Ampel-Zoff um Kindergrundsicherung – Geht es um 2 oder 12 oder 20 Milliarden Euro?

Bundesfinanzminister Christian Lindner will 2 Milliarden für das Ampel-Projekt Kindergrundsicherung ausgeben, Familienministerin Lisa Paus forderte 12 Milliarden – und blockierte dafür das „Wachstumschancengesetz“ im Kabinett. DIW-Chef Fratzscher und Co. drehen derweil an der Schraube und verlangen 20 Milliarden Euro.

IMAGO / Political-Moments
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), Kabinettssitzung, 24.05.2023, Berlin

Jede Laienspielertruppe ist kompetenter, konsequenter, konstruktiver; auch dort gibt es mal Zoff, aber am Ende bekommen sie ihr Stück auf die Bühne. Die „Ampel“ kriegt fast nichts auf die Bühne. Nicht einmal nach der Sommerpause. Der wievielte Fehlstart ist es?

Dabei hat sich die „Ampel“ doch so viel vorgenommen, nichts Geringeres als die Transformation Deutschlands. Aber auch 20 Monate nach Regierungsantritt kommt sie außer mit ein paar Prestigeprojekten für Lobby-Minderheiten (Cannabis-Freigabe, Selbstbestimmungsgesetz) nicht voran.

Nun steht im rot-grün-gelben Koalitionsvertrag neben viel Lyrik und viel missionarisch anmutender Botschaft zum Beispiel:

„Jedes Kind soll die gleichen Chancen haben. Diese Chancengleichheit ist aber noch lange nicht Realität. Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen, werden mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen.“

Was „Armut“ ist, lassen wir mal außen vor, denn das ist bekanntermaßen eine sehr relative Größe, definiert als „weniger als 60 Prozent des mittleren Netto-Haushaltseinkommens“. Wenn also deutsche Haushalte im Schnitt über mehr Geld verfügen, gibt es mehr Arme; und wenn Deutschlands Haushalte über weniger Geld verfügen, gibt es weniger Arme. Oder?

Aber lassen wir das. Die Sache mit der Kindergrundsicherung sollte nun konkret werden, aber die „Ampel“ zofft sich. Familienministerin Paus (Grüne) und Finanzminister Lindner (FDP) kommen nicht auf den berühmten grünen Zweig. Lindner will nur 2 Milliarden zusätzlich für Kindergrundsicherung ausgeben, Paus will 12 Milliarden haben, Einflüsterer von außen fordern 20 Milliarden zusätzlich. Weil Paus von Lindner die 12 Milliarden nicht bekommen soll, blockierte sie in der Kabinettssitzung vom 16. August Lindners sogenanntes Wachstumschancengesetz, mit der er die Wirtschaft um jährlich rund 6,5 Milliarden Euro entlasten will. Begründung von Lisa Paus: Diese 6,5 Milliarden seien zu hoch.

Worum es geht

Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 aus einem für alle Kinder gleich hohen Garantiebetrag, der das heutige Kindergeld (aktuell 250 Euro, demnächst womöglich 290 Euro) ablöst, und einem einkommensabhängigen Zusatzbetrag bestehen. Den Betrag sollen alle Kinder bis zu einem Alter von 18 Jahren als Kindergrundsicherung erhalten. Wer danach eine Ausbildung macht, kann die Kindergrundsicherung bis zum 25. Geburtstag bekommen. Volljährige Kinder, die nicht mehr bei ihren Eltern leben, sollen den Betrag direkt erhalten.

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Alle zwei Jahre soll die Höhe des Betrags überprüft und unter Umständen angepasst werden. Der Grundbetrag der Kindergrundsicherung tritt an die Stelle des Kindergeldes, er kann nicht mit Sozialleistungen wie etwa dem Bürgergeld der Eltern verrechnet werden. Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag sowie Teile des Bildungs- und Teilhabepakets sollen also künftig gebündelt werden. Familien ohne oder mit geringem Einkommen erhalten die gesamte Leistung in Höhe von 573 Euro.

