Kinder morden und vergewaltigen – fast so wie „Baby Gangs“ in Italien

In Deutschland steigt die Gewaltbereitschaft unter minderjährigen Kindern seit Corona enorm an. Experten nennen den Grund: Es fehle ihnen an Halt. Spanien und Italien zeigen, wohin das führen könnte.

IMAGO / Loop Images
Symbolbild

Kinder unter 14 Jahren morden, vergewaltigen und begehen auch sonst zunehmend mehr Straftaten: Von 2020 bis zum letzten Jahr hat die Zahl tatverdächtiger Kinder unter 14 Jahren fast um die Hälfte zugenommen (TE berichtete). Deutschland nimmt sich scheinbar ein Vorbild an Ländern wie Italien und Spanien: Aus diesen Ländern ist bereits seit längerer Zeit bekannt, dass sich Minderjährige in Gangs zusammentun. Diese verüben Diebstähle, handeln mit Drogen, erpressen Leute, begehen sogar Morde. In Italien ziehen nach Morgenpost-Berichten Elfjährige schon seit Jahren mit einer Waffe in der Hand los.

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In Spanien hat die Corona-Pandemie die sogenannten „Bandas Latinas“ stark anwachsen lassen, wie Euronews berichtete. Demnach sollen sieben dieser Jugendbanden mit lateinamerikanischen Wurzeln letztes Jahr allein in Madrid 2.500 Mitglieder gehabt haben: Zwei von dreien dieser Mitglieder waren minderjährig, einer von fünf war sogar jünger als 13 Jahre. Die Zahl der Gang-Mitglieder habe sich seit der Corona-Zeit verdoppelt.

„Baby-Gangs“ werden solche Banden in Italien genannt, denn auch in Italien sind die Mitglieder laut SRF oft nicht älter als elf oder zwölf Jahre. Nachdem zahlreiche Bosse der Camorra – der lokalen Mafia – hinter Gitter kamen, sind deren Kinder herangewachsen. Und die versuchen nun, wie SRF schreibt, das „Revier“ der Eltern zu übernehmen. Das Problem dabei sei, wie Mafia-Experte Roberto Saviano gegenüber der Berliner Morgenpost sagte, dass es beispielsweise in Neapel keinen geschützten Weg zum Heranwachsen gebe. Die Kinder würden schon in der Wirklichkeit geboren, mittendrin: „Seit ihrer Geburt war keinem Erwachsenen je eingefallen, dass es Wahrheiten, Ereignisse oder Verhaltensweisen gibt, die für ihre Ohren ungeeignet waren.“ So wüssten die Kinder dann bereits in jungen Jahren alles und redeten über Sex und Waffen, kritisiert Saviano.

Was in Italien Kinder von Mafiosi sind, sind in Spanien desorientierte Kinder, die leicht zu manipulieren sind, wie der Pastor Alberto Díaz gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) erklärt: „Die meisten Mitglieder kommen aus sozial benachteiligten oder zerrütteten Familien, die ihnen keinen Halt geben.“ Das Schlimme sei, dass die Kinder immer früher rekrutiert werden, führt Díaz weiter aus. „Zum Teil sind sie erst zehn oder elf Jahre alt.“ In diesem Alter seien die Kinder leicht zu manipulieren. Wenn sie dann drei, vier Jahre dabei seien und sich genug gewaltbereit zeigten, stiegen sie auf in der Hierarchie, betont er. Und gewaltbereiter werden sie auch: So hat sich laut NZZ die Zahl der bewaffneten Auseinandersetzungen in Madrid von 2021 bis zum letzten Jahr fast verdoppelt.

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Und auch in Deutschland werden Kinder immer krimineller: So gab es im vergangenen Jahr 93.000 tatverdächtige Kinder unter 14 Jahren, davon fast 10.000 Verdachtsfälle im Bereich „Gewaltkriminalität“, 18 Fälle im Bereich „Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen“ und 97 Fälle im Bereich „Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschließlich mit Todesfolge“. Wie TE berichtete, befürchten Experten, dass sich dieser Trend noch dramatisieren könnte, da viele Kinder in der Corona-Zeit ihren inneren Halt verloren hätten – so wie die Gangmitglieder in Spanien.

