Putin und Gorbatschow: der gute und der böse Idiot

Im Grunde hat die Welt Gorbatschow zu „verdanken“, dass Putin an die Macht kam. Zwar hat er ihn nicht gefördert wie sein alkoholgeschwängerter Nachfolger Jelzin, doch mit dem Ende der Sowjetunion entstand das Machtvakuum, das gewissenlose Oligarchen nutzten, ehe sie sich den noch gewissenloseren Putin als Instrument aussuchten.

Der unerträgliche Lärm lähmt. Der Krieg setzt Emotionen frei, nicht klare Gedanken. Zum ersten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine wäre es nicht verkehrt, ein paar Schritte zurück zu machen, um das monumentale Schlachtengemälde aus einigem Abstand zu betrachten, und auch das Gebäude der Weltgeschichte auf sich wirken zu lassen, unter dessen Dach es hängt.

I.

Was also haben der – in deutschen Augen – göttliche Gorbatschow und der teuflische Putin gemeinsam? Bündige Antwort: Beide haben wider Willen das Gegenteil dessen geschaffen, was ihnen vorschwebte.

II.

Der Kommunist Gorbatschow war von der Utopie beseelt, den Kommunismus zu reformieren. Sein Bemühen mit Glasnost und Perestroika war aufrichtig. Doch übersah er das Entscheidende: Der Kommunismus ist nicht reformierbar. Das System brach in sich zusammen. Die Sowjetunion zerfiel. Die Deutschen profitierten davon. Gorbi gab seine bankrotte Filiale DDR günstig ab. Dafür verehrten ihn die Deutschen, in Russland galt er als Idiot.

III.

Im Grunde hat die Welt Gorbatschow zu „verdanken“, dass Putin an die Macht kam. Zwar hat er ihn nicht gefördert wie sein alkoholgeschwängerter Nachfolger Jelzin, doch mit dem Ende der Sowjetunion entstand das Machtvakuum, das gewissenlose Oligarchen nutzten, ehe sie sich den noch gewissenloseren Putin als Instrument aussuchten. Es war der nächste galaktische Irrtum. Gefangen in Abhängigkeit von Putin, verlieren sie ihr Vermögen. Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Den Rest erledigen die Sanktionen des Westen. Auch die schlimmste Geschichte hat tragikomische Aspekte.

IV.

Gorbi, der Menschenfreund, Putin der Menschenverächter. Auch Putin erreicht das schiere Gegenteil dessen, was er mit Gewalt anstrebt. Sein Ziel ist es, in die Geschichte als der Zurückeroberer des russischen Imperiums einzugehen. Er handelt immer nach dem selben Schema: Putin hetzt russische Minderheiten – im Donbas, in Transnistrien, in Georgien und anderswo auf und schürt den Konflikt, ehe er seine Truppen schickt. Auch anderen ehemaligen Sowjetrepubliken droht das Schicksal der Ukraine. Was er damit erreicht hat, ist die endgültige Erfindung der ukrainischen Nation. Wie auch immer das Schlachten ausgeht, er hat die einstigen Brudervölker einander unheilbar verfeindet. Die Ukraine sucht ihr Heil im Westen. Keiner hat mehr getan für den Zusammenhalt und die Stärkung der Nato als Putin. Er wird damit nicht nur als Kriegsverbrecher, sondern auch als einer der großen Dummköpfe in die Weltgeschichte eingehen.

V.

Das System, das Putin in Russland geschaffen hat, wie soll man es nennen? Kleptokratisch-faschistische Präsidialoligarchie? Oder einfach Sankt Petersburger Mafia? Er hat sich mit einer Räuberbande ein riesiges Land unter den Nagel gerissen. Dabei hat er sich verrannt, und es gibt keinen Weg zurück. Sibirien ist eben nicht Sizilien. Selbst wenn er heute noch das Töten beenden, seine Truppen abziehen und die Krim mit blau-gelber Schleife zurückerstatten würde, bekäme er keinen Friedensnobelpreis.

VI.