Zurück zum „Ampel“-Zoff: Die Regierung möchte Ende August in Meseberg über die Kindergrundsicherung entscheiden und dort auch über die Form der Zusammenarbeit in der „Ampel“ reden. Lindner gibt sich bedeckt. Paus meint: „Der Gesetzentwurf ist mittlerweile im Vorhabenclearing und liegt dem Bundeskanzleramt und auch dem Bundesfinanzministerium vor. Wie vom Kanzler gewünscht, habe ich unterschiedliche Varianten vorgelegt.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte ein schriftliches Machtwort gesprochen und Paus aufgefordert, bis Ende August einen in der Regierung geeinten Gesetzentwurf vorzulegen.

Alles nur Theaterdonner einer Laienspieltruppe?

Lisa Paus rückt derweil von ihren Forderungen ab. Soeben sagte sie: „Die Kindergrundsicherung ist das wichtigste sozialpolitische Projekt der Bundesregierung.“ In der „Welt“ und im „Spiegel“ nannte sie nun urplötzlich einen Korridor „von zwei bis sieben Milliarden Euro“.

Das hinderte NGOs und „Räte“ nicht daran, mit den „Grünen“ über Bande zu spielen, sprich: Sie schraubten die Erwartungen nach oben. Für die Diakonie zum Beispiel ist keine der von der Ampel veranschlagten Summen ausreichend: Notwendig wären nach ihren Angaben mindestens 20 Milliarden Euro. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, assistiert, er dringt auf eine rasche Einführung der Kindergrundsicherung. „Große Sorge bereitet mir, dass die Kindergrundsicherung aus Kostengründen scheitern könnte“, sagte Fratzscher am Freitag, 18. August, bei einem gemeinsamen Auftritt vor der Bundespressekonferenz auf der Basis einer gemeinsamen Diakonie/DIW-„Untersuchung“.

Die CDU-Opposition hält sich aus der Kindergrundsicherung merklich heraus, ihr geht es um Linders Plan einer Entlastung der Wirtschaft. CDU-Generalsekretär Linnemann mahnte ein umfassendes Programm zugunsten der schwächelnden Wirtschaft an. „Es bringt jetzt nichts, hier und da mal Abschreibungsregeln zu verbessern. Unser Land braucht jetzt ein Gesamtkonzept, eine Agenda 2030“, sagte Linnemann der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe darum, dass Leistung sich wieder lohne, dass Fördern und Fordern wieder stattfänden, dass der Staat, insbesondere die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, funktionierten. Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, warnte, es drohe „eine heftige Deindustrialisierung“; Wolf forderte „kurzfristige Impulse, die der Wirtschaft noch dieses Jahr helfen“.

Wir sind gespannt auf die Meseberger Gruppentherapiestuhlkreissitzung!


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Kommentare ( 97 )

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Werner Pfetzing
1 Jahr her

Warum beschränkt sich Frau Paus nicht auf die einkommensabhängige (!) Zuwendung für Kinder ? Dann hätte sie auch mehr finanziellen Spielraum.

Benedictuszweifel
1 Jahr her

Jetzt, im Ernst: jetzt? Schauen Sie doch mal in den Haushaltswurf des Bundes alleine für 2024: Und: Alles in Scherben, von Kranken- über Rentenkassen, Bahn, Straßen und Brücken und sonstige Infrastruktur, über Industrie und ungebremste Massenmigration in die Sozialsysteme bis zu einer verheerenden Schul- und Ausbildungskatastrophe. Da gab und gibt es ungedeckte Milliarden- bis Billionenausgaben in Klima- und COVID „Rettung“. Das Geld ist nicht weg, es gehört nur jemand anderem (VdL, Habeck-Freunden, Pfizer und Biontec, Blackrock, Al Gore, Bill Gates, den anderen EU und sonstigen „Entwicklungsländern“, den Clans und Sozialkassenbetrügern und den NGOs etc. (habe keine 2 Wochen Zeit, um… Mehr

alter weisser Mann
1 Jahr her

Den Sozialstaatsaufbläsern ist jeder Anlass recht, den Blasebalg zu betätigen.
Bekommen die Boomer eigentlich Nachzahlungen, die haben ihre Kinder ja fast für lau für den Staat großgezogen. Oder gibt es nur den Vorwurf, dass es zu wenige Kinder waren?

