Maischberger: Eine Sendung der Widersprüche

Bei Maischberger haben manche Protagonisten öffentliche Zweifel an der Migrationspolitik. Vor einigen Wochen wäre das nicht vorstellbar gewesen, es hat sich etwas geändert. Doch es gibt auch Anzeichen für ein Zurückfallen in alte Gewohnheiten. Und: Ein Interview mit Bernie Sanders ist wenig überraschend.

Screenprint ARD
Bernie Sanders bei Maischberger

Sandra Maischberger am Dienstagabend ist eine Sendung, die sich zwischen Satire oder Ernst nicht entscheiden kann. Die Hälfte der Sendung steht unter der bittersten Überschrift dieser Tage: Israel. Ein Überlebender des mörderischen Hamas-Terrors erzählt vom Horror des Tages – und Bernie Sanders, der Sozialisten-Opa aus den USA, darf sein Buch promoten, in einem Interview, das satirisch anmutet. 

Aber der Reihe nach. Wie immer ist eine Journalistenrunde im Studio, die das aktuelle Geschehen kommentieren soll. Da ist Marcel Reif, Sohn eines Holocaust-Überlebenden, dem die Geschehnisse in Israel sichtlich zu schaffen machen. Im Angesicht des importierten Judenhasses auch auf deutschen Straßen beginnt er die Migrationspolitik Deutschlands zu hinterfragen. Er erzählt, wie er einmal ein großer Freund der offenen Grenzen war, stolz war auf eine Bundesregierung, die jeden und alle aufnahm, und sich nun fragt, ob es nicht falsch war, so viele so unkompliziert ins Land zu lassen. Seine Meinungsänderung ist nachvollziehbar glaubwürdig. 

Markus Feldenkirchen vom Spiegel ist da der Gegenpol. Er wittert eine große Verschwörung. In der jetzigen Situation würden nur diejenigen ihre Meinung sagen, die der Massenmigration schon immer kritisch gegenüber standen. „Einfach mal moderat bleiben“, fordert er, wobei „moderat“ natürlich seinen Standpunkt offener Grenzen beschreibt. 

Migrationskrise
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Dritte im Bunde ist Iris Sayram, Journalistin im Hauptstadtstudio der ARD. Man hat das Gefühl, dass sie abwartet, wohin sich der Wind dreht: Muss die ARD bald pro oder contra Migration berichten? Aber sie neigt schon in Richtung Feldenkirchen: pro Migration. Man wird das Gefühl nicht los: Nachdem in der Vorwoche erstaunliche Forderungen nach Abschiebungen von linker Seite laut wurden, geht man nun wieder in den vorherigen politischen Betrieb über. 

Auch diskutiert man darüber, was unter „Staatsräson Israel“ zu verstehen ist, ein Begriff den auch Kanzler Olaf Scholz wieder und wieder bemüht. Man kann zu dem Begriff verschiedener Meinung sein, aber es zeigt sich wieder die Feigheit der deutschen Gesellschaft. Alle Anwesenden sprechen gern davon, dass das Existenzrecht Israel „Staatsräson der Bundesrepublik“ wäre. Das bedeutet: Die Bundesrepublik Deutschland garantiert, die Existenz und das Wohlergehen Israels zu sichern. Eine große Aufgabe, die man da beschwört.

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Aber keiner will wirklich für Israel einstehen. Die Frage, ob man auch deutsche Truppen in den Krieg in Gaza schicken würde, wird umgangen. Stattdessen überlegt man, wie man anders helfen kann: mit Wiederaufbau oder Ähnlichem. Die Deutschen, Schönwetterfreunde. Wenn man sie nicht braucht, erheben sie die Existenz eines Staates zur Staatsräson. Und wenn dieses Versprechen dann in die Gefahr kommt, eingelöst zu werden, besinnt man sich auf andere Prinzipien, die die schmerzhafte Durchsetzung der Saatsraison unmöglich machen.

Bevor die Diskussion von der Journalistenrunde an die Diskussionsrunde übergeht, wurde Ralph Lewinsohn interviewt: Er überlebte den Angriff der Hamas auf seinen Kibbuz im Schutzraum. Es ist ein Bericht, der Schauer aufkommen lässt. Wie die Tochter 24 Stunden Schutzraum unter dem Bett aushielt, bevor der Kibbuz befreit wurde. Wie die Evakuierung über die Leichen von Hamas-Terroristen, israelischen Soldaten und Terror-Opfern hinweg ablief.