Wie sind die vielen unverbesserlichen deutschen Putinversteher zu verstehen? Auch sie sind nur im Kontext der einstigen Gorbimanie zu begreifen. Putin profitierte lange vom Ruf des guten Kremlherrschers vor ihm. Naiv wie die Deutschen sind, rechneten sie nicht mit einem Rückfall in finstere Zeiten und begaben sich bedenkenlos in die verheerende Abhängigkeit von Russlands Energiequellen. Lange haben fast alle – nicht nur Gerhard Schröder – Putin für einen lupenreinen Demokraten halten wollen. Der Mann kann auch noch deutsch! So schlecht kann er also gar nicht sein. Man hätte ihn nur nicht provozieren dürfen. Dazu kommt die unverwüstliche Russlandliebe der Deutschen. Sie haben Russland Katharina die Große, zahllose preußische Generäle und den Marxismus gestellt und zum Dank die DDR bekommen. Das verbindet. Und dann noch der deutsche Pazifismus. Er steht auf einem festem Fundament, das nicht Friedensliebe heißt, sondern Schiss. Nicht behelligt werden wollen die Deutschen und sich am liebsten aus allem heraushalten, außer mit deutschem Know-how. Das macht sie überall beliebt. Putins Krieg hat sie tief verstört. Gegen das, was sie heute erleben, war der Kalte Krieg geradezu kuschelig.

VII.

Würde Putin in Sachsen um Exil bitten – viele Sachsen würden es ihm wohl nicht verwehren. Napoleon ließ sich auch noch auf St. Helena als Kaiser titulieren. An solchen Kleinigkeiten soll es nicht scheitern.


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Kommentare ( 91 )

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91 Comments
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WandererX
1 Jahr her

Umbau und Transparenz reichten eben nicht aus, das Programm von Gorbatschow war allzu rhetorisch: es fehlte die Einrichtung des Rechtsstaates. Zugleich hätte man die Staatsbetriebe nicht von heute auf morgen abräumen dürfen, weil über sie allr Sozialstruktur über der KLeinfamilie lief, auch in der DDR lief das dämlich. Wirtschaft war Gorbi. wichtiger als das Recht, aber genau das war der Fehler: Ohne Rechtssicherheit ist weder Zivilität noch eine nicht- korrupte Privatwirtschaft möglich: Niemand im Westen brachte Gorbatschow das bei – und verhielten sich damit als Anfänger in der Politik! Trottelig waren D., die EU und die USA! Sie haben kleinbürgerlich-… Mehr

Wolfgang Schuckmann
1 Jahr her

Starker Tobak, aber zu meinem Bedauern nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich selbst habe durch Anschauungsunterricht gesehen, was man seitens der Treuhand und anderer Potentaten dort nach dem Fall der Mauer veranstaltet hat. Die Bewertung, die sie sicher aus diesen Gründen so krass formulieren, speisen sich aus diesen Vorgängen. Soweit für mich nachvollziehbar .

CIVIS
1 Jahr her

Werter Herr Herles,
auch wenn ich Ihre Beiträge ansonsten sehr schätze; in diesem Artikel haben Sie pure Meinungsmache verbreitet, und zwar nach allen Seiten:

  • der böse und teuflische Putin
  • der gutgläubige und naive Gorbatschow (der auch noch Schuld an Putin hat)
  • die supertollen westlichen „sogenannten“ Demokratien

Eine bisschen mehr Differenzierung wäre mehr gewesen.

Peter Pascht
1 Jahr her

Die Ursache für die vielen Putin-Versteher ?
Die Unbildung und Unwissen und damit verbunden, die geistige Unreife,
der großen Masse der Menschen.
Wenn man bedenkt was Lügenpropaganda aus Menschen machen kann.
Beim Tode eines faschistischen Verbrechers, wie Stalin, der 32 Millionen Menschen deportiert hat und davon 5-10 Millionen (genauer weiß man es nicht) ermorden ließ, haben Millionen Russen geweint.
Aber auch in Deutschland sind Millionen von Menschen auf die Nazi-Lügenrethorik reingefallen.

Peter Pascht
1 Jahr her

„die sinnvollere Haltung gewesen: Neutralität“
Leider ist dies nur ein frommer Wunsch,
der in der heutigen Realität nicht machbar ist.

