Der Tut-Nichts-Kanzler

Die Industrie leidet unter hohen Strompreisen. Landespolitiker fangen an, sich Sorgen zu machen. Sogar die gelähmten Industrieverbände regen sich. Der Kanzler ignoriert den Ernst der Lage.

IMAGO / Panama Pictures
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Unternehmertag NRW in Düsseldorf, 16.08.2023

Olaf Scholz ist ein erklärter Gegner eines subventionierten Industriestrompreises. „Eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben“, sagte er am Mittwochabend in einer Rede beim Unternehmertag NRW in Düsseldorf. „Das wäre ökonomisch falsch, fiskalisch unsolide und würde sicherlich auch falsche Anreize setzen.“

Stattdessen setzt der Kanzler vorgeblich auf eine „strukturelle Senkung“ der Energiekosten. Es sei wichtiger, die Strompreise dauerhaft runterzukriegen, sagte er vor einigen Tagen im ZDF-„Sommerinterview“. Daher kümmere sich die Bundesregierung um den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien sowie der Stromnetze.

Zwischen den Zeilen gelesen
Olaf Scholz, der redselige Nichtssager
Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte einen verbilligten Industriestrompreis ins Spiel gebracht. Dieser sollte zeitlich befristet für Unternehmen gelten, die besonders energieintensiv produzieren und einem starken internationalem Wettbewerb ausgesetzt sind.

Der Industriestrompreis ist umstritten. Am grundlegenden Problem, dass die Energiekosten in Deutschland zu hoch sind, ändert der Industriestrompreis nichts. Er gleicht nur den hohen Kostendruck teils aus, dem sich die Energieproduzenten ausgesetzt sehen. Erneuerbare Energie zu produzieren ist ineffizient, es braucht große Investitionen, um Strom in volkswirtschaftlich relevanten Mengen zu produzieren. Im Strommarkt gibt der teuerste Stromproduzent, der im Moment liefert, den Preis vor. Stromproduzenten werden nach aufsteigenden Kosten sortiert ans Netz geholt. Ein robuster Mechanismus zur Preisfindung: In Zeiten des Mangels werden teure Kraftwerke ans Netz geholt, was Kraftwerke mit günstigeren Produktionskosten profitabler werden lässt – der Anreiz für Neuinvestitionen steigt.

Doch das setzt voraus, dass Kraftwerke gebaut werden können. Stattdessen werden günstige Kraftwerke vom Netz genommen, zuletzt durch den Atomausstieg. Bis 2038 steigt Deutschland aus der Kohleverstromung aus. Es bleiben ineffiziente erneuerbare Energien und teure Gaskraftwerke, die noch gebaut werden müssen. Dieser Bau wird zurzeit von der EU blockiert. Es stellt sich also die Frage: Wie will die Politik den steigenden Strompreisen begegnen? Eine Ausweitung günstiger Produktion ist jedenfalls nicht der Plan. Die versprochenen Preissenkungen durch Ausbau der Produktion werden noch lange Jahre auf sich warten lassen. Wenn sie sich überhaupt realisieren lassen. Der Kanzler tut nichts, um diese Situation aufzulösen.

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Gleichzeitig verzerrt der Industriestrompreis den Wettbewerb scharf. Großverbraucher und Industrien werden mit Steuern subventioniert. Im Zweifelsfall bedeutet das, dass die Großbäckerei mit den Steuern des Dorfbäckers subventioniert wird, denn ersterer gilt als Großverbraucher. Diese Subvention würde große, oft multinationale Konzerne gegenüber den kleinen, im Land gefangenen Betriebenen weiter stärken. Der Industriestrompreis ist auch ökonomisch nicht darstellbar. Die Zinsbelastung des Haushalts verzehnfachte sich im letzten Jahr. Die Steuern zu senken ist kaum möglich, wenn gleichzeitig Milliarden an die Industrie für Stromsubventionen fließen. Es wäre eine reine Umverteilung von den Bürgern an die Unternehmen.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch zeigt sich trotz der ablehnenden Haltung des Bundeskanzlers zuversichtlich hinsichtlich der Einführung eines Industriestrompreises. „Davon werden wir ihn, denke ich, überzeugen können“, sagte er am Donnerstag den Sendern RTL und ntv. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sei in wenigen Wochen in Klausur und werde dazu auch Beschlüsse fassen, sagte Miersch. „Und dann geht es darum, mit den Koalitionspartnern zusammen eine gute Lösung zu entwickeln.“ Versucht die SPD den Aufstand gegen den eigenen Kanzler? Die Industrie sei in „schwerem Fahrwasser“, so Miersch.

