Aua bei Maischberger: Gerhart Baum verbeißt sich in Sahra Wagenknecht

Die Meldungen des Abends: Gerhart Baum ist alt und borniert. Und Helge Schneider ist alt und unwitzig – aber irgendwie weise. Von Michael Plog.

Screenprint: ARD Mediathek / Maischberger

Doch, dieser Abend war einigermaßen überraschend. Wie soll es weitergehen mit der Ukraine? Panzer schicken? Oder lieber Diplomaten? Das waren die zentralen Fragen, die Sandra Maischberger klären wollte. Die wichtigsten Gäste: Sahra Wagenknecht von der Linken und Gerhart Baum (FDP) von den Alten. Der ehemalige Bundesinnenminister wirkt borniert, stur und absolut beratungsresistent. Schade.

Stellt Wagenknecht Fragen oder hat Wagenknecht Zweifel, so antwortet er meist mit einem Whataboutism oder, noch schlimmer: mit Kopfschütteln. Die Welt ist für Baum ganz klar. Putin böse, Ukraine gut und edel von der politischen Gestalt. Aus seinen Äußerungen spricht blinder Hass auf den Mann im Kreml. Der muss weg, koste es, was es wolle – an Menschenleben in der Ukraine.

Denn Wagenknechts Appell ist eindringlich: Diesen Krieg muss der Westen mit Diplomatie lösen. Lieber früher als später. Denn dass er irgendwann nur durch Diplomatie gelöst werden wird, das steht für die Linken-Ikone außer Frage. Baum aber bezweifelt beides: dass Diplomatie helfen würde oder dass auch nur der Westen gefordert sei. „Die Ukraine selbst“ müsse das zunächst mal entscheiden, ist für ihn klar.

Was ist Putins Wort wert?

„Wir haben Verträge gemacht mit Russland“, sagt Baum, aber heute sei alles ein „vertragsloser Zustand, gesetzloser Zustand“. Auf Putins Wort will er sich nicht verlassen.

Wenn Wagenknecht amerikanische Militärs zitiert, die eindringlich vor einer Eskalation warnen, tut Baum das mit einem Federstrich ab. Er kann kaum an sich halten, möchte ihr am liebsten ins Wort fallen. Immerhin: Er lässt sie – mit kleinen Unterbrechern – dennoch aussprechen, so viel Etikette muss man ihm attestieren.

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„Im Frühjahr wollten beide Seiten einen Frieden“, sagt Wagenknecht. Es ist das vielleicht interessanteste Detail der Diskussion in jüngster Vergangenheit. Dass nämlich Putin und Selenskyj durchaus bereits im März einen Friedensvertrag aushandeln wollten. Und dass der Westen dies energisch verhindert haben soll. In Gestalt des britischen Premiers. Boris Johnson reiste persönlich nach Kiew und hielt Selenskyj von dem Vorhaben ab. Der Westen sei noch nicht bereit für einen Frieden. Was für ein Hammer-Detail! Eigentlich. Die Geschichte der Friedensverhandlungen kommt vom russischen Außenminister Lawrow, wurde in deutschen Medien wenig aufgegriffen.

Bei Baum verfängt das Argument auch nicht. Seine Analyse: „Der Putin ist nicht friedensfähig!“ Und an Wagenknecht gerichtet: „Ihre Analyse geht an der Realität vorbei.“

Baum stellt fest, „dass die Russen momentan ökonomisch absacken“. Sie seien bereits „auf dem Niveau von Portugal“. Für letztes Jahr meldete der Internationale Währungsfonds (IWF) tatsächlich eine schrumpfende Wirtschaft – sagt aber für dieses und das nächste Jahr wieder Wachstum voraus. Zur Ukraine sagt er: „Das ist kein korruptes System.“ „Das ist eine Demokratie, die aufwächst.“

Wagenknecht kontert: „Ich halte die Erzählung, dass in der Ukraine die Freiheit und die Demokratie verteidigt wird, dass dort Demokratie gegen Autokratie kämpft, für eine falsche Erzählung. Es kämpft dort der russische Oligarchen-Kapitalismus gegen den ukrainischen Oligarchen-Kapitalismus. Die sind beide ein korruptes System.“ Baum hält empört dagegen. Wagenknecht kritisiert, dass in der Ukraine Medien zensiert werden, die Opposition verboten ist. „Ob unter diesen Umständen eine authentische Umfrage zustande kommt, halte ich für zweifelhaft“, sagt sie.

