Illner auf der Suche nach dem Migrations-Gamechanger

Bei Maybrit Illner stehen die Grünen von allen Seiten unter Beschuss. Die CDU, die mit Angela Merkel hauptverantwortlich für die deutsche Migrationspolitik war, findet sich in der Opposition wieder. Doch selbst dort ist sie unfähig, politisch zu punkten.

Screenprint: ZDF / Maybritt Illner

Wir haben zu viele Migranten. Das sage nicht ich, so wird Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn der letzten Illner-Sendung zitiert. Es ist wieder 2015 und das Thema Asylpolitik wird wieder durch die Talkshows getrieben. „Abschreckung statt Aufnahme – ändert Deutschland die Asylpolitik?“ lautete der Titel. Zu Gast bei Maybrit Illner an diesem schönen Oktoberabend sind: der Parteivorsitzende der Grünen Omid Nouripour, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU Bundestagsfraktion Thorsten Frei, der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD), der Migrationsforscher Gerald Knaus, der Professor für Soziologie und Migrationsforschung Ruud Koopmans und die Focus-Chefreporterin Anja Maier.

Schon anerkennenswert, dass das Illner-Team es geschafft hat, zwei Migrationsexperten für die Sendung zu gewinnen, dafür, dass man sich doch absolut gar nicht vorstellen kann, was die den ganzen Tag machen. Haben die sich ein Schlauchboot genommen und die Fahrt übers Mittelmeer protokolliert? Oder Schlepper nach der besten Route durch die Wüste befragt?

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Ich kann mich im Einzelnen nicht sonderlich gut an die Debatte 2015 erinnern, zum größten Teil, weil ich damals 14 Jahre alt war. Unsere Lehrer trichterten uns damals ein, wie sicher Deutschland doch trotz der Einzelfälle sei. Gleichzeitig gab es plötzlich pinke Pfefferspray-Schlüsselanhänger zu kaufen und als ich im Sommer in kurzen Hosen über die Straße lief, spuckte mir ein sichtlich empörter Mann hinterher.

Nun hat sich der Ton in der Debatte gewandelt. Wir sprechen zwar nach wie vor über die gleichen Aspekte – was beweist, dass Merkels „Wir schaffen das“-Kurs nichts gelöst, sondern das Problem lediglich aufgeschoben hat. Aber während es früher fast ausschließlich darum ging, dass wir ja „Menschen geschenkt“ bekommen, die „wertvoller als Gold“ sind und wie gut das dem demographischen Wandel entgegenwirken kann, haben die emotionalen Phrasen spürbar abgenommen. Vielmehr wird von einem „Gamechanger“ gesprochen. Diesen Gamechanger, der alles richten und ändern soll, muss man zwar erst noch finden. Wirkliche Vorschläge gibt es nicht. Aber wenigstens steht das Wort im Raum. Es klingt nach einem Neuanfang, was für so ein altes Thema doch sehr passend ist.

Tatsächlich stach Nouripour mit seinem Ton lediglich hervor. Auch er ist ein Opfer der Tücken der Politik geworden – sie scheint einem regelrecht die Lebenskraft auszusagen. Nouripour ist nicht vor Ort, sondern zugeschaltet. Die verpixelte Auflösung betont seinen unordentlichen Wochenbart, Augenringe dominieren sein Gesicht, der Ton klingt genervt und gereizt. So unrecht hatte Emilia Fester vielleicht doch nicht, als sie davon quiekte, ihre Jugend zu opfern. Auch die Illner-Sendung könnte dem Grünenchef das eine oder andere graue Haar verschafft haben, aktuell wird die Sonnenblumenpartei zum Bauernopfer der Asylpolitik.

Auch wenn mein Mitleid sich mit den Grünen in Grenzen hält – dieser Umgang ist nicht ganz fair. Immerhin waren sowohl eine SPD-Genosse als auch ein CDU-Mann anwesend. Die beiden Parteien, die 2015 tatsächlich federführend in der Verantwortung standen. Doch Ulf Kämpfer ist als Bürgermeister einer überlaufenen und überforderten Stadt zu Gast und Thorsten Frei als Opposition. Damit bleibt alles an Nouripour hängen.