Aus der Industrie kommen erste Hilferufe

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, hat die Bundesregierung aufgefordert, schnellstmöglich das Wachstumschancengesetz sowie weitere Reformen zu verabschieden, um die Konjunktur in Schwung zu bringen. Der regierungsinterne Streit um das Gesetz sei „ein verheerendes Signal“. „Ich erwarte vom Bundeskanzler, dass er bis zur Kabinettsklausur in Meseberg eine Einigung herbeiführt, damit das Gesetz schnellstmöglich in Kraft treten kann“, sagte Wolf t-online.

„Falls die Ampelregierung bei ihrer nächsten Kabinettsklausur in Meseberg Ende August nicht zu wirklich überzeugenden Beschlüssen kommt, droht uns eine heftige Deindustrialisierung.“ Es bedürfe jetzt „kurzfristiger Impulse, die der Wirtschaft noch dieses Jahr helfen“, so Wolf weiter. „Und dann braucht Deutschland eine echte Agenda 2030. Damit meine ich ein umfassendes Modernisierungspaket, das die Rahmenbedingungen in unserem Land grundlegend verbessert, das dafür sorgt, dass Firmen wieder gern bei uns investieren und hier Arbeitsplätze schaffen.“

Dauerkrise der Bundesregierung
Hallo Fehlstart, die Ampel kommt schlecht aus der Sommerpause
Deutschland sei eine „bequeme Wohlstandsgesellschaft“ geworden, so sein Eindruck. „Ich habe leider den Eindruck, dass vielen die Dramatik der wirtschaftlichen Lage nicht bewusst ist“. Und: „Dabei muss die Ruck-Mentalität von der Regierung ausgehen.“ Eine Hau-Ruck Mentalität, die die Regierung bisher in der Sommerpause vermissen lässt.

Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kritisiert Bundeskanzler Olaf Scholz für dessen Absage an einen Industriestrompreis. „Der Kanzlerkandidat Scholz hat der Industrie 2021 einen Industriestrompreis von vier Cent versprochen, der Kanzler Scholz hat diese Zusage nun auf bemerkenswerte Art und Weise wieder zurückgenommen“, sagte er der Rheinischen Post. „Das ist eine herbe Enttäuschung für unsere Wirtschaft und hunderttausend Arbeitnehmer gerade in Nordrhein-Westfalen“, fügte er hinzu.

Mit der Rücknahme seiner Unterstützungszusage schwinde das Vertrauen der Wirtschaft in diese Bundesregierung weiter rapide, so der CDU-Politiker. Der Kanzler sei dem Industriestandort Deutschland „weiter eine klare Antwort schuldig, wie er das Problem der hohen Energiepreise lösen will“.

Das Wachstumschancengesetz, das Wolf gefordert hatte, ist bisher im Kabinett gescheitert. Von der FDP ausgehend sollte es Steuererleichterungen von 6,5 Milliarden pro Jahr umsetzen. Im Gegenzug sollte das Mandantengeheimnis für Steuerberater und Anwälte aufgelöst werden, die nun Mandanten beim kleinsten Verdacht einer Steuerhinterziehung melden müssen. Doch das Gesetz wird von Familienministerin Lisa Paus blockiert, die Geld für ihre Kindergrundsicherung haben möchte.