Baum wischt das weg: „Ach was“, ruft er erbost. Kann nicht sein, darf nicht sein, ist nicht so. „Putin beschuldigt uns, und das bestürzt mich zutiefst, dass wir diese angeblichen Nazis unterstützen.“ Baum schreit es geradezu heraus und zittert dabei. Nazis in den ukrainischen Kräften bleiben ein Streitpunkt in der Diskussion. Für Baum sind Putins Nazi-Erzählungen „eine Unverschämtheit“.

Die Krönung dann, als Wagenknecht kritisiert, nun würden also wieder „deutsche Panzer auf russische Soldaten schießen“. Baum antwortet: „Na und? Wenn es hilft?“

Kunst ist immer kulturelle Aneignung

Noch ein alter Mann ist zu Gast an diesem Abend: Helge Schneider, der „Meister der versandeten Pointen“, wie Maischberger zur Begrüßung sagt. Er geht am Stock („Isch hab Knie“) und wirkt ausgelaugt, aber was er sagt, hat Hand und Fuß. Es klingt nur pseudo-banal und ist doch vielleicht eine Art von Meta-Philosophie. Schneider: „Ich sag mal so: Ich kann keinen Panzer bauen, ich kann kein Gewehr bauen, ich kann gar nicht schießen. Ich kann überhaupt nix. Ich hab überhaupt keine Ahnung davon. Und wovon ich keine Ahnung hab, da sprech ich gar nicht drüber.“

Ein Satz, an dem sich andere Schreibtisch-Kriegshelden durchaus ein Beispiel nehmen könnten. Die Kiesewetters etwa, oder die von der Leyens, die zusehen, wie an fremden Gestaden die Menschen in den Krieg ziehen und lächelnd (!) zugeben, dass die eigenen Kinder nicht einmal in der Bundeswehr Dienst tun.

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Maischberger kommt mit Helge Schneider nicht zurecht. „Die Musik, das ist ein Überwesen“, sagt der, und man spürt förmlich die Fragezeichen in ihren Augen. Sie wollte ihn doch nur zum Thema „kulturelle Aneignung“ befragen. „Die Musik ist entstanden durch Vermischung von Kulturen. Wenn jemand anderes sagt, das ist kulturelle Aneignung, dat interessiert mich einen Scheißdreck.“

Maischberger kommt mit so einem simplen und doch so klaren Weltverständnis einfach nicht klar. „Kulturelle Aneignung“ versucht sie immer wieder. Doch der Mann ist eben Künstler. Leider, auch das muss man eingestehen, hat er seine Witzigkeit verloren. Aber seine Ernsthaftigkeit mag einem auch irgendwie gefallen.

Was sonst noch geschah an diesem Abend

Maischberger fragt Wagenknecht ungefähr zehnmal, ob sie nun eine neue Partei gründet oder nicht. Die lässt sich nicht weichklopfen. „Wenn ich das einmal tue, werden Sie es garantiert erfahren.“

Moderator Cherno Jobatey rät dem CDU-Chef Friedrich Merz zur Gelassenheit, wenn der von Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der Karnevals-Bütt persönlich diffamiert wird. Moment mal, Cherno „Buchstabensuppe“ Jobatey? Der Mann, der einst die Sendung „Zimmer frei“ verließ, weil man ihm – einem Legastheniker – Buchstabensuppe, haha, servierte? Ja, genau der. Jetzt ist er offenbar ebenfalls altersmilde. Zumindest, wenn es um Andere geht.

Für Welt-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld gehört Nancy Faeser im Kabinett Scholz „nicht unbedingt zu Vatis Besten“.

