In Bayern verliert CSU in Umfragen – und in CDU ist Krieg aller gegen alle ausgebrochen

Sinkende Zustimmung für die CSU, die CSU besäße nach dieser Wahlumfrage keine eigene Mehrheit und müsste sich wieder einen Koalitionspartner suchen. In der CDU ist der„Krieg aller gegen alle“, wie Thomas Hobbes einmal formulierte, ausgebrochen. Es existieren nicht einmal mehr programmatische Aussagen jenseits der Phrasen, auf die man sich beziehen könnte.

IMAGO

Die Ergebnisse der Wahlumfrage für Bayern, die INSA im Auftrag von Bild zwischen dem 17.07. und dem 24.07. erhob und am 27.07. veröffentlichte, dürften den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder alarmiert haben, jedenfalls gab er kurz darauf der WELT ein langes Interview. Das ist nur folgerichtig für einen Politiker, dessen politische Präferenzen sich an der Frage ausrichten, wie er die Schlagzeilen beherrscht, nur dass sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende längst im Dickicht der Schlagzeilen verfangen hat. Würde am Sonntag gewählt werden, würde die CSU nur noch 38 % der Stimmen bekommen. Man könnte einwenden, dass die Stimmen für die CSU bei der letzten Wahl 2018 noch darunter lagen, nämlich bei 37,2 %.

Die Freien Wähler würden 11 % der Wähler von sich überzeugen. Das entspricht in etwa dem letzten Wahlergebnis. Die Grünen verlieren im Vergleich zur Wahl (17,6 %) und vor allem mit Blick auf die folgenden Höhenflüge, wo sie auch schon einmal bei 20 % gesichtet worden sind, und würden nun noch von 15 % der Wähler gewählt werden, die SPD würde 11 % erreichen und die FDP müsste mit 5 % um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Die AfD käme auf 14 %, im Vergleich zur Wahl 2018, in der sie von 10,2 % der Bürger gewählt wurde, beutetet das ein Zugewinn von 3,8 Prozentpunkten. Vermutlich würde der Zugewinn höher ausfallen, wenn nicht die Freien Wähler existieren würden.

Die CSU besäße nach dieser Wahlumfrage keine eigene Mehrheit und müsste sich wieder einen Koalitionspartner suchen. Markus Söder hat zwar im Interview die Freien Wähler als „bevorzugter Partner“ bezeichnet – doch sicher kann man sich nicht sein, ob am Ende die CSU nicht doch mit den Grünen koalieren wird. Söder sagt zwar jetzt angesichts der sinkenden Popularitätswerte der Grünen, dass die Grünen „ein anderes Gesellschaftsbild“ als die CSU vertreten, dass die Grünen „nicht nur regieren“, sondern „das Land erziehen“ wollen. „Das nervt viele Bürger: ob es um das Werbeverbot für Süßigkeiten, das Herabwürdigen von Fleisch oder das Gendern geht – die Deutschen sind erwachsen genug, selbst zu entscheiden, was sie essen oder wie sie sprechen wollen. Wir haben echt andere Probleme. Und, sorry: Auch das Konzept einer feministischen Außenpolitik gehört nicht zu den zentralen Sorgen der Deutschen.“ Nur, das klang alles schon einmal ganz anders.

Alles, was Söder aufzählt, ist zwar richtig, doch Söder drückt sich extrem und auffällig um das zentrale Problemfeld, um die Wirtschaftspolitik, auch wenn er moniert, dass Habeck nur Klima- aber nicht Wirtschaftsminister wäre. Alles was dem wolkigen Ministerpräsidenten zum Thema wirtschaftliche Niedergang, den er sogar benennt, einfällt, ist, „Senkung der Stromsteuer, die Reduzierung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel auf Null und die Abschaffung der Erbschaftsteuer auf das selbst genutzte Wohneigentum.“ Was ist mit dem Wärmepumpendiktat, was ist mit den Kernkraftwerken, mit der erratischen Förderung der Erneuerbaren Energien, mit den All-Eletric- und Wasserstoff-Utopien, was mit der Verschwendung von Steuergeldern im dreistelligen Milliardenbereich für den Ausbau Erneuerbarer Energien, für die Verlagerung von Wertschöpfungsketten ins Ausland, was mit der Finanzierung von Phantasie-Projekten in Namibia, in Indien, in Brasilien, vielleicht auch in der Ukraine? Was mit der fatalen Fesselung der Hermes-Bürgschaften an Erneuerbare Energien, was mit den ausufernden Berichtspflichten, den zu hohen Energiepreisen, der absurden Atemsteuer (C0-2-Bepreisung), was mit dem Phantasiehandel, namens Zertifikatehandel? Söder redet an den wirklichen Problemen gezielt vorbei.

