Die Tendenz ist antigrün

Obwohl Ablehnung und Kritik der Masseneinwanderung in die Sozialsysteme als wichtiger Grund für die Wahl-Absicht AfD benannt wird, dürften ebenso Wirtschafts-, Energie- und Bevormundungspolitik ins Gewicht fallen. Die Bürger merken, die Ampel-Politik zerstört Staat, Gesellschaft und Wirtschaft - und die Union ist Nicht-Opposition.

IMAGO/photothek

Sicher ist nur, dass Wahlumfragen Momentaufnahmen sind, nicht mehr als ein aktuelles Stimmungsbild. Doch diese Stimmungsbilder beeinflussen die Politik, indem das Gespenst des Machtverlusts Politiker zum Exorzismus treibt. In der jüngsten Wahlumfrage von Civey für Bayern gewinnt die AfD hinzu. Die CSU liegt bei 38 %, die Grünen bei 15 %, die AfD bei 13 %, die Freien Wähler bei 12 %, die SPD bei 10 %, FDP und Linke würden mit 4 % und 2% nicht in den Landtag kommen. Man muss dabei berücksichtigen, dass Civeys Umfragen reine online-Umfragen sind. Und da stellt sich schon die Frage, ob jeder so frank und frei seine Überlegung, AfD zu wählen, schriftlich dokumentieren möchte, zumal er dafür vom Bundespräsidenten Steinmeier im Grunde kriminalisiert wird. Andere zeitnahe Umfragen sehen die Grünen bei 15 %, die AfD bei 14 %, wieder eine andere Wahlumfrage verortet die AfD auch in Bayern vor den Grünen und kommentiert: „Immer stärker auf dem zweiten Platz kann sich die AfD stabilisieren.“

Schaut man sich den Trend in den Bundesländern, West wie Ost, an, dann gewinnt die AfD tatsächlich an Zustimmung, genauer gesagt, büßen die anderen Parteien mit Ausnahme der Freien Wähler Vertrauen ein, seit Robert Habeck durch das Heizpumpendiktat kräftig zur Entzauberung der Grünen selbst bei treuen Zuschauern des öffentlich finanzierten, grünen Rundfunks beigetragen hat.

Dass die CDU als Opposition komplett versagt, wurde oft genug beschrieben, und darf als feststehende Formulierung gelten. Das liegt vor allem daran, dass die CDU nicht kampagnefähig ist und auch nicht sein will. So mancher CDU-Funktionär mag sich fragen, weshalb er Risiken eingehen soll, zum Landtagsmandat bei sicherem Listenplatz reicht es auf alle Fälle und zum Mitregieren zuweilen auch. Die klassische Politikerfrage dürfte Heide Simonis in Schleswig-Holstein nach ihrer Abwahl formuliert haben: Und was wird aus mir?

Nicht wenige CDU-Funktionäre dürften sich davor hüten, aus der Wüst-Reihe zu tanzen, denn die Vögel, die zu früh singen, holt die Katze. Dennoch implodiert die CDU. Nur die Hoffnung, irgendwie sein Posten oder Pöstchen halten zu können, hält die Partei noch zusammen.

Man könnte die emsige Brandmaurerei der CDU, die Feindschaft zur AfD auch mit einem legendären Zitat aus Carl Schmitts „Theorie des Partisanen“ beschreiben: „Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt.“ Und Schmitt sagt auch: „Der Feind steht auf meiner eigenen Ebene. Aus diesem Grund muss ich mich mit ihm kämpfend auseinandersetzen, um das eigene Maß, die eigene Grenze, die eigene Gestalt zu gewinnen.“

Das Problem für die CDU besteht nun darin, dass sie, wenn sie sich von der AfD scharf abgrenzt, auf grünen Treibsand gerät. Von dieser Substanzlosigkeit profitiert die AfD, und das umso mehr die CDU in den grünen Abwärtssog gerissen wird, denn der ist da. Die Stimmung wird immer antigrüner, weil der Realitätsverweigerung der Grünen zum Realitätsverlust für die Deutschen wird, d.h. nicht, dass die Deutschen an Realitätsbewusstsein verlieren, sondern, dass ihr Land, dass ihre Existenz immer irrealer, verfremdeter wird.