Und Spiegel-Kollege Markus Feldenkirchen stimmt ein Hohelied auf die ach so aufrechten Klimakleber an, die nach Feierabend sehr gern nach Bali fliegen dürfen. Jede Kritik daran sei „spießig“. Rosenfeld nimmt das gekonnt auf die Schippe: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, ich würde heute noch ein Flugzeug besteigen.“

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Kommentare ( 76 )

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76 Comments
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Axel Fachtan
1 Jahr her

Schade um Herrn Baum. Vor vielen Jahrzehnten war er mal einer meiner demokratischen Helden. Als er eben gemeinsam mit Herrn Hirsch konsequent für Bürgerrechte eingetreten ist. Die beiden hatten das Wort von Willy Brandt ernstgenommen. Mehr Demokratie wagen. Auf die aktuellen Fragen der „Zeitenwende“ hat er aber keine validen Antworten und kann sie auch nicht haben. Die USA haben gerade den größten Bombenaschlag auf Deutschland nach dem Februar 1945 auf Dresden begangen. Deutschlands Freunde sind Bombenfreunde. Norwegen macht mit, Dänemark, Schweden. Polen jubelt und will uns auch noch PCK Schwedt abluchsen. Naftalie Bennett will im März 2022 eine Waffenstillstand zwischen… Mehr

ESC-Gast
1 Jahr her

Länger als fünf Minuten habe ich diese Sendung nicht ertragen. Ständig das Dazwischengequatsche – auch von Maischberger – zeugt nicht unbedingt von Debattenkultur. Und das gecastete (?) Publikum spendiert nur Baum Beifall, egal welchen menschenverachtenden Müll der von sich gibt, unglaublich. Jeder vernünftige Gedanke von Wagenknecht wird zerredet oder gestört. Ähnlich wie bei der früher von ARD/ZDF geschätzten Krone-Schmalz bringen die Mainstreammedien ihr heute nur noch Verachtung entgegen, weil sie halt das gängige Narrativ partout nicht unterstützen will. Trotzdem habe ich Hoffnung. Viele meiner Bekannten und Freunde haben ihre Ansicht zumindest teilweise geändert, nachdem sie anfangs Putin die Alleinschuld an… Mehr

germane1
1 Jahr her
Antworten an  ESC-Gast

5 Min. ist schon eine sehr lange Leidenszeit. Da braucht man starke Nerven. Natürlich ist es ein ausgesuchtes Publikum, natürlich wird Mainstreamtreu gejubelt. Eigentlich muss ich mich schämen, früher habe ich mal FDP gewählt. Wohin ist die Truppe abgedrifftet?? Da ich seit über 3 Jahren die Glotze auslasse, bzw. die TV Sender (auch die Privaten) meide, bekomme ich solche Ergüsse, wie Maischberger, nur durch alternative Nachrichten mit. Bewundere Herrn Tichy, wenn er sich sowas antut

Werner Baumschlager
1 Jahr her

Danke, dass Sie sich diese Gruselrunden antun, aber ich habe das Gefühl, dass mich das nicht einmal mehr in der Zweitverwertung interessiert.

AnSi
1 Jahr her

Habe mir die Sequenz mit Wagenknecht/Baum noch einmal genauer in youtube angesehen. Es ist ja grausam! Maischberger ist lästig und unfähig als Journalistin. Sie hat sich schon zu Beginn auf die Seite von Baum geschlagen. 2 gegen Eine. Dazu dieser unsägliche Baum. Was will der Opa denn noch? Krieg bis zum Spaltpilzerlebnis? Er glaubt nicht daran, na denn, können wir ja Putin weiter reizen. Und Maischberger bieten den FAKTENCHECKER an! Eine größere Lachnummer gibt es ja wohl nicht. Meine Güte, Fr. Wagenknecht hat meinen größten Respekt! Mit 2 solchen minderbemittelten, kriegstreiberischen Gestalten diskutieren zu müssen ist schon hart!

germane1
1 Jahr her
Antworten an  AnSi

Bin zwar nicht in jedem Punkt bei Frau Wagenknecht, ihre Ausgrenzung von anderen Kräften die den Krieg beenden wollen, zur Demo am 25. Februar kann ich nicht nachvollziehen. Insgesamt scheint mir Ihr IQ deutlich höher zu sein, als der IQ aller anderen zusammen, einbezogen die klatschende Zuschauermasse.