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Kommentare ( 78 )

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St.Elmo
1 Jahr her

Um die Energiekosten zu senken, müsste die Regierung nur die Steuern, Abgaben und Gebühren reduzieren die mittlerweile über 50% des Strompreises ausmachen.

Donostia
1 Jahr her

Es sei wichtiger, die Strompreise dauerhaft runterzukriegen, sagte er vor einigen Tagen im ZDF-„Sommerinterview“. Daher kümmere sich die Bundesregierung um den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien sowie der Stromnetze.
Somit hat er seine Unfähigkeit bewiesen, denn die „erneuerbaren“ Energien sind der Grund für teure Energie. Je höher der Anteil der erneuerbaren Energien ist, desto teurer wird der Strom.

taliscas
1 Jahr her

Der Sozialdemokrat Helmut Schmidt bezeichnete einmal eine Politik, die nicht recht weiß, was sie tun soll und muss als „ Politik wie der Bulle pisst“.
Die rotgrüngelbe Gurkentruppe bringt nicht mal einen Piselstrahl zustande, der auch nur annähernd etwas Positives bewirkt. Der erbärmliche Applaus nach „cum ex“ Scholzens Rede auf dem NRW Arbeitgebertag sagte alles. Das regierende Gesindel muss weg. Es ist 1 Minute vor 12.

Gert Friederichs
1 Jahr her

Zitat: „Im Gegenzug sollte das Mandantengeheimnis für Steuerberater und Anwälte aufgelöst werden, die nun Mandanten beim kleinsten Verdacht einer Steuerhinterziehung melden müssen.“
Nichts wie raus aus dieser Bruchbude BRD, solange die nicht eine neue „Mauer“ gegen Ausreisewillige errichten. Die ersten Steine liegen schon festgefügt rundherum.

JuergenR
1 Jahr her

Nehmen wir nur mal Marcel Fratzscher, Präsident des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)“, der wahre Jubelarien auf die Regierung singt. Bei solchen „Beraten“ kann nichts Vernünftiges heraus kommen. Bei den „Fünf Weisen“ aber auch nicht.

jopa
1 Jahr her

Dieses Land ist im Untergang. Der Untergang folgt einer e-Funktion, ganz langsam und unsichtbar fängt es an. Wenn man es selbst bemerkt, wie jetzt, ist es schon zu spät, denn den Untergang in seinem Lauf halten weder Scholz noch Habeck auf. Die anderen bemerkten es viel früher, dann gilt: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, zumindest bis die Konten leer und die Vorräte verbraucht sind.

H. Priess
1 Jahr her

Tunix, Weißnix, Kannnix oder auch Scholz, Habeck und Bearbock.

Siggi
1 Jahr her

Der kleine Mann ohne Rückgrat ist völlig falsch am Platz. Wer seine Rede in München gehört hat, kann doch gar nicht anders denken. Was für eine Luftpumpe, was für ein Versager…

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Um wirklich etwas zu bewegen, müssten sich unsere energiepolitischen Geisterfahrer von ihrer vermurksten Energiewende verabschieden. Das werden die aber nicht tun. Ganz im Gegenteil, man wird den Schwachsinn weiterführen, um sich Zeit zu kaufen. Früher oder später wird es auch dem letzten naiven Michel auffallen, dass dieses Projekt gescheitert ist. Davor hat man Angst und ist bereit, den Industriestandort vor die Wand zu fahren, nur um das eigene Versagen nicht zugeben zu müssen. Alles was wir derzeit an politischen Winkelzügen und Pseudolösungen erleben, dient nur dem Zweck, in Sachen Energiewende nicht Farbe bekennen zu müssen. Wer eine unterbrechungsfreie Stromversorgung nur… Mehr

thinkSelf
1 Jahr her

Die „Wirtschaft“ schleimt weiterhin auf einer meterdicken Spur vor den Grünen herum und beleidigt mit wachsender Begeisterung den einfachen Arbeitnehmer, der im Gegensatz zu den Verbandsfuzzis produktiv tätig ist. Da hält sich mein Mitleid in arg engen Grenzen.