Man weiß nicht, wie der Trend in Bayern aussähe, wenn es nicht die Freien Wähler gäbe, doch lässt die AfD Aiwangers Partei hinter sich, denn nicht alle in Bayern haben vergessen, wie der Landesminister Aiwanger in der Pandemie agiert hatte und wie sehr er noch 2019 der Energiewende in Bayern „neuen Schwung verleihen“ wollte. Auch wenn er sich ordentlich gegen die Grünen positioniert, kaufen ihm das nicht alle ab.

In Bayern war die CSU einmal eine wirkliche Volkspartei, in den Dörfern und Städten verwurzelt. Von dieser traditionellen Verbundenheit lebt die Partei noch, nicht wegen, sondern trotz Markus Söder.

Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach will in einer Umfrage für die FAZ herausgefunden haben, dass die AfD deshalb punktet, weil sie sich eines Zulaufes von Protestwählern erfreut. Anhand von Fragen zur Radikalität der Ansichten zu bestimmten Themen unabhängig von der Parteipräferenz schätzt das Allensbach Institut ein, dass 2 % der Bevölkerung linksextrem, 7 % stark links, 23 % eher links, 37 % Mitte, 17 % eher rechts, 12 % stark rechts, 2 % rechtsextrem seien. Dieses Ergebnis ähnelt dem Resultat einer Umfrage, die Allensbach in gleicher Weise schon einmal 2019 durchgeführt hat. In den Grundeinstellungen der Deutschen hat sich demnach kaum etwas verändert. Wer also verschwörungstheoretisch von einem „Rechtsruck“ faselt, ist selbst links oder extrem links, dem es nicht schnell genug in die Gemeinwohldiktatur geht. Man kann daraus auch den Schluss ziehen, dass die politischen und medialen Eliten in ihrer Gänze nach links gerückt sind und nun Positionen der politischen Mitte als rechts brandmarken und bekämpfen. Das bedeutet aber, dass sich die politischen Eliten, dass sich vor allem die früheren Parteien der Mitte wie FDP und Union soweit nach links bewegt haben, dass sie erstens als Opposition gegen die woke Herrschaft ausfallen, zum Teil wie der FDP-Justizminister Buschmann diesen woken Umbau der Gesellschaft aktiv vorantreiben, und zweitens sich diese Eliten vom Gros der Wähler entfernt haben.

Nun hat Allensbach weiter aus dem demoskopischen Material geschlussfolgert, dass unter den Anhängern der AfD 13 % rechtsextrem, 43 % „ausgeprägt rechts denkend“ seien, 44 % aber Vorstellungen und Ansichten des Mitte-Spektrums teilen, Meinungen also, die früher von der Union vertreten wurden. 78 % der Bürger, die die Afd wählen würden, gaben an, dass sie mit ihrer Wahl „ein Zeichen setzen“ wollen, weil sie „mit der derzeitigen Politik unzufrieden“ sind.

Obwohl die Ablehnung und Kritik an der Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsysteme als wichtiger Grund für die Absicht, die AfD zu wählen, benannt wird, dürfte nicht geringer die Wirtschafts-, Energie- und Bevormundungspolitik ins Gewicht fallen. Die Bürger merken, dass die Politik der Ampel den demokratischen Staat, die Gesellschaft und die Wirtschaft zerstört und die Union ihren konstruktiven Beitrag als Nicht-Opposition dazu leistet. Die Vorstellung, dass die Wähler in bedeutender Zahl der AfD den Rücken kehren würden, wenn die Einwanderung begrenzt wird, ist analytisch kurzsichtig. Die Bürger merken, dass ihr Staatswesen auseinanderbricht, und sie erleben eine Politikerkaste, die wie weiland am Versailler Hof Ludwig XVI. in einem neuen Ancien Régime, in einer eigenen, abgehobenen Welt leben und sich im Grunde nur um sich selbst dreht

Den Höhenflug der AfD daher mit Protestwählern erklären zu wollen, geht am Problem vorbei. Überhaupt, was sollen eigentlich Protestwähler sein? In dem Begriff steckt eine arrogante Abwertung. Bürger entscheiden sich für oder gegen eine bestimmte Politik. Die Entscheidung gegen eine bestimmte Politik ist kein Protest, sondern sie ist nicht mehr und nicht weniger, als dass der Bürger von seinem demokratischen Recht Gebrauch macht, sich gegen eine Politik zu wenden.

