Es gibt immer mehr Initiativen, die versuchen, eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung von Kindern zu fördern. Die bringen aber anscheinend nichts: Die Zahl der übergewichtigen Kinder nimmt zu.
„Obeldicks“, „In Form“, „3F – Fit for Family“, „Fitness für Kids“ oder „Ich kann kochen!“: Mit solchen Initiativen sollen Eltern, Lehrer und Erzieher zu „Genussbotschaftern“ oder zu „Multiplikatoren“ für Bewegungsspiele ausgebildet werden, Bewegungsspiele wie „Mensch-beweg-dich“, „Wohnzimmer-Safari“ und Wohnzimmer-Märchenwald“. Die Bundesregierung, Krankenkassen und Krankenhäuser gründen laufend mehr solcher Initiativen, damit sich übergewichtige Kinder gesünder ernähren und mehr bewegen. Zusätzlich gibt es viele Magazine mit Ernährungstipps und den besten Sportübungen für einen gesunden Körper.
Auch im Internet lassen sich unzählbar viele Tipps für Eltern mit übergewichtigen Kindern finden: „Übergewicht bei Kindern: Zehn Dinge die Eltern tun können“, „Übergewicht bei Kindern: Was Eltern tun können“, „Übergewicht bei Kindern – und was Eltern tun können“. Ja, das klingt alles gleich. Und die Tipps lauten auch alle gleich: viel Obst und Gemüse essen, viel Wasser trinken, so wenig Süßigkeiten wie möglich konsumieren und ganz viel bewegen. Klingt so einfach, trotzdem scheinen all diese Tipps und Initiativen nichts zu bringen: Der Trend in Deutschland geht zum Übergewicht, insbesondere bei Kindern.
Die Lockdowns während der Corona-Pandemie haben diesen Trend zusätzlich verstärkt, wie KHH Daten zeigen: So gab es bei den 6- bis 18-Jährigen allein vom Vor-Corona-Jahr 2019 auf 2021 eine Zunahme der Adipositas-Fälle um etwa elf Prozent. Der Grund: mangelnde Bewegung und viel Zeit vor dem Bildschirm. Doch mittlerweile sind die Lockdowns vorbei. Die Kinder könnten wieder von den Bildschirmen weg, raus gehen, spielen und sich bewegen. Das tun sie aber anscheinend nicht: Laut KHH bewegen sich sechs- bis zehnjährige Kinder im Schnitt nur noch eine Stunde am Tag.
Das kann jeder selbst beobachten: Geht man in ein Restaurant und sieht dort Familien mit kleinen Kindern, wird schnell klar, worin das Problem liegt: Häufig geben die Eltern den Kindern einfach ein Handy oder Tablet zum Spielen. Ist ja auch einfach: So ist das Kind ruhiggestellt und bespaßt, während die Erwachsenen sich ungestört unterhalten können. Es ist so „einfach“. So einfach, wie der Ratgeber beschreibt: „Einfach richtig essen – wie gelingt mir das?“. Dieser beschreibt „Fit-Foods“ hoch und runter und schlägt „einfache“ Rezepte mit diesen „Fit-Foods“ vor: Naturjoghurt mit Obst und Müsli zum Beispiel. Statt „einfach“ könnte man auch sagen: unkreativ. Alles muss anscheinend immer „einfach“ sein. So soll es auch „einfach“ sein, seine Kinder im Restaurant ruhigzustellen: Man will sich ja ungestört unterhalten, also spielt das Kind mit einem Handy.
Früher gab es viel weniger übergewichtige Kinder, wie die Statistik der KKH zeigt. Allerdings gab es auch kaum Ratgeber. Da war es tatsächlich „einfach“: Familien nahmen Spielsachen und Malhefte mit ins Restaurant, damit die Kinder sich damit beschäftigen konnten und gleichzeitig ihre Kreativität entwickelten, die beim Spielen am Handy weitestgehend abgestellt werden, wie die Christian-Albrecht-Universität zu Kiel erklärt. Demnach lernen Kinder, Langeweile und negative Emotionen mit Spielen am Handy zu kompensieren, wenn Eltern ihnen zum Beispiel bei Restaurantbesuchen „einfach“ ein Handy in die Hand drücken. Wenn sich Kinder dann in anderen Situationen langweilten, neigen sie dazu, diese ebenfalls mit Handyspielen zu lösen, statt ihre Kreativität auszuleben und somit zu entwickeln, heißt es weiter von der Universität in Kiel. So verbringen die Kinder immer mehr Zeit vor einem Bildschirm, bewegen sich entsprechend kaum noch und nehmen immer mehr zu, wie die Studie der KHH zeigt.
Aber ohne Programme wie „3F – Fit for Family“ fallen Eltern scheinbar keine Spiele ein, mit denen sie ihre Kinder beschäftigen und zum Bewegen ermutigen können. Statt ihrer eigenen Kreativität – und der ihrer Kinder – freien Lauf zu lassen, zahlen sie dann lieber 250 Euro für eine bedruckte Plane im Großformat für das Spiel „Mensch-beweg-dich“ – wie es ein Ratgeber empfiehlt. Die kreativ und informativ sind – nur halt nachweislich nichts bringen.
