Die Präsenz der Bundeswehr und ihrer Soldaten lässt zu wünschen übrig. Das hat Auswirkungen auf die Bereitschaft der Bevölkerung, mehr Milliarden Euro in die Landesverteidigung zu akzeptieren, vor allem aber auf die Bereitschaft junger Menschen, Soldat zu werden. Ein Veteranentag könnte hier ein wenig Abhilfe schaffen.
Die Organisationen der Soldaten (Deutscher BundeswehrVerband, DBwV; 200.000 Mitglieder) und der Reservisten (Reservistenverband, 110.000 Mitglieder) fordern mehr Anerkennung für Soldaten, sie schlagen dafür einen „Veteranentag“ als öffentliche Zeremonie vor. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) findet die Idee gut, plädiert aber für eine Initiative aus dem Bundestag heraus.
„Ein Veteranentag, öffentliche Zeremonien oder die Förderung anderer militärischer Rituale können Heimkehrern dabei helfen, ihren Platz in der gesellschaftlichen Mitte wiederzufinden“, sagte der stellvertretende DBwV-Vorsitzende, Marcel Bohnert, soeben der „Rheinischen Post“. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Reservistenverbands, Patrick Sensburg: „Unsere Veteranen der Bundeswehr müssen in unserer Gesellschaft noch viel mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit finden.“ Der BundeswehrVerband wird dabei sehr konkret: Er schlägt als ersten Termin den 9. oder 16. September 2023 vor. Denn dann finden die „Invictus Games“ statt: Das sind internationale Sportwettspiele für körperlich oder psychisch verletzte Soldaten, die in diesem Jahr erstmals in Deutschland ausgerichtet werden.
Wir lassen dahingestellt sein, ob diese Terminierung nicht zu kurzfristig kommt, denn wenn ein Veteranentag eingerichtet werden soll, bedarf es dafür umfassender Überlegungen und Vorbereitungen. Sonst verpufft die angestrebte Wirkung, und es wird später schwer werden, vom Image eines Fehlstarts wegzukommen. Sinnvoll ist der Vorschlag aber allemal, denn bislang dümpeln konkrete Maßnahmen zugunsten von mehr öffentlicher Präsenz der Bundeswehr und ihrer Soldaten noch vor sich hin.
Sind Bundeswehrsoldaten in der Mitte der Gesellschaft angekommen?
Berechtigt ist nach wie vor die Diagnose: Deutsche Soldaten sind nicht so sehr in der Mitte der Gesellschaft verankert, wie dies ihre Kameraden in Frankreich, Großbritannien oder den USA erfahren. In Großbritannien sind die Veteranen in der Royal British Legion organisiert. In den USA werden die Veteranen von der Army, vom Veteranenministerium und der American Legion betreut. Sie erhalten zahlreiche Vergünstigungen wie verbilligte oder freie Fahrten und Eintritte etc. und genießen eine besondere öffentliche Wahrnehmung. Bei einem eigenen Veteranentag solidarisieren sich Stars und Prominente mit den Veteranen.
Deutschland ist weit davon entfernt. Gottlob ist zwar die gehässige Stimmung vorbei, als man mit höchstrichterlicher Genehmigung ungestraft – Tucholsky zitierend – sagen durfte: „Alle Soldaten sind Mörder.“ Dennoch tut sich dieses Land mit seinen Soldaten schwer. Hierzu drei symptomatische Befunde:
- Seit Gründung der Bundeswehr haben über 3.200 Soldaten ihr Leben im Dienst verloren. Die meisten davon durch Unfälle. Ihrer wird gedacht mit einer im Bendlerblock versteckten und frei zugänglichen, an eine Wand projizierten Namensliste. Versteckt! Denn wenn man in Deutschland stolz ist, mit der Bundeswehr eine Parlamentsarmee zu haben, hätte eine solche Stätte der Erinnerung in die Nähe des Reichstages gehört.
- Seit 1990 ist die Bundeswehr in Auslandseinsätzen tätig. Seither haben in deren Rahmen 116 Soldaten ihr Leben verloren: in Kampfhandlungen, bei Sprengstoffattentaten, durch Unfälle oder durch Suizid. Dieser Toten wird nicht in der Mitte der Hauptstadt, sondern versteckt auf dem Gelände des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Geltow bei Potsdam gedacht: in einem „Wald der Erinnerung“, der übrigens von Familienangehörigen und Kameraden initiiert und am 15. November 2014 eingeweiht worden war. „Ein Schlag ins Gesicht für die Angehörigen“ – so hatte der damalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe über den Ort und das Zustandekommen zu Recht geurteilt.