Dass von selbsternannten Demokraten die demokratische Maske vom Gesicht fällt und sie sich als um die eigene Macht bemühte Vertreter eines neuen Ancien Régime zeigen, dass Denunzianten wieder zu Ehren kommen und staatlich gefördert werden, dass die Gewaltenteilung aufgelöst wird, beweist, dass die politischen Auseinandersetzungen in Deutschland eine Qualität erreichen, die mit akademischen Euphemismen wie Protestwahl nicht mehr zu beschreiben sind. Dass sich die Herrschenden dessen bewusst sind, zeigt ihr zunehmend drakonisches Vorgehen.

Insofern bewirken die Wahlumfragen in der Tat etwas: sie sind das Menetekel für die Politiker des herrschenden Klimakomplex, dass sie ihre Macht verlieren könnten, die sie, steht zu vermuten, mit allen Mitteln verteidigen werden.

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Kommentare ( 170 )

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Carl22
1 Jahr her

Nein nein vereehrter Herr Mai, nix mit Menetekel für die Grünen. Deutsche F r a u e n wählen unirritierbar Grün, und deshalb können „Grüne“ Deutschland zerstören, und ihre stabilste Fan-Gruppe, die deutsche Frau, wählt weiter Hofreiter, KGE, AlBb und Co. Sozusagen aus Selbstachtung: Grün ist „Fleisch von ihrem Fleische“. Am 8. Oktober werden Sie es sehen. Wählende Frauen befördern auch in Bayern Grün in die Regierung, sei es als Ampel oder allein mit Schwarz. Heute schon in München, morgen in ganz Bayern.

Oneiroi
1 Jahr her

Auch wenn es hier und da regelmäßig kleine white pills geben mag. Der Normie wacht zu spät auf und wird sich im Balkan wiederfinden. Die Zeit lässt sich selbst mit einer absoluten Mehrheit pro AfD nicht zurückdrehen und fast jede Statistik wird seit 15-20 Jahren geschönt das sich die Balken biegen. Es ist fragwürdig ob die biodeutsche Population nach 45 überhaupt einen relevanten Geburtenzuwachs ohne einkalkulierte Migration hingelegt hat. Man kann also von deutlich weniger als 50 Millionen Biodeutsche ausgehen, denen irgendwas am Land und Kultur liegt. Das happy end worauf die Deutschen noch hoffen können ist eine Konsolidierung deutscher… Mehr

Dellson
1 Jahr her

Die Ampelpolitik hält weder Ochs und Esel auf, in seinem Dauerlauf! Wie zu unsäglichen Zeiten wird an einer für die überwiegende Mehrheit im Land an einer Politik der verbrannten Erde festgehalten, auch weil man sein eigenes Macht Ende bereits genau vor Augen hat. Deshalb kommen ja auch stakkato artig ein Gesetzesvorschlag nach dem anderen durch die Grünen in das Parlament. Habeck: „Wir müssen besser werden, schneller werden, sofort loslegen und Fakten schaffen.“ Dafür auch die Schleifung der AKW`s mitsamt der Möglichkeit des Wiederanlaufs. Die Abschaffung der Demokratie durch die Ausnutzung der Demokratie wird zum Sinnbild der Umkehrung der einst geplanten… Mehr

Uwe Jacobs
1 Jahr her

Danke, Herr Philosoph – richtig erkannt:
SED-Merkel und ihre Getreuen haben unser Grundgesetz genau analysiert, seine Mechanismen und offenkundigen Schwachstellen erkannt und es dann vollkommen missbraucht. Fast genauso sind damals auch der widerliche „Führer“ und sein national-sozialistisches Gesocks vorgegangen: Sie haben die Weimarer Verfassung missbraucht, um formal korrekt zu ihrer elenden „Machtergreifung“ zu gelangen.
Auch damals waren Konservative und Bürgerliche zu bequem und zu feige, sich zu wehren. Und wie heute waren schon damals Karrieristen und Opportunisten als Trittbrettfahrer mit dabei.
Finde den Fehler!

