Franziskus jagt Gänswein vom Hof

Benedikts einstiger Privatsekretär, der Kurienerzbischof Georg Gänswein, muss bis zum 1. Juli die Vatikanstadt verlassen. So hat es Papst Franziskus beschlossen. Zurück geht es als Privatmann nach Freiburg. Das ist eine Demütigung – und ein Signal.

IMAGO / Independent Photo Agency Int.

Bereits am 19. Mai berief Papst Franziskus Erzbischof Georg Gänswein in einer Audienz zu sich. Dabei eröffnete ihm der argentinische Pontifex: Gänswein, der bis zum Tode Benedikts XVI. als dessen Privatsekretär diente, müsse die Vatikanstadt bis zum 1. Juli verlassen. Dies gehe aus „hochrangigen Kirchenquellen“ hervor, so die Welt.

Im Erzbistum Freiburg, aus dem der 66 Jahre alte Gänswein stammt, weiß man nichts Näheres zur Zukunft des einst engen Vertrauten von Joseph Ratzinger. Es stimmt, dass es zu den Ritualen des Vatikans gehört, dass die Privatsekretäre einstiger Päpste Rom üblicherweise verlassen. Es stimmt allerdings auch, dass dies unter anderen Vorzeichen geschieht. Stanislaw Dziwisz, Privatsekretär von Papst Johannes Paul II., stieg zum Erzbischof von Krakau auf. Loris Capovilla, Assistent Johannes XXIII., wurde Erzbischof von Chieti.

Gänswein wird lediglich als Privatmann in die Heimat zurückgesandt. Dabei existieren offene Stellen für einen Mann im Range eines Kurienerzbischofs. Seit Monaten verbreiten sich Gerüchte, Gänswein könne einen der vakanten deutschen Bischofsstühle besetzen. Derzeit unbesetzt sind Bamberg, Osnabrück und Paderborn. Aber auch eine Stelle an einem Wallfahrtsort wäre besser gewesen als die aktuelle Situation. Die Spekulation, Gänswein könnte als Botschafter nach Costa Rica gehen, entpuppte sich als heiße Luft.

Man kommt daher nicht umhin festzustellen, dass der Papst den in Ungnade gefallenen Gänswein vom Hof jagt. Der Vorgang macht auf die Öffentlichkeit den unangenehmen Eindruck einer unehrenhaften Entlassung. Schon in der Vergangenheit hat der Argentinier Benedikts Vertrauten gedemütigt. Offenbar möchte er ein Exempel statuieren. Nicht Barmherzigkeit, sondern Autorität prägt dieses Pontifikat.

Das mag mittelfristig die unsicher werdenden Reihen schließen. Langfristig könnte es aber zu einem Phänomen kommen, wie es schon in den Fällen Burke, Müller oder Viganò zuschlug. Der Geschasste erscheint als Märtyrer. Die Frage danach, ob der Barmherzigkeitsanspruch Bergoglios nur eine Patina bildet, unter dem eine peronistisch gefärbte Wesensart ruht, stellt sich erneut. Bereits jetzt erhält Gänswein Mitleid von Seiten, die ihm zuvor skeptisch gegenüberstanden.

Zugleich sendet Franziskus ein Signal. Hätte Gänswein eine Stelle in Deutschland bekommen, wäre er augenblicklich Teil der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) geworden. Deren Verhältnis zu Rom ist seit dem Beginn des „Synodalen Weges“ angespannt. Gänswein hätte als Teil der DBK eine Gegenposition aufbauen können. Er wäre ein vatikanischer Störenfried beim deutsch-katholischen Sonderweg gewesen.

Franziskus hat eine solche Situation bewusst vermieden. Vielleicht, weil er Gänswein keine Macht und Popularität zuschanzen wollte; oder weil er den Synodalen Weg doch nicht aktiv eingrenzen will, wie es die Kurie sonst zu behaupten pflegt. Vielleicht – und so ist zu befürchten – trifft jedoch auch beides zu.


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Kommentare ( 16 )

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fatherted
1 Jahr her

Gähn…..die katholische Kurie halt. In früheren Zeiten wäre er zum missionieren nach Afrika oder Asien geschickt worden….so kann er in Freiburg die Füsse hoch legen….Bücher schreiben die keiner liest und auf den nächsten Papst warten….falls das seine Absicht ist. Warum man ihn nicht in die DBK hineinversetzt hat?…weil man die Deutschen „machen lässst“. Gendern, Pride und Frauenpriesterschaft….man drückt die Augen zu…sendet Briefchen in denen steht, dass es so nicht geht….und vor allem: Kassiert die Hälfte der RKK Kirchensteuer….und das ist ein gewichtiges Pfund bei der Vatikanbank.