In der Diskussionsrunde saßen Carlo Masala, der liebste Militärexperte des ÖRR, und Gil Yaron, Nahostkorrespondent der Welt. Wer seit Wiederaufflammen des Ukraine-Krieges eine Talkshow angeschaut hat, kennt Masala. Yaron ist ein neuerer Gast: Letzte Woche war er noch aus Tel Aviv per Video zugeschaltet. Nun sitzt er selber im Studio, denn seine Familie und er sind nach Deutschland gekommen. Der Sohn soll in Sicherheit aufwachsen, zumindest nicht im Hagel der Hamas-Granaten. 

Yaron vermag es, die tiefe Verletzung der Israelis zu vermitteln. Der Angriff der Hamas ist nicht nur ein Terroranschlag, wie es sie in Israel mit trauriger Regelmäßigkeit gibt. Dieser Tag ist auch das größte Massaker an Juden seit Befreiung der letzten Konzentrationslager. 

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Aber eine Lösung können auch die beiden nicht präsentieren. Masala will in den israelischen Willensbekundungen, die Hamas „zerstören“ zu wollen, eine Eingrenzung der Ziele „so gut wie erkennen“. Gil Yaron formuliert einen interessanten Gedanken: 

„Eine jüdische Gemeinschaft in einem Land ist wie ein Wellensittich im Kohlenflöz. … Und wenn die Juden sich in diesem Land nicht mehr wohlfühlen, dann sagt das sehr viel über die Demokratie in diesem Land.“ Es ist die späte Erkenntnis einer Entwicklung, vor der schon seit vielen Jahren gewarnt wird. Dass die unbegrenzte und unkontrollierte Einwanderung das Land verändern wird – und nicht zum Guten.

Zuletzt ist auch Bernie Sanders in der Sendung vertreten. Irgendjemand in Maischbergers Redaktion muss ein Kontakt in den USA sein für Leute, die ihre Produkte verkaufen wollen. Davor war schon Harrison Ford mal da. Sanders will sein neues Buch vorstellen: „Es ist ok, wütend auf den Kapitalismus zu sein“. Das ist ungewollt komisch: Bernie Sanders, der erklärte Sozialist, greift in die ideologische Mottenkiste und erzählt immer wieder von der „Arbeiterschaft“. Mehr Steuern will er, natürlich nur für Leute, die mehr haben als er. Sanders selbst ist in den vierzig Jahren, die er nun Politik macht, zum Multimillionär geworden. Biden, Sleepy Joe, ist er überzeugt, wird Trump in den nächsten Präsidentschaftswahlen wieder schlagen. Wurde schon erwähnt, dass er mehr Geld ausgeben will?

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Kommentare ( 25 )

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25 Comments
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Grumpler
1 Jahr her

Irgendjemand in Maischbergers Redaktion muss ein Kontakt in den USA sein für Leute, die ihre Produkte verkaufen wollen.

Vielleicht jemand aus dem „Wetten dass…“-Team? Wahrscheinlicher ist aber, daß Bernie eine Promotionsagentur hat. Er war ja auch zu Gast bei „Jung und naiv“ und hat einen Vortrag bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung gehalten.
ARD und Werbung nach der Primetime? Hm…

Last edited 1 Jahr her by Grumpler
ramseshelge
1 Jahr her

Das Elend mit der Flutung der BRD mit den Migranten aus Afrika und dem arabischen Raum begann unter Merkel nach dem geheimen Treffen derselben mit dem Herrn Obama aus Amerika im Hinterzimmer von Schloß Elmau. Den Amerikanern war die Leistungsfähigkeit und der Exportüberschuß der BRD schon längst ein großes Übel. Bei dieser Hinterzimmerkungelei wird wohl die Zerstörung der BRD beschlossen worden sein als späte Umsetzung des Morgenthau-Planes. Merkel ist abgetreten und hat in Scholz und dessen Claqueren würdige Nachfolger. Dieses Land hier ist nicht mehr zu retten. Und wenn versucht wird, das ,,Ruder“ noch herum zu reißen, wird es nichts… Mehr

doli
1 Jahr her

Wieder was gelernt.
Mehr als 50 Prozent Steuer und Abgabequtoe ist also Kapitalismus

Roland Mueller
1 Jahr her

Unter Staatsraison sollte man immer verstehen, dass diese im Zweifelsfall nichts mit Moral am Hut hat.