Peter Pascht
1 Jahr her

„Die Tendenz ist antigrün“ Ich les‘ die Worte wohl, aber mir fehlt der Glaube daran. Wir werden von ungebildeten geistig Minderbemittelten regiert, aggressiv, dumm, gehässig, skuppellos. Lernfaule, Denk- und Lernverweigerer, die unter kognitiver Dissonanz leiden, mit Mühe und Not die Grundschule geschafft haben, die meinen in irgendwelchen Pseudoschulen mit „Fake-Ausbildung“, gebildet zu sein. Deren politische Extremismus-Ideologie ist nur Menschenhass, Hetze und Verleumdung. übelster Schäbigkeit, geboren 68′. Soviel Menschenhass im öffentlichen Diskurs habe ich in diesem Lande in all den zurück liegenden Jahrzehnten nie erlebt. Man spricht dem politischen Gegner ab, Mensch zu sein, als einziges Argument im politischen Diskurs. Das… Mehr

Oneiroi
1 Jahr her
Antworten an  Peter Pascht

Gerade zu Corona hat man feststellen müssen, dass manche Leute in Machpositionen Lust auf viel härtere Dinge gehabt hätten als Lockdowns, so es legal gewesen wäre. Die Geilheit beim sich überbieten noch reprässivere Massnahmen zu fordern kannte keine Grenze. Die Hetze der Staatspresse kannte kein halten. Und das war ein klares Zeichen, dass jedem vor dem Hintergrund deutscher Geschichte Sorge bereiten sollte. Die vielen Parallelen kann man nicht mehr verneinen. Jeder intelligente Mensch, sollte daraus gelernt haben, dass in Deutschland ein stiller Countdown zum nächsten Blutbad läuft. Man sollte insb. als Jude oder freier Denker nicht abwarten, bis die Grenzen… Mehr

Boris G
1 Jahr her

Danke für diese erhellende Analyse, die das Problem des politisch-medialen Komplexes offenbart: mangelnde Realitätsprüfung. Idealerweise agiert unter den Meinungsmachern und Spitzenpolitikern die kognitive Elite eines Landes. Leider ist es in Deutschland um die Denkkraft dieser „Elite“ nicht mehr gut bestellt. Ein Karl Lauterbach könnte als Leiter eines lokalen Gesundheitsamtes eben so durchgehen, richtet als Gesundheitsminister buchstäblich Milliardenschäden an durch mangelndes Urteilsvermögen. Die ganze links-grün gestimmte Kaste ist vom egalitär-behavioristischen Weltbild beseelt – ein epochaler Irrtum.

H. Hoffmeister
1 Jahr her

Die Kernfrage ist: zu welchen zusätzlichen Mitteln wird das „Ancien Regime“ noch greifen ? Wie weit gehen Söder, Merz, Lindner, Scholz und Habeck et al ?

U.S.
1 Jahr her

Rot Grün lassen Jahr für Jahr über 500.000 Migranten nach Germoney hinein fluten; plus 700.000 Ukrainer: also über 1 Million neueunreisende

what be must must be
1 Jahr her

Wenn ich diese feixenden Gesichter schon sehe . . .

bernor
1 Jahr her

„Nicht wenige CDU-Funktionäre dürften sich davor hüten, aus der Wüst-Reihe zu tanzen, denn die Vögel, die zu früh singen, holt die Katze. Dennoch implodiert die CDU. Nur die Hoffnung, irgendwie sein Posten oder Pöstchen halten zu können, hält die Partei noch zusammen. Man könnte die emsige Brandmaurerei der CDU, die Feindschaft zur AfD …“ Zu Merzens Äußerung über eine pragmatische Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene befragte unsere Lokalzeitung vor einem Monat auch die Ortsvorsitzenden der CDU in ihrem Einzugsbereich – in meinem Wohnort mit der Doppelspitze (Münsterland, 14.000 Ew.) war das eine noch relativ junge Frau & Mutter,… Mehr