Italien und Spanien sehen sich schon länger damit konfrontiert, wie sie mit der steigenden Kriminalität unter den Jüngsten umgehen sollen. Immerhin sind Kinder in diesen Ländern, wie auch in Deutschland, erst ab einem Alter von 14 Jahren strafmündig. Vorher haben sie keine strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten. In Italien wurde 2017 diskutiert, ob dieses Alter herabgesetzt werden sollte, schreibt die Berliner Morgenpost. Neapels Bürgermeister Luigi de Magistris hielt dagegen: „Einen Elfjährigen ins Gefängnis zu stecken, ist eine Bankrotterklärung.“ Und ob eine Gefängnisstrafe für einen Elfjährigen etwas daran ändert, dass ihm sein innerer Halt fehlt, erscheint ebenfalls fraglich.

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Kommentare ( 53 )

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Clownwelt
1 Jahr her

Das erniedrigendste daran finde ich, dass von den Opfern auch noch erwartet wird, dass klaglos hinzunehmen. Wenn man sich einem „Kind“ mit einer tödlichen Waffe gegenüber einer robusten Notwehr bedient, wie man sie einem Erwachsenen angedeihen lassen würde, würde einem hinterher schon das Gericht, von der Familie ganz zu schweigen, klarmachen dass das keine gute Idee war.

rbayer
1 Jahr her

es ist schlimm, so etwas sagen (und schreiben) zu müssen: aber letztendlich geht es hier eben nicht (mehr) um die frage, ob eine maßnahme eine „bankrotterklärung“ darstellt oder ob man mit einer gefängnisstrafe jemanden zum guten oder zum bösen ändert oder gar nicht, sondern vielmehr: es geht darum, diese menschen, egal welchen alters, von der straße zu bringen, seien es gefängnisse, seien es heime. das wegsperren dürfte angesichts dieser biografien und taten – unbeschadet moralischer und ethischer bedenken, pastor hin oder her – der einzige weg sein, das problem wirkungsvoll anzugehen. man wird diesen weg wohl nicht gehen.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  rbayer

Gerhard Roth, ein deutscher Neurobiologe, hat vor Jahren einmal eine Studie mit straffälligen Jugendlichen erstellt, aus der hervorging, dass die Versuche, da „normalisierend“ einzugreifen und diese an die Gesellschaft anzupassen, eher zum Scheitern verurteilt sind. Allerdings war das bereits vor 2015 und wohl überwiegend mit Delinquenten, die hier sozialisiert waren. Dass es mit solchen, die in ganz anderen Welten ganz andere Vorstellungen des Durchkommens mitbekommen haben und zudem in einem engen Glaubenskorsett stecken, dass ganz anders in gut und böse trennt, wie wir das gelernt haben, halte ich für ein Gerücht. Weshalb aber lässt man solche nicht da, wo sie… Mehr

Unglaeubiger
1 Jahr her

Statt sich um Benachteiligte und gewaltbereite Kinder in Deutschland wirklich zu kümmern, holen wir immer mehr davon ins Land. So nach dem Motto: mehr hilft auch mehr. Bin dankbar schon so alt zu sein, diesem Wahn hilflos gegenüberzustehen ist sehr belastend wenn man an die Zukunft denkt.

Boris G
1 Jahr her

Langfristig wird auch die deutsche Justiz nachsteuern müssen. In dem Maße, wie die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit „conduct disorder“ (im Erwachsenenalter „antisoziale Persönlichkeitsstörung“) steigt, werden die Gesetze strenger werden müssen. Die USA lassen grüßen. Übrigens ist auch die antisoziale Persönlichkeitsstörung vor allem genetisch determiniert. Die Strafregistereinträge von adoptieren Kindern korrelieren mit denen des biologischen Vaters, nicht mit denen des sozialen Vaters.

Tin
1 Jahr her

Die zunehmende Gewalt ist die ursächliche Politik der Familienzerstörung. Wie kann jemand mir politisch familienorientiert Gutes wollen, dass es gesellschaftlich gut funktioniert, wer mir:
„Abtreibung als Menschenrecht“, „Pubertätsblocker“, „Frühsexualisierung“, „Geschlechtsumwandlung für Jugendliche“, „Pimpfung von Babys, Kindern & Jugendlichen“, „Eltern 1 und 2“ usw. als Alternivlosigkeit in einer parlamentarischen Demokratie serviert?.