Last edited 1 Jahr her by alter weisser Mann
ketzerlehrling
1 Jahr her

Nicht mehr? Das sind Peanuts angesichts der permanent wachsenden Zahl von Illegalen und deren Vermehrfreudigkeit.

AlpenLady
1 Jahr her

Vorschlag:
Statt Kindergeld/Kindergrundsicherung
Ganztags-Schulen (und Kindergärten) mit Mittagessen und nachmittags Hausaufgabenbetreuung, Sport und Spiel,
und die älteren Schüler und Schülerinnen übernehmen dabei auch einige Aufgaben (soziales Miteinander und Verantwortung).

Damit könnte man wirksam die Schulbildung fördern und das soziale Miteinander, also Chancengleichheit für Alle.

Die Mittel für Kindergeld/Kindergrundsicherung werden direkt an die Kommunen weitergeleitet.
Zweckentfremdung der Gelder innerhalb der Familien entfällt, ebenso das Abließen der Gelder an Familienangehörige außerhalb Deutschlands.

.

alter weisser Mann
1 Jahr her
Antworten an  AlpenLady

„und die älteren Schüler und Schülerinnen übernehmen dabei auch einige Aufgaben (soziales Miteinander und Verantwortung)“
Freizeitbetreuer werden bittschön bezahlt, sollte kein Problem sein, wenn die eltern dann ja arbeiten gehen.

Kuno.2
1 Jahr her

Wozu brauchen wir denn auf einmal ein Gesetz zur „Kindergrundsicherung“?
Die Bundesrepublik hat bis der Zäsur durch Merkel über 40 Jahre das nicht gebraucht und jetzt aufeinmal? Kinder sind keine selbständig handelnden Subjekte und Verträge mit Kindern sind nicht justitiabel.
Dafür gibt es die Eltern- nur diese sind und sollten für ihre Kinder verantwortlich sein. So war es immer! Auf einmal soll das angeblich gebraucht werden?
Das ist doch nur wegen den in Millionenstärke eingewanderten Sozialbedürftigen so! Das ist also ein weiterer großer Kostenpunkt zu Lasten der einheimischen Staatsbürger.

Nibelung
1 Jahr her

Grundsätzlich sollte man vielleicht zuerst feststellen, auch wenn es hart klingt, daß aus faulen, unfähigen, verantwortungslosen, leichtsinnigen oder berechnenden Klein-Verbünden nichts vernünftiges erwachsen kann und das sollte man zuerst zur Tagesordnung machen, bevor man sich anschickt aus armen Kindern und ihren Erzeugern vermögendere zu machen, zu Lasten der Leistungsbereiten, die in der Regel mit einer völlig anderen Einstellung ans Werk gehen und allenfalls Hilfe benötigen, wenn sie durch äußerst unglückliche Umstände durch Krankheit oder andere widrige Einflüsse Hilfe benötigen, denn für das Lebensglück ist man selbst zuständig und deshalb muß man Grundlagen schaffen, daß man es auch erfahren darf und… Mehr

IJ
1 Jahr her

Kopfrechnen im grünen Familienministerium: 12 ist 6 mal so viel wie 2, aber 20 ist nicht mal doppelt so viel wie 12. Also sind doch 20 Mrd. viel sparsamer als 12 Mrd. Kurzum: Alles lässt sich framen und gendern – auch das Einmaleins!

Judith Panther
1 Jahr her

„Was „Armut“ ist, lassen wir mal außen vor, denn das ist bekanntermaßen eine sehr relative Größe“
Lieber arm in Kalkutta als kein Geld auf Sylt.

Last edited 1 Jahr her by Judith Panther
jwe
1 Jahr her

Ich würde eigentlich gern wissen, wie viele von den KIndern, die von der KIndergrundsicherung profitieren sollen, aus Migrantenfamilien stammen. Geht es wieder darum, mehr Geld an Migranten zu verteilen, dass anschließend zur Unterstützung der Sippe in Afrika, Arabien oder Afghanistan landet?
Fragen über Fragen, auf die wir wahrscheinlich keine Antworten erhalten. Die Antworten könnten von rechten Parteien mißbraucht werden.