Ali Mente
1 Jahr her

Bereits jetzt beginnt Herr Reif die deutsche Migrationspolitik zu hinterfragen!!. Zu den Blitzmerkern scheint er ja nicht gerade zu gehöre. Unzählige Stimmen haben eine solche Entwicklung schon vor 2015 vorhergesagt. Nach Merkels folgenschwerster Fehlentscheidung, 2015 Deutschland widerstandslos dem Orient preiszugeben, mit der dann auch umgehend die hemmungslose Migratengewalt in Deutschland durchbrach die zu den Gewaltexzessen zu Silvester 2015 führte und direkt zweigte, dass organisierte Massenaufstände schnell möglich waren. Wer danach noch an der Seite von Merkel und den Grünen die Migrationswelle feierte, der muss sich heute (nach fast 8 Jahren) nicht beschweren. Könnte mir auch vorstellen, dass er bis vor… Mehr

ssasse
1 Jahr her

Nichts anderes war zu erwarten. Absetzbewegungen nach wenigen Tagen. Besonders gut war das Ventil „Protest der Palästinenser“, das man ihnen doch einräumen müsse. Das ist deutsche Staatsräson oder doch lieber die Verhandlungslösung für jeden Tag.
Erbärmlich. Wir werden weiterhin mit Gold geflutet werden…

Kassandra
1 Jahr her

Immer schön weiter in Wolkenkuckucksheim verharren und nichts benennen, das das eigene Ideal infrage stellen könnte – oder? Auch Isabel Schayani wundert sich am 17.10.2023 so: „Viele Menschen aus arab. Ländern, wie zB #Syrien, haben in der Schule gelernt, dass #Israel der große Feind ist. Hier in D ist die Sicherheit Israels #Staatsraison. Wie passt das in einen Kopf? Wie kriegt man das zusammen?“ https://twitter.com/isabelschayani/status/1714233877756059731 Die Frau vom wdr steht seit langem an Seite der Bewegung der Frauen ohne Schleier im Iran, weiß, wie diese von „arabischen Moslemmenschen“ (hier ist sie auch noch ungenau, verallgemeinert gar) verfolgt werden und wundert sich… Mehr

fatherted
1 Jahr her

Es ist, wie ich schon letzte Woche angedacht habe, so gekommen wie es kommen musste. Der Wind dreht sich im ÖRR und der Polit-Blase-Berlin. Die erste Empörung über enthauptete Kleinkinder und niedergemetzelte Menschen hat sich gelegt. Israels Gegenschläge werden heftiger…..im TV eigentlich nur noch leidende Palästinenser. Dazu dann….im Gegensatz zur letzten Woche….die Aussage „wir stehen natürlich zu Israel…..ABER…“….das „aber“ war vorhersehbar. In der Lanz Sendung auf dem anderen ÖRR Kanal ging es noch offensichtlicher zur Sache. Lanz kriegte sich bei jeder Bemerkung „Israel muss doch aber reagieren“ gar nicht mehr ein…..“das Leiden der Palästinenser….“ so der Tenor. Ich schätze mal… Mehr

Nibelung
1 Jahr her

Die Saat des Hasse wurde nicht allein von den Palästinensern gelegt, daß war eine verfehlte Politik, wo viele Protagonisten daran beteiligt waren und das wird nun bis zur Stunde nur sehr einseitig erklärt und behandelt und wo bleibt denn eine Gegenstimme aus dem anderen Lager, was auch dazu gehört, wenn man von Ausgewogenheit bei den Öffentlichen sprechen will. Dazu kann man nur sagen, Geld diktiert die Welt und der deutsche Journalismus scheint davon besonders angetan zu sein und die Einseitigkeit ist doch nicht zu übersehen und so wie die Mandatsmächte 1948 falsch gehandelt haben mit den laufenden negativen Auswirkungen, wird… Mehr

Spyderco
1 Jahr her

Bernie Sanders bei Maischberger.
Was kommt als Nächstes ?
Eine Lesung aus Karl Marx ,,Das Kapital“?