Interview mit Günter Netzer: „Meine Rebellion war eine andere“

Um ein Haar wäre Günter Netzer bei Fortuna Düsseldorf gelandet – und die Geschichte der Bundesliga wäre eine andere geworden. Im Gespräch mit TE erzählt die Fußball-Legende, wie er zur Symbolfigur der 68er wurde, warum er sein Auto vor einer Diskothek parkte und wie sich mancher Konflikt mit Trainer Hennes Weisweiler zum Besseren für Borussia Mönchengladbach auflöste.

IMAGO / WEREK
DFB-Pokalfinale in Düsseldorf am 23. Juni 1973: Günter Netzer bereitet sich in der Pause zur Verlängerung auf seine selbstbestimmte Einwechslung vor. "In dem Moment habe ich mir instinktiv die Trainingsjacke und die Trainingshose ausgezogen."

Tichys Einblick: Borussia Mönchengladbach hat eine der legendärsten Mannschaften in 60 Jahren Bundesliga gestellt. Sie waren Teil dieser Fohlen-Elf unter Trainer Hennes Weisweiler. Wie kam es dazu, Herr Netzer?

Günter Netzer: Ich war Jugendnationalspieler. Als ich ins Seniorenalter kam, hatte ich verschiedene Angebote. Etwa von Preußen Münster oder aus Limoges. Dann gab es ein konkretes Angebot von Fortuna Düsseldorf unter Präsident Bruno Recht. Eigentlich wollte ich schon unterschreiben, dann wäre das besiegelt gewesen. Erst dann kam plötzlich das Angebot der Borussia – ich spielte bis dahin für den 1. FC Mönchengladbach. Ich habe unterschrieben, kam in die Mannschaft von Trainer Fritz Langner – und wer mit ihm zusammengearbeitet hat, vergisst das nicht.

Warum nicht?

Die Geschichten, die um ihn rankten, waren einzigartig. Er war ein sehr guter Trainer. Akribisch genau. Aber auch knochenhart.

Was hieß das damals? Mussten Sie viel mit dem Medizinball trainieren?

Langner war ein sehr guter Trainer. Aber auch ein komischer Kauz. Zu einer Zeit, in der wir nur dreimal die Woche trainiert haben. Ich war ja kein Vollprofi. Damals habe ich bei Mannesmann eine Lehre zum Industriekaufmann gemacht, die ich auch abgeschlossen habe. Mein Vater wollte das so. Und wenn man dann so wie ich zwischen Trainingsplatz und Arbeitsplatz hin und her gependelt ist, dann war das schon sehr anstrengend. Aber es hat sich auch gelohnt, weil Langner ein moderner Trainer war.

Was bedeutete das 1963?

Bis dahin hat Gladbach Hauruck-Fußball gespielt: lange Bälle nach vorne und dann hinterherlaufen. Unter Langner haben wir angefangen, kultivierten offensiven und damit attraktiven Fußball zu spielen.

Also ist er der eigentliche Vater der berühmten Fohlen-Elf?

Man kann sagen, dass er die Grundlagen gelegt hat. Aber der Vater der Fohlen-Elf war selbstverständlich Hennes Weisweiler.

Als Sie bei der Borussia angefangen haben, spielte die noch in der Oberliga West. Der Aufstieg in die Bundesliga kam erst zwei Jahre später. Was waren das für Plätze, auf denen Sie spielen mussten? Haben Sie noch auf Asche gespielt?

Nein. Das nicht. Rasen hatten sie alle. Aber es waren keine richtigen Stadien. Es gab neben richtig guten Stadien Sportplätze ohne befestige Tribünen. Wenn es regnete, rutschten die Zuschauer den Hang herunter. Das war mehr Gaudi, als manches Spiel bot. Wir haben uns als Spieler in Holzbarracken umgezogen – mit kaltem Wasser.

Mit dem Aufstieg in die Bundesliga ging es dann aufwärts. Auch mit den Stadien?

Richtig. Zuerst kam aber Hennes Weisweiler für Langner. Seine Frau hatte ihn ermahnt: Willst du da wirklich hingehen? Die sehen so traurig aus mit ihren schwarzen Trikots.

Die spätere Fohlen-Elf ist langsam zusammengewachsen. Wie wichtig war das für den späteren Erfolg?