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Wie gesagt: Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Denn wie man in einem Einspieler richtige hinweist: Dass wir plötzlich Menschen geschenkt bekommen und dass man Migration nicht begrenzen darf, tönte immer aus dem grünen Lager. Jetzt sind die Grünen in der Regierungsverantwortung und nicht mehr ganz so überzeugt. Warum sich alle auf die Grünen einschießen, kann Nouripour nicht nachvollziehen: „Ich weiß nicht, warum es jetzt heißt, die Grünen tun sich schwer, ich weiß nicht, wer sich nicht schwer tut. Ich weiß, dass es Leute gibt, die im Wochentakt irgendwelche Ideen auf den Weg bringen, die nicht funktionieren oder nicht rechtens sind.“ Und weiter: „Wer sich nicht schwertut, der hat das Problem nicht verstanden.“

Nun, aber was ist denn nun das Problem? Klar wird das nicht. Mit dem Ukraine-Krieg wird schon gar nicht mehr richtig klar, über welche Flüchtlinge wir überhaupt sprechen. Nur aus dem Kontext heraus – in dem besonders oft über Schlepper und das Mittelmeer gesprochen wird – ergibt sich dann doch, dass es wieder um die gleiche geografische Richtung geht, wie 2015 schon. Außerdem werden ukrainische Flüchtlinge immer ausdrücklich als solche bezeichnet. Nun haben wir aber immer noch ein Problem: Denn schon 2015 war nicht so wirklich klar, wo die Flüchtlinge herkommen und ob es sich wirklich um Flüchtlinge handelt.

Auch wenn wir einfach annehmen würden, dass es sich nur um Syrier aus Kriegsgebieten handelt, ist das Problem nicht klar, abseits vom Platzproblem. Nouripor erklärt derweil: „Wir reden davon, dass wir alle doch ein Interesse haben sollten, wenn wir ein Herz haben, dass die Leute nicht verrecken im Mittelmeer.“ Dafür müsse man auch schwere Wege gehen, fügt er hinzu. Die Sache ist nur, dass man im aktuellen Klima gar nicht mehr weiß, was er mit diesen schweren Wegen meint. In zu kleine Unterkünfte pferchen? Abschieben? Nicht mehr aus dem Mittelmeer fischen? Doch alle aufnehmen? Seine Partei ist sich da selbst nicht einig, scheint es. Umso höher der Posten, desto mehr tendieren die Grünen zu härteren Asylpolitik. Nur Annalena Baerbock ist kürzlich zurückgerudert, weil sie Ärger von der Basis bekommen hat. Die Basis steht derweil felsenfest zu „Wir haben Platz.“

Bijan Djir-Sarai sagte zum Migrationskurs der Grünen: „Die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln.“ Djir-Sarai ist FDP-Generalsekretär und wie man vielleicht am Namen hört, nicht direkt der typische Nazi-Kandidat. Trotzdem will Nouripour für diese Äußerung viele Entschuldigungsschreiben aus der FDP erhalten haben „von Leuten, die sich geschämt haben“. Das Traurige an der Magenta-FDP ist, dass man das sogar glaubt. Innerhalb der FDP ist man sich selbst der Nächste und den Grünen noch näher. Doch man braucht gar nicht auf der Planlosigkeit der Grünen herumhacken, denn während man erstmal annehmen würde, dass der Ton weniger emotional aufgeladen ist, weil Abschiebung inzwischen nicht mehr mit Mord gleichgesetzt wird, bleibt die Debatte so oberflächlich und nichtssagend, dass sie – im Nachhinein reflektiert – absolut belanglos war.

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Illner zieht Thorsten Frei gegenüber den Parteikollegen Friedrich Merz heran. Sie unterstellt, dass er eine sachliche Debatte mit populistischen Sprüchen verhindere: „Da trifft es den ukrainischen Sozialtouristen und es trifft den kleinen Pascha aus dem arabischen Raum und es traf jetzt den sich Zahnersatz besorgenden Asylbewerber.“ Es ist nicht nur lächerlich, Friedrich Merz als rechten Populisten darzustellen, es ist auch absolut lebensfremd. Man kann Theorien aufstellen, was Illner genau damit bezweckt – aber in erster Linie macht sie Friedrich Merz erst relevant. Keine Aussage des CDU-Chefs war wirklich drastisch, höchstens schlecht formuliert. Und so oft wie Merz gegenüber den Linken in seiner Partei einknickt, kann man diese Bemerkungen auch nicht erstnehmen.