WeltbegaffenderRumReisender
1 Jahr her

Ich befürchte, wir nähern uns in Europa und Deutschland hinsichtlich der extremen Kinder- und Jugendkriminalität südamerikanischen Verhältnissen an, siehe z.B. El Salvador: Wie Jugendbanden ein ganzes Land terrorisieren. (Das Foto zum Artikel in der SZ, ein mit Tattoos zugeballerter Einsitzender spricht Bände: „Terror, Gewalt, das ist es was ich kann“.) Weiter befürchte ich, dass weder ernsthaftes Interesse (‚besser die eigenen Taschen voll machen, ist doch schon genug Arbeit für mich‘) noch Politiker-Potenzial in EU-Europa besteht, diese verheerenden Entwicklungen umzukehren und zu stoppen. Weder Psychologen noch Pädagogen werden dieses aufkommende, massive Problem lösen können. Allein (wenn noch überhaupt) sichere Arbeitsplätze für… Mehr

imapact
1 Jahr her

Italien mit seiner endemischen Mafia-„Kultur“ ist wohl ein Fall für sich. In Spanien scheint es sich ja vor allem um die importierte Bandenkriminalität Südamerikas zu handeln. Und Deutschland? Ach ja, so wie das Absacken von Schulleistungen alles eine Folge von Corona… Ja dann…

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  imapact

Dass die Mafia eigene Kinder nutzte wäre neu.
Aber dass sie Fremde nutzen könnte, wäre in Betracht zu ziehen – wobei nicht außer Acht gelassen werden darf, dass es auch Gotteskrieger sein könnten, die uns derart bedrohen.
„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten“ sagt Erdogan.
So sind sie also unterwegs. Die jungen Soldaten. Mit Geburt unterworfen in ein Konstrukt, das alle in ihren Augen Ungläubigen abwertet und als vogelfrei ansieht.

EinBuerger
1 Jahr her

Ihrem Artikel entnehme ich, dass es sich jeweils um bestimmte Gruppen und nicht „um die Gesellschaft“ handelt.
Im Fall von Spanien wohl um Einwanderer aus Lateinamerika bzw deren Kinder. In Italien wohl um Süditalien mit seiner bekannten Vorgeschichte des Verbrechens.
Und in der BRD vermute ich eine bestimmte Gruppe.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  EinBuerger

Durch all die genannten Regionen bin ich bis 2015 unangetastet gereist, ohne etwas von der nun zu beschreibenden Kriminalität wahrnehmen zu können.
Was wird seitdem nur geschehen sein, dass sich solches Sodom und Gomorrah ausbreiten konnte?

Demokratius
1 Jahr her
Antworten an  Kassandra

Während meines Sizilienurlaubs habe ich mich mit einem Einheimischen darüber unterhalten, ob ich persönlich Befürchtungen haben müsse, von Kriminellen bedroht zu werden. Der Mann lächelte nur und sagte, dass die Mafiosi mit den Leuten streng ins Gericht gehen würden, die Übergriffe auf Urlauber ausüben. Schließlich würde man Kühe, die man melken wolle, stets gut behandeln und nicht verschrecken.

meckerfritze
1 Jahr her

Wie wäre es mit Perspektiven? Anstatt degrowth, das Wachstum der Wirtschaft fördern und Wege eröffnen, durch Anstrengungen und Kreativität eine gute Zukunft gestalten zu können!!!

John Beaufort
1 Jahr her

Seien wir ehrlich: In Deutschland sind diese Probleme fast ausschließlich ein Ergebnis der multiethnischen Gesellschaft. In der früheren hiesigen Gesellschaft mit einheitlicher Kultur und gemeinsamen Werten gab es so etwas kaum.

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  John Beaufort

Man darf aber auch nicht die als Richtig propagierten geänderten Erziehungsmethoden usw. bedenken. Kinder und Jugendliche muß man entsprechen lehren aus Lebenserfahrung heraus und sagen wo es lang zu gehen hat.undm nicht Kinder und Jugendliche ohne Lebenserfahrung sagen wo es lang zu gehen hat.
Nicht umsonst war das Wahlrecht und die Volljährigkeit ab 21.
Wie ist es derzeit, Volljährigkeit mit 18 aber bei Strafrecht wird bis 21 vielfach das Jugendstrafrecht angewandt.
Man betrachte auch einmal z.B. die nach Jahren erwachsenen jungen Abgeordneten weiblich und Männlich. Noch nie den Eigenen Lebensunterhalt erarbeiten müssen.