Jupp Heynckes war schon da. Berti Vogts kam im Aufstiegsjahr dazu. Weisweiler hatte ihn geholt und wollte verhindern, dass ihn jemand anderes abwirbt. Deshalb hat Berti während des Trainingslagers bei uns gewohnt, ist mit uns im Bus gefahren – alles, weil Weisweiler Angst hatte, dass er abgeworben wird. Dann kamen allmählich immer weiter junge Spieler dazu. Wir hatten eigentlich in jedem Training vier oder fünf Spieler, die nur zur Probe da waren. Und die Guten hat Weisweiler dann verpflichtet und aufgebaut – sie an den Angriffsfußball herangeführt, den er spielen ließ.

Wurden denn auch die Stadien besser?

Die Tribünen ja, die Plätze nein. Wir hatten teilweise echte Rübenäcker, auf denen wir spielen mussten. Als wir bei Tasmania Berlin spielten, lag 20 Zentimeter Schnee auf dem Platz. Die haben das nicht räumen lassen. Sie waren uns technisch so unterlegen, dass ihre Chancen nur dadurch besser werden konnten, dass der Platz eigentlich unbespielbar war. Franz Beckenbauer hat das gesagt – und ich stimme ihm darin zu: Es ist eigentlich nicht das Geld, was das große Geschenk an die jungen Spieler ist. Es sind die Stadien. Es ist schon toll, auf welchen Plätzen die Spieler heute spielen dürfen. Wobei wir in Mönchengladbach Glück hatten.

Wieso?

Wir hatten fast den schönsten Rasen. Das war auch wichtig für unseren Angriffsfußball. Aber es war auch ein Problem, das wir mit rund 30.000 Zuschauern ein so kleines Stadion hatten. Die anderen Vereine spielten in viel größeren Stadien und nahmen entsprechend mehr Geld ein.

Ein wichtiger Faktor damals. Heute machen die Einnahmen aus den Eintrittskarten etwa ein Viertel der Gesamteinnahmen aus. In den 60ern dürfte der Anteil viel größer gewesen sein?

Er lag bei 100 Prozent. Bandenwerbung. Trikotwerbung. Merchandising. Das gab es damals alles nicht. In der Oberliga durfte man nur 400 Mark im Monat verdienen. Als Jugendnationalspieler habe ich 160 Mark bekommen. Später in der Bundesliga war es mehr – aber nicht so viel wie bei den Clubs mit den größeren Stadien.

Mäzen gab es keine?

Ich habe keinen Mäzen kennengelernt. Aber es war mir auch egal. Ich habe als Kind wie alle anderen auf der Straße gespielt. Da kam unsere Generation her. In Vereinen wie dem 1. FC Mönchengladbach waren unsere Väter die Trainer und Betreuer. 1963 habe ich dann gedacht: Was, 160 Mark? Jetzt kriege ich auch noch Geld dafür, dass ich Fußball spiele. Wobei die Berufung zum Jugendnationalspieler entscheidend war.

Wieso?

Die Landesverbände betrieben Sportschulen. Ich ging als Jugendspieler auf die in Duisburg-Wedau. Dort traf ich zum ersten Mal auf professionelle Trainer, die uns jungen Spieler auf ein ganz anderes Niveau gebracht haben.

Sie sind dann mit der Borussia 1965 in die Bundesliga aufgestiegen. Galten Sie in den Medien erst einmal als Abstiegskandidat?

Nein. Unser Fußball war schon spektakulär. Darauf haben die Medien geschaut und sie haben sich dafür interessiert. Wobei das damals bedeutete, dass einmal die Woche ein Fernsehteam kam. Das meiste Interesse war nur regional.

Das dürfte sich mit den Meisterschaften von 1970 und 1971 geändert haben? Schließlich war die Borussia das erste Team, das in der Bundesliga den Titel verteidigen konnte. Bei allem Respekt: Aber ohne Fußball wäre die Stadt Mönchengladbach ja gar nicht auf der Landkarte gewesen.

Das stimmt. Wir haben gegen Inter Mailand gespielt. Die wussten gar nicht, wo Mönchengladbach liegt. Die haben das für einen Vorort von München gehalten. Dann haben wir 7:1 gegen sie gewonnen – danach wussten sie, wo Mönchengladbach liegt.

Sie waren jung, erfolgreich und haben gut ausgesehen. Sie dürften doch in der Damenwelt Chancen gehabt haben?