Nur wenn der ÖRR sie von links angreift, kann die Union sich zur konservativen Hoffnung aufbauen. Den einen oder anderen abgewanderten Wähler könnte man so zurückerobern – doch dazu ist die CDU zu blöd. Selbst wenn sie den Wahlkampf vom ZDF auf dem Silbertablett serviert bekommt, schafft es die Union, sich so ungeschickt anzustellen, als hätten sie keinerlei Regierungserfahrung. Und so erklärt Thorsten Frei, dass die Zitate von Merz ja zum Teil wieder zurückgenommen und zum anderen Teil aus dem Kontext gerissen wurden. Die CDU spiegelt Deutschland in der Asylkrise wunderbar wider. Beides ist das Werk von Angela Merkel. Beides wird womöglich nie mehr sein, wie es mal war.

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Kommentare ( 58 )

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Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat 1: „spuckte mir ein sichtlich empörter Mann hinterher.“ > Na, ich hoffe ja wohl, dass Sie diese Nettigkeit damals als Bereicherung empfunden haben 😉 – – – – – – Zitat 2: „Nur Annalena Baerbock ist kürzlich zurückgerudert, weil sie Ärger von der Basis bekommen hat. Die Basis steht derweil felsenfest zu „Wir haben Platz.““ > Jau, „Wir haben Platz“??, ?aber „leider“ nur nicht in unserem (grünenlinkswoken) Wohnumfeld. Ansonsten aber überall. – – – – – – Zitat 3: „Wer sich nicht schwertut, der hat das Problem nicht verstanden.“ > Und diese Worte kommen Nouripour (Grüne) „schon“ im Merkelischen… Mehr

foxthefox
1 Jahr her

Liebe Frau David, ich habe die Sendung gesehen und erlaube mir, ihre Wiedergabe in einigen Punkten zu ergänzen bzw. korrigieren: Nouripur kommt bei Ihnen eher gelangweilt bis beschwichtigend weg. Dabei führte er wiederholt das neue perfide Theorem der Grünen Bremser vor. Das Hauptproblem der Problemlage läge darin, dass die armen Flüchtlinge, Asylbewerber hier nicht arbeiten dürften verursacht durch Verbot der Behörden. EINE GLATTE LÜGE, mit der er so oft am Thema vorbei hausieren ging, dass sogar Illner ihn genervt anging, er solle auf ihre Sachfrage antworten. Das ficht diesen wie dicker Buddha in sich ruhenden Apparatschick natürlich überhaupt nicht an.… Mehr

Dr. Rehmstack
1 Jahr her

Trotzdem will Nouripour für diese Äußerung viele Entschuldigungsschreiben aus der FDP erhalten haben „von Leuten, die sich geschämt haben“. Das Traurige an der Magenta-FDP ist, dass man das sogar glaubt. Innerhalb der FDP ist man sich selbst der Nächste und den Grünen noch näher.“
Das ist das Beste, das ich seit langem über die FDP gelesen habe. Frau David, Sie sind das, was wir früher eine Spottdrossel nannten, wunderbar!

EinBuerger
1 Jahr her

Bei den Wahlen in Bayern und Hessen landet die AfD vermutlich wieder auf einem mäßigen Platz.
In dem Land gibt es nicht mal im Ansatz den Willen zu einer Veränderung.
In Schweden haben Maschinenpistolentote, Handgranaten- und Bombenanschläge die Schwedendemokraten auf Platz 2 gebracht und den ersten zaghaften Versuch einer möglichen Veränderung gebracht.
In der BRD ist keine großartige Veränderung des Wahlverhaltens, besonders im Westen erkennbar.