- In der öffentlichen Wahrnehmung gar in Erscheinung treten die Soldaten, die oft über Jahre hinweg oder gar irreversibel unter einer Posttraumatischen Belastungs-Störung (PTB) leiden. Die Bundeswehr weist davon allein für die Jahre 2018 bis 2022 insgesamt 985 Soldaten aus.
Das Hickhack um den Begriff „Veteran“?
Den Beteiligten (Verteidigungsministerium, Soldatenorganisationen) ist es eigentlich nie zufriedenstellend gelungen, „Veteran“ zu definieren. Von der Wortgeschichte her heißt „veteranus“ (lateinisch) „Kriegsveteran“. In anderen Ländern, etwa Frankreich oder in den USA, wird das auch im Sinne von „Kriegseinsatz“ so verstanden. Siehe die Übersicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages – vor allem die Seiten 39 bis 43.
In Deutschland, dem Land der puren Egalisierung, hat man sich eben anders verständigt: Als Veteran der Bundeswehr gilt, wer im aktiven Dienst steht oder aus diesem Dienstverhältnis ehrenhaft ausgeschieden ist. Damit sind fast alle derzeitigen und ehemaligen Bundeswehrangehörigen Veteranen. Das sind mehr als zehn Millionen seit Gründung der Bundeswehr 1955/56.
Die Idee eines Veteranentags hatte übrigens bereits 2012 der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Damals haben sich die Interessenvertretungen (Deutscher Bundeswehrverband und Reservisten- und Soldatenverbände) aber dagegen gewehrt, denn de Maizière hatte „Veteran“ definiert als „Bundeswehrsoldat mit Einsatzerfahrung“. 2018 hat dann das Verteidigungsministerium mit einem Erlass neu geregelt, dass als Veteran „jeder aktive und ehemalige Soldat“ zu gelten hat. Die Teilnahme an Auslandseinsätzen ist ausdrücklich nicht mehr Bedingung für den Veteranenstatus.
Wie auch immer: Veteranen werden in Deutschland kaum wahrgenommen. Da lag es ursprünglich nahe, ein Veteranenabzeichen der Bundeswehr einzuführen. Es sollte „Veteranen“ in der Öffentlichkeit repräsentieren, als Anerkennung für treuen Dienst an der Gesellschaft. Aber auch daraus wurde erst einmal ein Flop: Das Veteranenabzeichen war 2013 von de Maizière gebilligt und daraufhin beschafft worden. Von der Verleihung des Abzeichens wurde aber zunächst abgesehen, weil man sich eben nicht auf eine einheitliche Definition des Begriffs „Veteran“ einigen konnte. Das Veteranenabzeichen ist auch nicht als militärisches Ehrenzeichen gedacht, wie zum Beispiel das „Ehrenkreuz der Bundeswehr“. Aus diesem Grund dürfte das Veteranenabzeichen nur an der Zivilkleidung getragen werden.
Weitere paradoxe Entwicklung: Ab 2013 lagerten rund 10.000 Medaillen vor sich hin, mit denen Soldaten der Bundeswehr „in einem mandatierten Einsatz“ ausgezeichnet werden sollten. Deshalb nahm man erst einmal von der geplanten Verleihung der Abzeichen Abstand.
Und das allgemeine Veteranenabzeichen? Jeder, der bei der Bundeswehr dient oder gedient hat, kann es seit 2019 beantragen. Hier das Antragsformular für aktive Soldaten. Und hier das Formular für ehemalige Soldaten. Vorsorglich hieß es Anfang 2020 dann: „Das Abzeichen wird Ihnen auf dem Postweg zugestellt. Aufgrund der voraussichtlich großen Zahl der zu verteilenden Abzeichen wird die Verteilung einige Zeit in Anspruch nehmen.“
Nicht zu verwechseln: Einsatzmedaille und Gefechtsmedaille
Als sichtbares Zeichen für die Teilnahme an besonderen Auslandsmissionen zeichnen die Streitkräfte ihre Angehörigen mit der Einsatzmedaille aus. Theoretisch könnten dies Hundertausende tun. Denn seit 1990 waren rund 500.000 Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz (Mehrfacheinsätze mitgezählt). Zu diesen Missionen zählen die humanitären, friedenserhaltenden oder -schaffenden Operationen. Ehemalige können die nachträgliche Verleihung der Medaille beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr per E-Mail (einsatzmedaille@bundeswehr.org) beantragen.