Vielleicht war ich ein Spätentwickler. Aber das Einzige, was wir wirklich wollten, war Fußballspielen. Die Damenwelt kam erst später ins Spiel. Zumal die Trainer es nicht gerne gesehen haben. Die waren immer froh, wenn einer verheiratet war. Dann sagten sie sich: Der ist von der Straße. Die Junggesellen haben sie immer ein wenig beäugt. Zumal es natürlich auch Spieler gab, die ihre Chancen in der Damenwelt genutzt haben.

Nun waren die späten 60er Jahre eine Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs. Studentenrevolte et cetera. Sie wurden zu einer Symbolfigur für diese Generation. Wollten Sie das oder wurden Sie in diese Rolle gedrängt?

Das ist die richtige Formulierung: Ich bin in diese Rolle gedrängt worden. Ich hatte eine Freundin, die ein wenig avantgardistisch war. Sie hat mich ein wenig geleitet, hat mir neue Perspektiven eröffnet. Plötzlich hatte ich längere Haare, andere Haare. Und die 68er haben mich als Symbol für ihre Ideen empfunden.

Waren Sie das denn tatsächlich?

Sie haben einen Rebellen gesehen. Sie haben sich selbst als Rebellen gesehen. Also haben sie mich als einen der ihren angesehen. Dabei war ich in ihrem Sinn kein Rebell. Zumindest nicht politisch. Ich bin bis heute kein politischer Mensch. Sie haben mir aufgrund äußerer Merkmale etwas angedichtet. Ich habe das mit Schmunzeln verfolgt. Aber meine Rebellion war eine andere.

Welche?

Ich habe es als meine Rebellion empfunden, dass ich gegenüber meinem Trainer offen Dinge angesprochen habe, die mir nicht gefallen haben. Weisweiler ließ am liebsten rauf und runter spielen. Danach haben alle gesagt: Ihr wart die beste Mannschaft, die je hier war. Nur gewonnen haben andere. Die Bayern. Die haben ökonomisch gespielt, haben Pausen gemacht und hatten so Luft für 90 Minuten. Wir aber sind dann hinten raus müde geworden – sind nach vorne gelaufen und die anderen haben die Tore geschossen. Mit der Idee, ökonomischer zu spielen, konnte sich Weisweiler gar nicht anfreunden.

Hat es aber dann letztlich doch?

Irgendwann hat er zugehört und gehandelt. Er hat zwei sehr wichtige Spieler verpflichtet: Ludwig Müller und Klaus-Dieter Sieloff. Das waren zwei sehr gute Verteidiger. Plötzlich waren wir hinten dicht und die Erfolge haben sich eingestellt. Vor allem Müller hat dafür gesorgt, dass es ruhiger zugeht, dass wir erstmal in Ruhe aufbauen, unsere Kräfte sparen und sammeln. Das war der Wendepunkt. Danach kam der sichtbare Erfolg. Auch weil sich die jüngeren Spieler neben solchen erfahrenen Spielern weiterentwickeln konnten.

Doch dann ging Ihre Zeit in Mönchengladbach allmählich zu Ende. Wie kam es?

Ich spielte jetzt im Konzert der Großen mit, fuhr zur Nationalmannschaft. Dort traf ich die großen Jungs. Sie haben mir erzählt, was man in anderen Vereinen verdient. Die haben ein Vielfaches verdient, von dem, was ich verdient habe. Ich bin dann zu unserem Manager gegangen, Helmut Grashoff, und habe ihm gesagt: So geht das nun wirklich nicht. Er hat geantwortet, wie soll ich das Geld für Dich wieder reinholen? Darauf habe ich ihm geantwortet: Dann lassen Sie mich allein mein Geld verdienen.

Wie hat das funktioniert?

Ich habe die Stadionzeitung übernommen. Ich habe eine Versicherungsagentur gegründet, habe Termine gemacht und Provisionen verdient. Außerdem habe ich mich mit anderen zusammengetan und einen Werbeverlag gegründet, für den ich tätig war. Dabei habe ich meinen prominenten Namen eingebracht, wenn es gepasst hat. Wegen eines meiner Geschäfte war Weisweiler dann entsetzt.

Wieso das?

Ich bin 1971 zu ihm gegangen und habe ihm gesagt: Übermorgen eröffne ich meine Disco, Sie sind herzlich eingeladen. Er hat gesagt: Das ist das Ende. Er hat gedacht, ich stehe da jetzt jeden Abend, schenke Bier aus und bin nicht mehr fähig, gegen den Ball zu treten.

Aber so kam es nicht?