Kassandra
1 Jahr her

Sowohl aus Griechenland wie aus AlAndalus hat man sie nach vielen vielen Jahren wieder „entfernt“, denn es ist unmöglich, neben ihnen friedlich zu leben – auch, wenn es uns Erzählungen aus Geschichtsbüchern einzureden versuchen. Nach der Reconquista sollen sie in Spanien welchen davon mehrfach angeboten haben, zu bleiben, wenn sie sich denn an geltende Regeln und Gesetze anpassten – hat dort nicht geklappt und wird es auch 100e Jahre später bei uns im Westen nicht. „Trotz äußerlicher Assimilierung hielten sie weiterhin an ihrer religiösen und ethnischen Identität fest – und da es immer wieder zu Übergriffen kam wurde das 1609… Mehr

Ali Mente
1 Jahr her

Spätestens Sonntag um 18:00 verdrängen Ampel und vor allem CDU jegliche kritische Äußerung zur Migration wieder und setzen alles daran noch mehr kulturfremde und oftmals kriminelle Anspruchsteller ins Land zu locken und großzügig zu verwöhnen.

EinBuerger
1 Jahr her
Antworten an  Ali Mente

Vielleicht schreibt dann der eine oder andere Pseudo-Konservative, dass er am Abend nach der Wahl schon seine Entscheidung für CDU oder FDP bereute.

Richard Z
1 Jahr her

Wie können diese Leute das Wort „Rechtsstaat“ überhaupt in den Mund nehmen?
Rechtsstaat heißt für mich als Deutscher in Deutschland, dass so ein kleines bisschen auch meine Rechte und Interessen vetreten werden sollten. Leider ist davon absolut nichts mehr zu erkennen.
Man verarmt uns, schickt uns Leute ins Land die keiner will, zerstört alles wofür uns andere Nationen früher bewundert haben. Sind wir noch jemals zu retten?

uweschettler
1 Jahr her

Ich finde, man sollte schon mal damit anfangen, die ukrainischen „Flüchtlinge“ wieder nach Hause zu schicken. So wie es aussieht, kann man da in 70% des Landes einigermaßen normal leben, was auch Millionen von Ukrainern tun. Also, liebe Ukrainer: Setzt euch in eure Teslas und Porsches und fahrt wieder heim. Da werdet Ihr nämlich gebraucht!

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  uweschettler

Syrer und solche, die sich als „Syrer“ hier einnisteten, wie alle, die aus Nichtkriegsländern kommen, hinterdrein. Denn dort gilt Assads Generalamnestie – und geschossen wird nur noch im Norden des Landes – wenn überhaupt. Insbesondere weg mit solchen aus Eritrea, die vor dem „Wehrdienst“ fliehen – bei uns aber wehrhaft nicht nur gegen Polizisten vorgehen – und solchen, die während sie übers Mittelmeer geschleppt werden, ihren Allergrößten preisen, der sie scharf gegen alle Ungläubigen vorgehen lassen will. Afghanistan ist ebenfalls mehr als doppelt so groß wie Deutschland mit einer Bewohnerdichte dort von 63 Menschen auf den km² – während bei… Mehr

Sam99
1 Jahr her

Man kann es nicht mehr hören. Jeder, der es wissen will, weiß, wer da kommt. Und immer wieder das gleiche Geplärre der Grünen und Linken (wie hier dieser Kieler OB), die seien alle auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Ich bin der Meinung, dass es nicht Deutschlands Problem ist, wenn sich irgendwo auf der Welt die Leute gegenseitig die Köpfe einschlagen. Auch glaube ich nicht, dass es „zum Wohle der deutschen Volkes“ ist (hat nicht jeder in der Bundesregierung so einen Eid geleistet?), wenn Deutschland Millionen an Armutsmigranten einlädt und lebenslang auf hohem Niveau versorgt. Das wissen natürlich auch… Mehr

Sidetrack
1 Jahr her

Bezeichnend der woke SPD Bürgermeister aus Kiel, der das Thema Asyl-Zahnarztbesuche sofort abwürgte weil es seiner Meinung nach nicht relevant sei.

RJacob
1 Jahr her
Antworten an  Sidetrack

Die CDU hat wie so oft das Pferd von hinten aufgesattelt, mein Nachteil zum illegalen ist nicht der fehlende Termin beim Arzt, entscheidend ist was bezahle ich für eine Zahnsanierung und was der illegale Migrant, das traut man sich nicht, zu fragen, wer in seiner Nähe jemand hat, der in solchen Praxen tätig ist, kann es ja mal versuchen, ob er schlauer wird, viel Spass damit
Solche Sende Formate müssen vor leeren Rängen stattfindenden, selbst wenn man dafür Zahlen muss