Eine würdige Aushändigung der Medaille führt das zuständige Landeskommando im Rahmen einer dienstlichen Veranstaltung durch, nachdem es vorab noch ein polizeiliches Führungszeugnis der jeweiligen Person eingeholt hat. Mit Stand Ende 2022 wurde die Einsatzmedaille in Bronze rund 62.000-mal, in Silber rund 2.200-mal und in Gold 175-mal verliehen. Die Gefechtsmedaille wurde 152-mal verliehen.
Fazit
Die Präsenz der Bundeswehr und ihrer Soldaten lässt zu wünschen übrig. Das hat erhebliche mentale Folgen, wie kontroverse Debatten seit 24. Februar 2022 – dem Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine – zeigen. Das hat Auswirkungen auf die Bereitschaft der Bevölkerung, mehr Milliarden Euro in die Landesverteidigung zu akzeptieren. Vor allem aber hat es Auswirkungen auf die Bereitschaft junger Menschen, Soldat zu werden. Der aktuelle, hochbrisante Bewerbermangel, unter dem die Bundeswehr in zehntausender Dimension leidet, ist beredtes Zeugnis. Ein gut durchdachter, flächendeckend mit zahlreichen Veranstaltungen praktizierter Veteranentag könnte hier ein wenig Abhilfe schaffen.
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Können sie vergessen! Die Deutschen haben kein Nationalbewusstsein. Sie ehren und lieben ihren Staat nicht (oder besser, sie DÜRFEN dies nicht offen tun). Ergo können sie auch die Soldaten, die zum Schutz dieses Staates da sind, nicht ehren. Hier in USA ist das ganz anders. Bereits die Kinder lernen den Staat zu lieben. Hier wird die Hymne bei vielen Gelegenheiten gesungen (mit der Hand auf dem Herzen!), Fahnen hängen überall und auch an normalen Tagen. Der Umgang mit Soldaten und Veteranen ist ein ganz anderer. Hier wird jeder verehrt, der sich für den Staat einsetzt! Es gibt eigene Veteranen-Parkplätze an… Mehr
Bei Flugreisen in die USA werden die Soldaten vom Piloten immer direkt angesprochen. Die Durchsage des Piloten lautet in etwa so: „For those of you serving our country abroad: Welcome home!“ Ich bin jedesmal zu Tränen gerührt.
Ist irgendjemand für diese ganzen Auslandseinsätze der Bundeswehr? Es fällt schwer, uniformierte Mitbürger für etwas Anerkennung zu schenken, das man eigentlich ablehnt ??♂️
Keine schlechte Idee, aber ich halte die Wirkung für begrenzt. Was ist denn der Grund, warum so wenig junge Menschen zur Bundeswehr gehen wollen? Weil die Bundeswehr nur noch wenig mit defensiver Landesverteidigung zu tun hat und zu einer Interventionsarmee von Berufssoldaten für internationale NATO Interessen verkommen ist. Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren, also die echte Landesverteidigung des eigenen Landes, ist bis auf wenige Ausnahmen verboten. Und wenn wir unsere Soldaten in den Auslandseinsatz schicken, dann tun wir das so gut wie nie in unserem eigenen Interesse, sondern im Interesse das transatlantischen Bündnisses. Deutschland wurde durch unsere Bundeswehr nicht… Mehr
Ich würde sagen, unsere rotgrünen Genossen würden einen Veteranentag als mindestens „völkisch“ titulieren! Ich kenne kein anderes Land, in dem Patriotismus so geächtet und der Selbsthass jeden Tag aufs Neue zelebriert wird! Der Selbsthass ist inzwischen Staatsräson und jetzt kommen die auch noch mit einem Veteranentag um die Ecke! Die Genoss*innen rotgrüner Couleur aus Politik, Medien und anderem Geschmeiß kriegen Schnappatmung!