Nein. Ich habe in meinem Leben immer verstanden, Prioritäten zu setzen, und alles dem Fußball untergeordnet. Aber ich habe mein Auto vor der Diskothek geparkt. So dachten die Leute, ich sei da und sie sind hineingegangen. Das war die Kompensation für das, was andere anderswo mehr verdient haben. Weisweilers Bedenken konnte ich zerstreuen. In der Zeit hatte ich die beste Zeit meiner Karriere: War zweimal Fußballer des Jahres und habe dann das Pokaltor zum Abschied geschossen.

Ein legendäres Tor, das dieses Jahr 50 Jahre her ist und über das immer noch alle reden. 1973 im Pokalfinale Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln.

Die Geschichte ist phantastisch. Obwohl es 50 Jahre her ist, reden immer noch alle davon. In der Woche davor waren wir in Berlin, um mit der Nationalmannschaft gegen Brasilien zu spielen. Ich bekam einen Anruf, ich solle zu meiner Mutter. Es wäre etwas Ernsthaftes passiert. Ich bin hingefahren und – was mir sehr wichtig ist – war dadurch dabei, als sie starb. Gleichzeitig sind aber in Berlin Journalisten auf Bundestrainer Helmut Schön zu und haben ihn damit konfrontiert, dass ich zu Real Madrid wechsle. Er war tödlich beleidigt.

Warum?

Er wollte seine Nationalspieler in der Bundesliga halten. Ich war der erste Deutsche, der nach Spanien gewechselt ist. Das hätte er gerne von mir persönlich erfahren. Aber es war zwischen Borussia Mönchengladbach und Real Madrid vereinbart, dass es geheim gehalten wird. Leider haben sich die Journalisten nicht daran gehalten.

Nun war das Schöns Problem. Warum hat Sie Weisweiler im Pokalfinale nicht spielen lassen wollen?

Er hat die Voraussetzungen richtig eingeschätzt: Er hat gesehen, dass ich in schlechter Form war, dass mich das Erlebnis mit meiner Mutter mitgenommen hat – auch das mit Schön und den Journalisten. Weisweilers Entscheidung war richtig. Ich habe ihm nur geantwortet: Das ist sehr mutig von Ihnen. Danach wollte ich nach Hause fahren.

Warum haben Sie es nicht getan?

Ich bin ins Trainingslager gefahren, um mich im Guten von der Mannschaft zu verabschieden. Aber Vogts und Heynckes haben mich ins Gebet genommen. Jupp war richtig sauer auf mich. Sie haben mir gesagt: Wir sind seit zehn Jahren eine Mannschaft. Du schuldest uns, dass du bei der Mannschaft bleibst und dich auf die Bank setzt.

Das haben Sie gemacht?

Ja. Ich habe es eingesehen, dass ich es der Mannschaft schuldig bin. Aber ich bin nicht mit dem Mannschaftsbus mitgefahren – sondern mit dem Ferrari hinterher. Das hat schon vor dem Spiel für Tumulte gesorgt. Im Stadion wurde es dann erst richtig laut.

Warum?

Die Fans haben mitbekommen, dass ich nicht spiele, und haben angefangen zu pfeifen. Dabei war es mein Glück, dass ich nicht von Anfang an gespielt habe, Weisweiler lag genau richtig.

Wie das?

Es war über 30 Grad heiß, 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und ich war nicht gut in Form. Weisweiler hat mir einen Gefallen getan. Ich hätte die volle Spielzeit nicht durchgestanden. Das Spiel war großartig, ging permanent rauf und runter. Aber zur Pause wollte Weisweiler, dass ich jetzt reinkomme: Ich habe ihm gesagt, nein, ich geh da nicht rein. Die Mannschaft spielt so großartig, ich kann ihr nicht helfen. Aber dann kam die Verlängerung.

Haben Sie sich wirklich selbst eingewechselt?

Vor der Verlängerung kam Christian Kulik, eines der größten Talente Deutschlands, und warf sich vor mir zu Boden. Ich fragte ihn, ob er nicht mehr spielen kann. Er meinte, er könne nicht einmal mehr aufstehen. In dem Moment habe ich mir instinktiv die Trainingsjacke und die Trainingshose ausgezogen. Die Leute haben gemerkt, dass ich was vorhabe. Dann bin an der Trainerbank vorbei und meinte: Ich spiele jetzt. Weisweiler hat nichts getan. Was hätte er auch machen sollen?

Und dann?