Manuela1973
1 Jahr her

Gänswein hat sich überschätzt.
Bestimmt wird er den einen oder anderen Punkt haben. Fakt ist aber meines Erachtens, dass ihn die Nabelschau mit beleidigter Oberlippe eher Prinz Harry ähneln lässt als einem guten Diener Gottes.

Waldorf
1 Jahr her

Wie auch immer, Gänswein ist ein Insider erster Güte und durch seine Nähe zu Ratzinger, Papst Benedikt, jahrelang im Zentrum der päpstlichen Macht gewesen. Ein solches Kaliber wird nie wieder reine „Privatperson“, der Macht Karriere oder stirbt früh/unerwartet (was wohl die „antike“ Variante war und heute Gottseidank deutlich seltener wurde, außer im Umfeld bestimmter PromisInnen der US-Demokraten) Insofern ist, wenn auch mit leichter Verzögerung, die weitere Karriere Gänsweins zu erwarten. Und die „synodalen“ Tendenzen der DBK sind eine andere Baustelle für jeden Papst, ein Problem erster Güte. Die deutsche Synode mag als eine neue, zweite Reformation gesehen werden, nur in… Mehr

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Früher hätte so etwas die Deutschen beschäftigt. Heute fragen die meisten: „Georg wer?“

Regina Lange
1 Jahr her

So ist er, der „Stellvertreter Christi“ auf Erden! Franziskus war mir von Anfang an unsympathisch! Irgendwie ist der Mann merkwürdig! Barmherzigkeit oder Güte kann ich bei dem nicht erkennen! Er ist ein reiner Machtmensch!

Talleyrand
1 Jahr her
Antworten an  Regina Lange

Merkwürdig ist er nicht. Er ist Jesuit. Vor ihm war keiner dieses Ordens Papst. Und es hat auch keiner die Camouflage Franziskus benutzt.

Regina Lange
1 Jahr her
Antworten an  Talleyrand

Ich kenne mich da wenig aus! Aber wenn alle Jesuiten so sind, sind sie halt alle merkwürdig.

Inga
1 Jahr her

Jetzt wollen wir mal den Tatsachen tapfer ins Auge blicken. Vorneweg, ich bin Atheistin, interessiere mich aber dafür, was in der Kirche allgemein so abläuft. Wer entsprechende Bücher von sog. Insidern gelesen und Interviews mit Gänswein gelesen hat, weiß, daß der charmante Herr Gänswein nicht unbedingt immer so loyal betreffs Bergoglio war, wie er immer tut. Gänswein, der Eitelkeit ganz und gar nicht abhold, wußte immer, wo die Kameras und Mikros stehen. Er war viele Jahre schlicht der Protegé Ratzingers, der immer dafür sorgte, daß es seinem Sekretär karrieremäßig gut ging, frei nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere.… Mehr

Karina Gleiss
1 Jahr her

Man könnte diese Aktion als einen Ritterschlag für Erzbischof Gänswein bezeichnen. Vielleicht betrachtet er es tief in seinem Innern ja genauso.
Mit der christlichen Lehre hat das, was unter dem Argentinier im Vatikan vor sich geht, jedenfalls kaum noch etwas zu tun. Dort wird rigoros gecancelt wie anderswo auch.

Last edited 1 Jahr her by Karina Gleiss
DiasporaDeutscher
1 Jahr her

Da bin ich wohl der Einzige hier, der Franziskus Handeln nicht verwerflich findet. GG kann sich eine Zeit lang in der Heimat erholen, bevor Franziskus Nachfolger ihn zum Kardinal erheben dürfte… e allora?

Farbauti
1 Jahr her

Ich hoffe das noch mehr Hüllen fallen in den Kirchen (beiden).
Dem sog. „Revoluzzerpapst“ wird m.E. der synodale Weg gut gefallen. Wenn dann erst mal das Kirchenvolk (wahrscheinlich die „Elite“ der Gemeinden) alles selbst bestimmt, erwarte ich noch mehr Sodom und Gomorra.
Vielleicht sollten alle leitenden Stellen in Politik, Wirtschaft, Kirche usw. mit ehrenamtlichen Kräften besetzt werden. Viele ohne Berufsausbildung kämen endlich in Arbeit (mini-midijob) und entlasteten den Staatshaushalt und die hohen Gehälter der jetzigen Experten fielen ja auch noch weg.
Schöne neue Welt. Welche Clique hat den Mann zum Papst haben wollen?

Evero
1 Jahr her

Es scheint, als können die selbsternannten Stellvertreter Christi auf Erden in Sachen Barmherzigkeit und Nächstenliebe noch etwas Nachhilfe gebrauchen. Sind sie vielleicht doch nur Beamte einer Weltreligion?