Zwar teilt der bayerische Ministerpräsident in letzter Zeit gegen die Grünen aus, doch klang das vor zwei Jahren noch ganz anders, denn im Februar 2021 zeigte sich Söder überzeugt, dass eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene „ein spannendes Zukunftsteam“ wäre, „das Inspiration bieten könnte, weil es die ganz große Frage unserer Zeit in den Blick nimmt: die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie.“ Stellte sich Markus Söder das damals so vor, dass in einer schwarz-grünen Koalition die Union für die Ökologie und die Grünen für die Ökonomie zuständig wären? Denn die Union unter Merkel setzte die grüne Energiewende um, wodurch die Talfahrt der Wirtschaft begann, nur dass Merkel, wie Robert Habeck vor kurzem bemängelte, nicht konsequent, nicht schnell und nicht radikal genug vorgegangen sei.

Man versteht daher, weshalb Markus Söder nicht die zentralen Gründe für die De-Industrialisierung anspricht, denn im Februar 2021 klang Markus Söder nicht anders als Robert Habeck, als er zu Protokoll gab: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir beim Klimaschutz noch mehr tun müssen.“ Als zentrale Herausforderung einer neuen Bundesregierung sah Söder die Erderwärmung. Wie Habeck rief er nach einer „großen Wasserstrategie“ die „noch nicht richtig auf der Agenda“ wäre.

Hat Markus Söder schon vergessen, dass er vor noch nicht allzu langer Zeit wie ein Backfisch von seinem Idol von einer schwarz-grünen Koalition schwärmte? Er sah damals die Grünen und die Union „nah dran an einer solchen Kooperation“. Vor allem seien die Grünen in der Pandemie „ein verlässlicherer Partner als viele andere Parteien“ gewesen. Stimmt, Bürgerrechte, Freiheit, Demokratie mussten vor dem totalitären Furor der Grünen und Söders weichen. Auf die knallharte und konkrete Frage, ob es klug sei, wenn Merz die Grünen als „Hauptgegner“ bezeichnet, antwortete Söder nicht, weder ein Ja, noch ein Nein. Ob also nach der Wahl im Herbst Söder mit den Freien Wählern die Koalition fortsetzt oder wieder die Grünen als Traumpartner entdeckt, das weiß heute noch nicht einmal Markus Söder.

Dieser Wankelmut, dieser allein auf Schlagzeilen gerichtete Opportunismus werden für Markus Söder und für die CSU zunehmend zu einem Problem. Ich hatte vor der letzten Landtagswahl 2018 geschrieben: Die CSU wird unter Söders Führung zum tänzelnden Löwen. Jetzt allerdings ist er auf Glatteis geraten.

Söders Pirouetten auf dem Eis werden jedenfalls immer ungelenker und für die Wähler immer uninteressanter. In Bayern dürfte man eher die CSU als Markus Söder wählen, wie lange das noch gut geht, dass die Partei den Spitzenkandidaten trägt und nicht der Spitzenkandidat die Partei nach vorn bringt, wird man sehen.

Das einzige, was aufhorchen lässt, ist, dass Söder im Interview auf die ostdeutschen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und auf Reiner Haseloff verweist, wenn er sagt: „Was die neuen Bundesländer betrifft, würde ich raten, mehr auf Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und auf Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt zu hören. Man muss nicht jede Meinung teilen, aber man muss ehrlich darüber diskutieren.“

Allerdings nimmt durch die Konditionierung Söder die Semantik aus seiner Aussage. Doch sie ist ein Indiz dafür, dass der Machtkampf in der CDU tobt. Man könnte Söders Aussage auch so verstehen, dass er das in Machtkämpfen nach westdeutscher JU-Manier verstrickte westdeutsche Partei-Establishment davor warnt, die Rechnung ohne den Osten zu machen. Die Eingangsfrage, ob inzwischen in der CDU ein Flügelkampf zwischen Merkelianern und Merzianern wüte, die er ignorierte, hätte er damit – an anderer Stelle zwar – doch noch beantwortet.

Merkels Hinterlassenschaft in der CDU besteht darin, dass in der Partei niemand mehr über die Autorität verfügt, die Partei zu einen. In der CDU ist der „bellum omnium contra omnes – „Krieg aller gegen alle“ -, wie Thomas Hobbes einmal formulierte, ausgebrochen. Es existieren nicht einmal mehr programmatische Aussagen jenseits der Phrasen, auf die man sich beziehen könnte – sie sind in der Merkelschen Alternativlosigkeit grüner Gesinnungspolitik verdampft.

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