Es passierte etwas, was nie dagewesen ist: Rainer Bohnhof und ich haben Jahre lang Doppelpass geübt, nie hat es geklappt und ausgerechnet im Pokalfinale hat es nach wenigen Sekunden funktioniert. Der Ball springt aber kurz vor mir noch mal auf. Deshalb treffe ich ihn nicht richtig. Es wäre auch nur ein harmloser Schuss geworden. So treffe ich ihn mit dem Außenspann, der Ball schlägt oben im Tor ein und wir gewinnen das Spiel. Jetzt fingen die Leute an, über Weisweiler herzuziehen, aber ich habe ihn immer verteidigt. Er hat alles richtig gemacht. Ich wäre nicht fähig gewesen, so über 90 Minuten zu spielen.

Dann sind Sie doch zu Madrid gewechselt. War es das Geld?

Ja. Natürlich.

Wie viel war es denn?

Gar nicht mal so viel. Zuerst wollte mich der FC Barcelona. Doch dann verpflichteten die Rinus Michels als Trainer. Der wollte in Spanien sein Ajax Amsterdam aufbauen und Johan Cruyff und Johan Neeskens verpflichten. Damals durften in Spanien nur zwei Ausländer pro Verein spielen. Dann hat jemand mich zu Real Madrid vermittelt.

Die konnten zahlen?

Mein Kontaktmann hatte mich mit 350.000 Mark gelockt. Als ich aber mit dem Präsidenten verhandelte, wollte er das nicht zahlen. So viel verdiene seine halbe Mannschaft nicht zusammen. Was damals stimmte. Er wollte wissen, was mir Real Madrid wert sei. Und ich sagte 300.000 Mark. Wir einigten uns dann auf 295.000 Mark – es sollte keine 3 vorne stehen. Was mir aber in Erinnerung bleibt, ist nicht das Geld.

Sondern?

Real Madrid ist so ein beeindruckender Verein. Das Stadion. Die Trophäensammlung. Die Trikots. Wer davon nicht beeindruckt ist, gehört nicht in den Fußball.

Wieso die Trikots?

Die waren damals noch blütenweiß: Kein Name. Keine Trikotwerbung. Das sah großartig aus.

Nach Madrid und einem Jahr in Zürich haben Sie ihre Karriere beendet und wurden Manager beim Hamburger SV. Wollten Sie Ihre Erfahrungen aus Spanien in der Bundesliga umsetzen?

Nein. HSV-Präsident Paul Benthin wollte mich haben. Ich wollte aber nur die Stadionzeitung machen wie in Gladbach. Er meinte, es gehe nur beides zusammen. Also wurde ich Manager. Aber ich habe gesagt. Ich kann das nicht. Ich werde aber mein Fußballwissen einbringen. Also haben wir Externe eingestellt. Ich habe nie Berührungsängste gehabt, sondern immer gewusst: Du musst nicht alles allein machen. Das ist auch eine Gabe. Teamarbeit hat mir immer Spaß gemacht.

Sie haben als Manager etwa zur gleichen Zeit angefangen wie Uli Hoeneß in München. Sie haben beide auf unterschiedliche Weise für einen Modernisierungsschub in der Bundesliga gesorgt, etwa indem Sie Externe geholt haben. Sind Sie damit einer der Väter der modernen Bundesliga?

Es ist schön, wenn Sie das so sehen. Uli Hoeneß und ich sind unterschiedliche Typen. Wir haben dann für die beiden erfolgreichen Teams der kommenden Jahre gearbeitet. Wenn Sie wollen, nennen Sie das Modernisierungsschub.


Lesen Sie aus unserer Serie 60 Jahre Bundesliga auch >>>

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 14 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

14 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Mozartin
1 Jahr her

NETZER DER GROßE!
Schönes Interview.
Solange Netzer dort spielte, war ich Fan von Borussia Mönchengladbach und ich weiss immer noch nicht, wo das liegt.
Genauso, wie Netzer im Interview rüberkommt, habe ich ihn eingeschätzt.
Ein Fussballer durch und durch, mit der Fähigkeit selbst zu denken und dann zu entscheiden.
Dass ich Fussball immer sehr mochte, obwohl ich in Mannschaftssport generell schlecht war, lag nicht nur an meinem Vater, sondern an Günter Netzer.
Er lebe lang und glücklich.

ReneKall
1 Jahr her

„Du schuldest uns, dass du bei der Mannschaft bleibst und dich auf die Bank setzt.“
Ich als Effzeh Irrer muss natürlich sagen, dass es mir lieber gewesen wäre wenn er nach Hause gefahren wäre. Aber das ist halt Fußball und es fasziniert die Fußballwelt noch heute.

