also lange nicht so unvermeidlich wie sie scheinen, der Wechsel einer Person, kann schon einen großen Unterschied machen. Und die Kräfte der Aufklärung, beginnen gerade erst wieder langsam zu erwachen und zu erkennen, dass das Ende der Geschichte viel zu früh und höchst naiv ausgerufen wurde.

Es gibt also Raum für Hoffnung, denn in der Krise liegt schon wieder der Wandel und die Chance auf den Neuanfang begründet – Optimisten und echte „Börsenexperten“ wissen das.

Die Menschen der Aufklärung haben auch gekämpft, gekämpft gegen feudalistische Strukturen, gegen kirchliche Dogmen und auch gegen eine fatalistische Grundhaltung, nach der ein allmächtiger Gott für alles verantwortlich sei und man erst im „nächsten Leben“ seinen Lohn erhält. Denn diese Endlichkeit und Begrenztheit der Gedanken schafft erst den Raum, um die Massen zu beherrschen.
Der aufgeklärte Mensch dagegen erkennt die unendlichen Möglichkeiten des Lebens und ergreift sie. Die Zukunft ist eben noch nicht geschrieben, sie liegt in unserer Hand.

Die Filterblase der Katastrophen-Nachrichten

Und genau das ist das Schöne an der Börse. Denn die wird von Erwartungen getrieben und Chancen gibt es immer. Mit Pessimismus und Gejammer lässt sich da kein Blumentopf gewinnen.

Und „die Börse“ ist auch nichts Abstraktes; die sich manifestierenden Kurse sind das Ergebnis eines Erkenntnisprozesses der versammelten Intelligenz aller Marktteilnehmer. Und diese Markteilnehmer gehören eben im Schnitt zu den Weltoffeneren und Gebildeteren dieses Planeten. „Glatzen“ handeln meist ebenso wenig an der Börse, wie “Ziegenhirten“ oder sonstige Analphabeten.

Ich möchte Sie also motivieren, sich aus der Filterblase der Katastrophen-Nachrichten zu lösen, die derzeit überall auf uns einschlägt – unvermeidlich auch hier bei Tichy. Denn zumindest die Börse feiert aktuell immer noch, aber das sind bestimmt alles nur verblendete Idioten, die da handeln, schon klar. 😉

Denn während wir uns grämen und ärgern und wie im Tunnelblick nur noch die offensichtlichen Probleme wahrnehmen, weil sie uns so medial bombardieren oder vor unseren Augen sichtbar werden, werden auf dieser Welt gleichzeitig weltverbessernde Medikamente erforscht, wird sich das Altern grundlegend ändern, wird Intelligenz neu definiert, bewegen sich Millionen aus Armut in einen bescheidenen Wohlstand, geben Philanthropen wie Bill Gates ihr ganzes Vermögen für eine bessere Welt aus und werden Menschen zum Mars fliegen und erste Mini Sonden, vielleicht noch in unserem Leben den tiefen Graben des interstellaren Raums überbrücken und ein anderes Sonnensystem erreichen. Letzteres übrigens ein kulturhistorisch weit bedeutenderer Schritt als die Landung auf dem Mond oder Mars, weil gleichbedeutend mit dem ersten Schritt eines Kleinkindes aus dem eigenen Vorgarten, hinaus in das weite Universum.

All das entsteht nur durch die Kinder der Aufklärung, ohne diese wären wir weiter in Ritualen gefangen und würden anderen huldigen, statt selber intellektuell und in unseren Fähigkeiten zu wachsen. Und all das passiert auch in Unternehmen, von denen einige an der Börse sind.

Und genau damit befasst sich die Börse auch, sie bewertet deren Zukunftschancen.

Und wir alle können jeden Tag dabei sein, bei dieser spannenden Reise. Auch das ist die Gegenwart, nicht nur verblendete Attentäter und überforderte Politiker.

Diese Zukunft hat zwar auch Risiken, ist aber auch voller Chancen. Und man kann durchaus beides tun, die Risiken ernst nehmen und dagegen ankämpfen, aber auch die Chancen erkennen und ergreifen. Im Grunde genommen ist dieser Dualismus, das Zeichen eines gesunden, wachen Geistes.