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Es wird noch schlimmer werden. Die meisten Eltern von heute wollen sich mit der Erziehung nicht mehr auseinander setzen. Smartphone im Restaurant ist mittlerweile völlig normal. Die kommen meistens sowieso im restlichen Alltag genauso oft zum Einsatz. Sich mit seinem Kind zu beschäftigen oder auch mal unerwünschtes Verhalten zu ermahnen, empfinden die Meisten nur noch als lästig. Woher soll es auch kommen, wenn viele Kinder von Montag bis Freitag 8 bis 10 Stunden fremdbetreut in einer Einrichtung verbringen? Auch die Ernährung ist Teil der Erziehung. Kinder schauen sich vieles ab, auch was sie essen. Für mich war es normal und… Mehr
Es fängt schon beim Mutter-Kind-Turnen an – ohne Proviant und Apfelschorle aus dem Fläschchen kann man nicht einmal eine Stunde überstehen. Meine Kinder hatten die Anweisung, sich einen Schluck Leitungswasser zu nehmen, wenn sie durstig sind. Es wurde nicht ständig etwas zu Essen gereicht, sondern es gab eine Brotbox mit zum Kindergarten bzw. in die Schule, und als sie älter waren, haben sie sich selbst etwas zurechtgemacht. Viele der heutigen Kindersind an sofortige Bedürfnisbefriedigung von klein auf gewöhnt, da wird nicht einmal eine Viertelstunde auf das Mittagessen gewartet. Die meisten heutigen Schüler – ich wohne gegenüber vom Schulzentrum – pilgern… Mehr
Bösartig könnte man jetzt sagen: „was unten herum zu viel ist (Kilos), fehtl etwas weiter oben (Rechtschreib- und Lesekenntnisse). Aber die Kids sind da nicht wirklich verantwortlich zu machen. Auch wenn „Früher war…- Vergleiche“ nerven, kommt man nicht drum rum. Heute fahren die Kinder auf High-Tech-Rädern mitunter mit Integralhelm herum, damals taten es vergleichsweise simple Räder mit höchstens Drei-Gang-Schaltung… .Nachmittags spielte man mit den anderen, irgendwo draußen, wie es sich ergab, ohne die elektronische Fußfessel des Handys und probierte allerlei aus. Trotzdem haben nicht weniger Kinder „überlebt“ als heute… und vermutlich physisch und psychisch stabiler als herangezüchtete Schneeflöckchen. Ein Restaurantbesuch… Mehr
Bösartig könnte man jetzt sagen: „was unten herum zu viel ist (Kilos), fehtl etwas weiter oben (Rechtschreib- und Lesekenntnisse). Aber die Kids sind da nicht wirklich verantwortlich zu machen. Auch wenn „Früher war…- Vergleiche“ nerven, kommt man nicht drum rum. Heute fahren die Kinder auf High-Tech-Rädern mitunter mit Integralhelm herum, damals taten es vergleichsweise simple Räder mit höchstens Drei-Gang-Schaltung… .Nachmittags spielte man mit den anderen, irgendwo draußen, wie es sich ergab, ohne die elektronische Fußfessel des Handys und probierte allerlei aus. Trotzdem haben nicht weniger Kinder „überlebt“ als heute… und vermutlich physisch und psychisch stabiler als herangezüchtete Schneeflöckchen. Ein Restaurantbesuch… Mehr
Das Problem sind oft auch paradoxerweise die vielen Abnehmprogramme. Dadurch bekommen viele Kinder Essstörungen. Hinzu kommt noch der „Jo-Jo-Effekt“. Nach jeder Abnehmdiät legt der Körper Fettreserven an, um vor dem nächsten Mangel gewappnet zu sein.
Mehr zum Thema gibt es zum Nachlesen unter anderem bei Gunter Frank und Udo Pollmer.
Nur sehr wenige Kinder laufen oder radeln zur Schule. Bus bzw. Mamataxi bringen sie beinahe bis ins Klassenzimmer. Auch auf dem Land und in der Kleinstadt. Das ist natürlich nur ein Aspekt, aber das alles summiert sich.
Welche Eltern lesen ihren Kindern noch Geschichten vor? Ich kenne keine! Wenn die Eltern selbst völlig fantasielos sind, was soll man erst von den Kindern erwarten?
Statt ordentlichen Sport im Sportunterricht zu machen, erzählen mir die Kinder, sie würden Regeln lernen. Es ist nicht verkehrt, aber so viele Regeln gibt es im Schulsport nicht, dass man dafür extra Zeit bräuchte. Balken, Barren, Ringe, Seilklettern – alles unbekannt und wird nicht gelernt. Dafür aber Tischtennis. Es ist nett, aber mit Turnen und Leichtathletik nicht zu vergleichen. Oder Bewegungsspiele wie Fangen in diversen Ausprägungen. Das war früher der Vertrieb am Nachmittag. Schwimmbäder funktionieren nicht. Wenn man aber nicht mehr überall Ball spielen oder auf Bäume klettern darf, wird den Kids siglanisliert – Bewegung sei unerwünscht. Man muss von… Mehr
Erstaunlich ist auch der Mangel an motorischen Fähigkeiten. Beim Minigolf machte ich im letzten Jahr die Beobachtung, dass Kinder zwischen etwa sieben bis 14 Jahren nicht in Lage waren, den Ball konzentriert und ruhig mit einem Schlag Richtung Loch zu befördern. Ihr Treiben ähnelte vielmehr einer Art unbeholfenem Hockey, während die Eltern keine Mühe hatten. Sogar ein altes Ehepaar mit Gehproblemen stellte sich weit geschickter an – sie waren trotz Rollator sogar richtig gut.
Man könnte ja auch Turnhallen und Sportplätze wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zuführen, anstatt sie für die Unterbringung von Flüchtlingen zu missbrauchen.