Bei aller Rivalität war es trotzdem bewundernswert, was die Gladbacher auf die Beine stellten.

Danke für diese Interviewserie!

Dellson
1 Jahr her

Wer diese Zeit erlebt hat und verinnerlicht hat, der kann verstehen warum die Menschen heute so polarisiert und unzufrieden sind mit der herrschenden Klasse. Damals war die Zeit auch im Umbruch, im Wandel. Es war die Zeit als man sich von der strammen Disziplin der Obrigkeit gelöst hat. Man hat auch opponiert, aber mit dem Argument des besser Machen und der konstruktiven Änderung. Vieles wurde moderner und auch wirklich fühlbar freier. Heute verkauft man genau diese Parole den Leuten und meint damit aber die bedingungslose Zustimmung zu der herrschenden Klasse und ihrer verengten, destruktiven, ideologischen Programmatik. Nichts wird freier, befreiter,… Mehr

Ralf Poehling
1 Jahr her

Es sind letztlich immer die unangepassten „echten“ Querköpfe, die festgefahrene dysfunktionale Strukturen knacken. Das geht immer einher mit Krawall. Anders geht es aber einfach nicht. Im Nachgang, wenn es denn dann richtig läuft, versteht das plötzlich jeder. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Er hasst Veränderungen. Unabhängig davon, ob sie schlecht oder am Ende gut sind. Aber da müssen alle durch. Auch wenn es zunächst weh tut.

Manfred_Hbg
1 Jahr her

„Schönes“ Interview ? Die 1960/70er war ja meine Zeit. Und auch wenn ich als schon damals sportbegeisterer junger Typ neben Kampfsport auch vereinsmäßig Fußball gespielt habe(über drei Tage im HSV-Trainingszentrum wohnend auch den Schiedsrichterschein erworben hatte), war ich nach den HSV auch ein riesiger Fan von Mönchengladbach und G.Netzer mit seinen seinen tollen und beim Mitspieler haargenau ankommenden langen Pässen. Nun ja, ich weiß nicht…. -aber wenn ich heute so an die damaligen -auch internationalen- (National-)Spieler während der 1960/70 bis Ende 1980/Anfang 1990 denke und die mit den heutigen Fußballspieler vergleiche, dann habe ich das Gefühl, dass die damaligen Spieler… Mehr

what be must must be
1 Jahr her

legendär, legendärer,am legendärsten – tolles Deutsch. Ich lerne immer noch was dazu.

gast
1 Jahr her

Das ist nett und erweckt Erinnerungen, was Herr Netzer erzählt. Aber heute hat man den Eindruck, die Spieler werden wie Vieh gehandelt. Früher auf dem Pferdemarkt wurde das Gebiss des Tieres begutachtet, um sicher zu sein, nicht ein krankes Tier zu kaufen. Die Millionenboys im Fußball müssen ihr Innerstes nach außen kehren, um als Handelswahre durchzugehen. Das ist nur noch abartig.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Das waren Zeiten, auch im Fußball. Die Mannschaften damals hatten und mussten sich ihre Erfolge hart erarbeiten und verdienen. Vielleicht ist deshalb ihr Bezug zum Fußball ein anderer, ernsthafterer. Die Spiele der Nationalmannschaft in den 70ern waren spannend, waren mitreissend.

BK
1 Jahr her

Wenn man das so liest, Günther, Uli, Berti, Rainer, Paul und Christian, dann versteht man schon, warum man heute nicht mehr Nationalmannschaft sagen kann. Heute ist das mehr wie Völkerball auf dem Platz der Kulturen. ?

gast
1 Jahr her
Antworten an  BK

Haha. Jetzt versteh ich endlich mal, was Völkerball ist.

Delarue
1 Jahr her

Bin in Braunschweig geboren und glaube mich zu erinnern,daß Herr Mast,damals Eigentümer von „Jägermeister“ die erste Trikotwerbung durchgekriegt hat.
War etwas komisch: Ausgerechnet Schnaps und Sport..

K-Jettie
1 Jahr her
Antworten an  Delarue

Schauen Sie doch mal auf die Rennwagen dieser Zeit: Martini, Jägermeister, Diebels, Mampe und viel andere Marken alkoholhaltiger Getränke. Damals traute man den Leuten offenbar noch zu, dass sie unterscheiden konnten zwischen dem Sport und dem Genuss danach oder beim zuschauen.