Peter Pascht
1 Jahr her

Die kolportierte Russiche Geschichte ist eine Geschichte von Lügenmythen. Auch jetzt fallen noch nimmer viele schlichte Geister auf Putins Lügenrethorik rein, Medien, Politik und insbesondere im ungebildeten Volk. Es geht bei der Ursache dieses Krieges nie um die NATO-Osterweiterung. Schlichtweg nur einevorgeschobens Lüge um die faschistischen Ziele Putins zuverschleiern. Allerdings hatte er diese ja bereits 2 Tage vor Kriegsbeginn selber kundt getan. „alles russiche Volkund *russiche Erde* zu vereinen“ worzu er die erfunden Lüge verbreitete „Ukrainer sind Russen“ Es geht um den historischen russichen Imperialismus schon seit zaristischen Zeiten, der unter Stalin einen faschistischen Charakter angenommen hat. Dies wird nun… Mehr

Axel Fachtan
1 Jahr her

Sehr geehrter Herr Herles, gelegentlich lese ich Ihre Kolumnen ganz gerne. Dieses Mal allerdings haben Sie es geschafft, mich recht gründlich zu ärgern. Fing schon heute früh an und jetzt ab 20.15 Uhr wird der Ärger elektronisch. Ach ja, zwischendurch war ich übrigens in Berlin bei der Friedensdemo. Gorbatschow war kein Idiot. Putin ist keiner. Wer Gorbatschow und / oder Putin versteht, ist kein Idiot. Wer aber beide für Idioten hält … ist gewaltig im Irrtum. ___ Gorbatschow hat den Kalten Krieg beendet. Damit hat er auch den Stalin-Churchill-Roosevelt-Pakt vom Ende des zweiten Weltkriegs zur Gefangenschaft und Zerstückelung ganz Europas… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Axel Fachtan
Riffelblech
1 Jahr her

Eigentümlicherweise ,Herr Herles , denke ich bei dem Wort „ Putin „ an seine Rede vor dem Bundestag als er um eine eindringliche Zusammenarbeit des Westens und Ostens bat . Ich denke an die Worte des Putin als er der NATO die Mitgliedschaft anbot . Ich denke an die eindringliche Warnung Putins die Ukraine weiter aufzurüsten,sie in die NATO aufzunehmen.. ich denke an die Worte des George Friedman das es das vordringlichste Ziel der amerikanischen Administration sein muß eine friedvolle und enge Zusammenarbeit Deutschlands und Russlands auf jeden Fall zu verhindern. Weder bin ich „ Ukrainefan noch Russlandfan „ allerdings… Mehr

J. Werner
1 Jahr her

Für mich persönlich ist Putin und seine Art russischer hybrider Kriegsführung ,die Unmenschlichkeit der Soldateska ,die Bestialität der Folterer,die Verschleppung und Russifizierung usw. weder überraschend gekommen noch waren sie unvermeidlich. – Aber erschreckend sind sie alle ,die Putin und seine Schandtaten hier offen verherrlichen oder Apologeten sind, indem sie von einer angeblichen Nato- Einkreisung Rußlands sprechen. Diese waren und sind Kollaborateure eines faschistoiden Mafiaregimes ,das alle zivilisatorischen Menschenrechte und Errungenschaften mit Füßen getreten hat. Sie sollten künftig genau wie die Kollaborateure zu Zeiten des Hitlerfaschismus bereits jetzt und in aller Ewigkeit mit diesen grausamen Taten konfrontiert werden. Hätte man z.B.… Mehr

UEB
1 Jahr her

Ich lese die wöchentlichen Kommentare des Herrn Herles immer sehr gerne. Morgens, beim Kaffee. Weil die leicht zu lesen und sehr amüsant sind. Ich mag einfach seine blitzsaubere oberflächliche Polemik. Mit dem Kommentar zu Gorbatschow/ Putin hat er sich mal wieder selbst übertroffen. Wirklich seriöse, inhaltlich anspruchsvolle Kommentare lese ich dann später…