Das Schicksal liebt Wendungen

Insofern ja, 2017 wird „volatil“. Das ist ebenso sinnentleert wie wahr. 😉

2017 wird also wieder ein Börsenjahr werden, in dem einzelne Aktien sich vervielfachen, weil diese an Produkten forschen, die große Bedeutung für die Menschheit oder herausragende wirtschaftliche Effekte haben. Und andere werden Pleite gehen, weil sich ihr Geschäftsmodell im schöpferischen Zerstörungsprozess der Wirtschaft in Luft auflöst. Und das ist gut so, ohne Zerstörung kein produktiver Neuanfang.

Auf die Befindlichkeiten ideologisierter Politiker nimmt die Börse dabei herzlich wenig Rücksicht, solange diese nicht via Twitter die Wirklichkeit direkt verändern können – auch diese rationale Gnadenlosigkeit der Märkte ist etwas Schönes in „postfaktischen“ Zeiten wie diesen.

2017 wird auch wieder ein Börsenjahr werden, in dem die Dinge eine plötzliche Wendung nehmen, weil Frankreich nach der Wahl, vielleicht „überraschend“ vom kranken Mann, zum Treiber eines neuen, gesunden Europas wird, das sich auf seine kulturellen Wurzeln und Identitäten besinnt und die Vielfalt der Regionen und Nationalitäten als Quell der Stärke und nicht als weg zu regulierende Abweichung von der EU-Norm begreift.

Oder weil in der anderen Alternative, der Euro am Ende ist und die großen Verwerfungen in Gang kommen, die schon so lange unter der Oberfläche schwären und nur vom immer frischen Schnee der Notenbankpolitik mühsam zugedeckt wurden.

Dass Merkel aktuell so „alternativlos“ erscheint und ihre nächste Kanzlerschaft scheinbar nur eine Formalie ist, ist daher doch eine interessante Ausgangslage.

Denn Börsianer wissen genau, dass das Schicksal nichts so sehr beliebt, als uns zu überraschen.

Wir schaffen das – nur anders …

Und nichts und niemand ist alternativlos – das Denken in absoluten Wahrheiten ist typisch für religiöse Dogmen und die damit verbundenen, erstarrten Gedankenstrukturen.

Selbst Newtons Physik hat sich am Ende nicht als „alternativlos“ herausgestellt und die Geschichte vermeintlich „absoluter Wahrheiten“, die von aufgeklärtem Denken von ihrem ideologischen Sockel gestoßen wurden, ist fast unendlich lang und das ist gut so.

Solange wir atmen, haben wir immer eine Wahl. Gute, zupackende Politik weiß das und nutzt das zum Wohle der Menschen, für die sie Verantwortung trägt. Leider hatten wir genau davon, in den letzten Jahren viel zu wenig.

Wer nach vorne schauen kann, die Überraschungen des Schicksals als Chancen begreift und sich schnell auf sie einstellen kann, der wird an der Börse glücklich und ist unter Gleichgesinnten. Der hat auch, wie wir bei Mr-Market, die Rally als Folge des Sieges von Trump noch in der Wahlnacht erkannt und seitdem viel Spass mit den Depots gehabt.

Und wer das nicht konnte, der sollte den Finger des Oberlehrers ernst nehmen oder sich besser von der Börse fernhalten.

Die Börse ist nichts für Pessimisten oder Ideologen. Erfolg an der Börse wird wie ein erfülltes Leben nur denen gewährt, die auch danach streben und die gegebenen Chancen ergreifen. Es gibt eben nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner). Die Börse ist einfach nur der Ort, an dem die Zukunftserwartung mit einer ökonomischen Bewertung versehen wird.

Und 2017 ist auch nichts für Verzagte, das ist schon jetzt sicher. Es ist das Jahr für die, die ihr Gewicht in die Waagschale werfen wollen, um für unsere Kinder eine bessere Welt schaffen.

Wie also wird 2017? Volatil 😉

Halten Sie die Ohren steif! Und geben Sie dem Zukunfts-Optimismus der Aufklärung eine Chance.

Wir lassen die Dogmatiker hinter uns. Wir schaffen das – nur anders. 😀

Ihr Hari

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