Der „Veterantentag“ ist ein absolutes Nebelgeschoß und ist daher als heuchlerisch und volksverdummend grundsätzlich abzulehnen: 1. An der negativen Einstellung zur Bundeswehr seit Ende der 1960er Jahre hat sich überhaupt nichts geändert. 2. Die „Schrottwehr“ ist so heruntergewirtschaftet, daß die Bezeichnung „blank“ (bezogen auf die Einsatz- und damit Verteidigungsfähigkeit im Rahmen eines möglichen Krieges gegen Rußland) sogar eher Schönfärberei ist. 3. Das was man – offensichtlich bis heute noch – mit geschwollenen Worten „Innere Führung“ seit den 1970er Jahren bezeichnet, ist längst schlichtweg „tot“. Wie z.B. mit den „Mannschaftern“ – man spricht in den Medien dümmlicherweise von „Rekruten“ (eine Bezeichnung… Mehr
Diese Armee ehren? Bitteschön für was? Dafür, daß sie diesem Regime, das das Land mit ganzen Armeen von Invasoren bevölkert, die Treue hält? Solange die tänzelnd auf Stöckelschuhen herumkaspern, braucht man die nicht. Kann weg! Da sind mir die schwarzafrikanischen Armeen, die ihre obskuren Machthaber festsetzen, die korrupten Behörden auflösen und alles von vorn beginnen wollen, erheblich sympathischer.
Von mir aus. Allerdings wird es wenig bis nichts bringen, je nachdem natuerlich, welches Ziel erreicht werden soll. Die Akzeptanz oder sogar die positive Einstellung zur Armee gruendet auf bestimmte Voraussetzungen, die ich hierzulande nicht sehe. Sie sind auch nicht gewollt und da nehme ich die Liberalkonservativen nicht aus. Das Pferd wird wieder einmal mit einer symbolischen Inszenierung, die den bekannten, sehr grossen Elefanten im Land ausspart, von hinten aufgezaeumt. Es geht um die Idee bzw die innere Verbindung, zu der elementar die Nation gehoert, eine unabhängige Nation, ein Volk und eine Gesellschaft mit einer bestimmten mentalen Verfasstheit. Das „Militärische“… Mehr
„Seit Gründung der Bundeswehr haben über 3.200 Soldaten ihr Leben im Dienst verloren. Die meisten davon durch Unfälle.“ Wie sehen denn die Unfallstatistiken anderer Berufe aus? „Seit 1990 ist die Bundeswehr in Auslandseinsätzen tätig. Seither haben in deren Rahmen 116 Soldaten ihr Leben verloren: in Kampfhandlungen, bei Sprengstoffattentaten, durch Unfälle oder durch Suizid.“ Was haben Bundeswehrsoldaten im Ausland zu suchen? Landesverteidigung geht in Ordnung. Der Rest ist unabhängig von irgendwelchen Parlaments- und BVG-Beschlüssen höchst fragwürdig. „…Soldaten, die oft über Jahre hinweg oder gar irreversibel unter einer Posttraumatischen Belastungs-Störung (PTB) leiden.“ Wie gesagt, dies lässt sich verhindern, sofern sich die Armee… Mehr
Die Frage ist, was die als „Unfälle“ bezeichnen. Ist es ein Arbeitsunfall, wenn ein deutscher Soldat von einem Taliban erschossen wird? Der Bürokratiekrake Deutschlands ist so eine Sprachregelung durchaus zuzutrauen.
Da haben wohl welche an den „Veterans Day“ in den USA gedacht. Prinzipiell eine gute Idee, aber wenn man sieht, was die Armee in den USA für einen Stellenwert hat, wie die Nation stolz auf sie ist, wie da mit Nationalbewußtsein nur so um sich geschmissen wird, Fahnen, Salutschüsse, Auszeichnungen etc… Als „unsere“ Letzten aus Afghanistan zurück kamen, wurden sie noch nicht mal mit Glanz und Gloria vom Verteidigungsminister(in), Wachbatallion und allem Pipapo empfangen, sondern eher so „Ach, Ihr seid auch wieder da…?“ Ohne Nationalstolz keine Armee und damit auch kein Nachwuchs.