EURO fighter
1 Jahr her

„Die Geschichte der Friedensverhandlungen kommt“ beileibe nicht nur „vom russischen Außenminister Lawrow“. Sie wurden ausführlich beschrieben von Harald Kujat (zeitgeschehen-im-fokus.ch vom 18.01.23) und vom ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Bennett (der an den Vermittlungsbemühungen beteiligt war) in einem umfangreichen Interview bestätigt. In den MSM hat man diesen Vorgang lieber beschwiegen.

Ben Goldstein
1 Jahr her

Na, wenn der Lawrow das sagt, muss es ja stimmen. Da wollte der Putin seine Soldaten nach Hause holen, aber der Brite hat ihn gebremst. Und den Putin sollte man auch nach hunderttausenden Toten, die auf sein Konto gehen, nicht hassen. Die Kommunistin Wagenknecht ist überhaupt nicht verstockt, sondern lernfähig. Ihr neues Buch heißt, „Freiheit statt mein altes Buch.“

AnSi
1 Jahr her

Helge Schneider  hat doch den Satz des Abends geliefert! Sinngemäß: er ist kein Waffenbauer, kann kein Panzer fahren, also äußert er sich nciht zu diesen Themen. Das sollen die machen, die es können. Bumm! Mir sind spontan x-Leute dazu eingefallen, die da gefälligst ihre Klappe halten sollten. MASZ, Esken, Trampolina u.v.m. müssten sofort verstummen!
Frau Wagenknecht halte ich für eine sehr kluge Frau. Redegewandt ist sie noch dazu. Wenn sie sich von den Linken lösen würde und eine andere politische Heimat finden würde, wäre sie durchaus wählbar!

Elisabeth D.
1 Jahr her

Ich glaube, Herr Baum leidet an Altersstarrsinn und sollte in keine öffentlichen Gesprächsrunden mehr geladen werden. Er ist einfach nur peinlich. Frau Wagenknecht dagegen zeigte erneut ihren klaren, messerscharfen Verstand. Schade nur, sie ist bei den Linken. Wie kann sie sich nur mit Parteigenossinnen wie Janine Wissler oder Susanne Hennig-Wellsow verbunden fühlen. Überrascht hat mich aber Helge Schneider mit seinen Ansichten über sogenannte kulturelle Aneignung. Das ist ihm scheissegal. Recht hat er! Übrigens was ist mit z. Bsp. japanischen Orchestern die Beethoven oder Wagner spielen? Sowas von kultureller Aneignung!! Echt, woke Irrsinn macht vor nichts mehr Halt! Daher für Herrn… Mehr

Kassandra
1 Jahr her

Woher hat „der Baum“ seine Weisheit? Kennt „der Baum“ den Herrn Putin persönlich? Gar „den Russen“? War er etwa dabei, als dieser damals im Bundestag eine Rede halten konnte? Was für Zeiten das waren. Heute traut sich keiner von denen zu den Feierlichkeiten zum Ende von Stalingrad – um Reue zu zeigen. Wäre ja auch lächerlich, wenn gleichzeitig Panzer Richtung Ukraine verladen werden. Der israelische PM Bennet behauptet übrigens auch, dass die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine so gut wie unterschriftsreif waren, als Johnson in Kiew auftauchte und alles gestoppt haben soll: https://twitter.com/DrLuetke/status/1622838591045963776 Dass Sie sich das antun können,… Mehr

mediainfo
1 Jahr her

Der ehemalige Bundesinnenminister wirkt borniert, stur und absolut beratungsresistent.

Ganz genau. Unglaublich, dass ich den früher mal geschätzt habe. Und wohltuend, dass der Autor hier Klartext redet. Baum hört sich vor allem gerne selber reden, man merkt das ja wenn jemand den eigenen Worten so hinterherlauscht.