Geschlossenheit ist gut, Diskurs ist Streit, also verwerflich. Sagen ausgerechnet die, die Kritik an den Regierenden als Grundprinzip ihrer Profession ausgegeben hatten. Aber nur, bis sie die Meinungsführerschaft errungen hatten. An der halten sie nun fest.
Wer seine eigene Position sachlich wie moralisch für die einzig zulässige hält, ist für den Diskurs verloren. Er strebt nach geistiger Hegemonie. Wie sonst sollte er sein Land/die Welt retten? Es sind eben nur leider noch nicht alle von der Wahrheit überzeugt.
I.
Wenn das Berliner Sterne-Restaurant Nobelhart & Schmutzig unter dem Motto „Vielfalt, Aufgeschlossenheit, Diversität“ ein Lokalverbot für AfD-Wähler verhängt, praktiziert es das Gegenteil von Vielfalt, Aufgeschlossenheit und Diversität. Es propagiert die Homogenität seiner Kundschaft nicht nur in Geschmacksfragen (fundamendalistische Regionalküche, Verbannung aller fremden, nichtdeutschen Zutaten) sondern auch im Geist. Es ist auf auf erschreckende Weise AfD-affin. Weder nobel noch hart. Aber nicht ganz sauber in der Birne.
II.
Fremdenfeinde phantasieren von einer homogenen deutschstämmigen Bevölkerung. Über die Idiotie dieser Geisteshaltung müssen wir kein Wort verlieren. Auch die Refugees-Welcome-Deutschen träumen letztlich von einem Land, in dem es nichts Fremdes mehr gibt, weil alles zu Deutschland gehört, was da ist. Ihre Vorstellung von Gleichheit ist grenzenlos. Über die Idiotie dieser Geisteshaltung müssen wir kein Wort verlieren. Die einen sehen in der Homogenität der Herkunft das Fundament der Gesellschaft, die anderen glauben an die homogenisierende Wirkung ihrer moralischen Prämissen. Beide eint die Illusion einer letztlich nicht offenen, sondern – ob ethnisch oder moralisch – geschlossenen Gesellschaft.
III.
Wer sich dem Diskurs verweigert, spaltet. Denn Demokratie ist Diskurs. In Deutschland ist wieder einmal zu beobachten, wie Ausgrenzen das Streiten ersetzt. Die Ausgrenzer kennen nur Leute, die sich ihrer Wahrheit anschließen oder diese verleugnen. Sie bewegen sich ausschließlich auf ihrem eigenen „moralisch überwachten Korridor zulässiger Argumentation“ (so der Kölner Staatsphilosoph Otto Deppenheuer). Gefährlich wird diese Spaltung, wenn sich die staatstragenden Parteien und staatstragenden Medien an der moralischen Grenzziehung beteiligen.
IV.
Seit jeher gilt in Deutschen Parteien: Geschlossenheit ist alles. Lieber geschlossen untergehen, als so etwas Überflüssiges zulassen wie Richtungsdebatten. Zur bedingungslosen Geschlossenheit forderte schon Kaiser Wilhelm II. die Deutschen auf, als er sie in den Tod auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs schickte. „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“. Die Deutschen bejubelten den verordneten Konsens und eilten wie besoffen zu den Waffen. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, aber mich dünkt der Merkelsche Erfolgsgestus – ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch mich – wie ein ferner, höhnischer Nachklang des Kaisers. Sie schickt „ihr“ Volk zwar nicht ins sinnlose Gemetzel. Aber in vermeidbar Ungewisses.
V.
Populisten sind Leute, die glauben, Volkes Stimme bestehe nicht aus höchst unterschiedlichen Interessen, sondern sei eine eindeutige, definierbare Größe. Das ist vormodernes Denken. Also vordemokratisches Denken. Also postdemokratisches Denken. Populist ist der, der von Konsens spricht, tatsächlich aber polarisiert. In diesem Sinne ist Angela Merkel die derzeit erfolgreichste Populistin.
VI.
Innerparteiliche Demokratie ist die Basis der Parteiendemokratie überhaupt. Dieser Gedanke ist in der CDU, und nicht nur dort, verloren gegangen. Die ehemalige Volkspartei ist zum reinen Kanzlerinnenwahlverein degeneriert, so total und besinnungslos wie nie zuvor. Die Führerin inthronisiert sich selbst per Ankündigung zum gegebenen Zeitpunkt. Natürlich aus reinem Pflichtgefühl für das deutsche Volk. Wie der Kaiser. „Das ehrt sie sehr, und das ist auch gut so.“ (Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung) So applaudiert der linksliberale Mainstream. Ihn besorgt der mangelnde Konsens. Wiederum Prantl: „Der Wahlkampf wird nicht vergessen machen können, dass der CSU-Chef der CDU-Chefin zwölf Monate lang Rechtsbruch und Lüge vorgeworfen hat. Das hat Unions-Wähler mehr verunsichert, als wenn dies nur Frauke Petry von der AfD getan hätte“. Verunsicherung ist verboten! Wo käme man da hin. Geschlossenheit ist gut, Diskurs ist Streit, also verwerflich. Das sagen ausgerechnet die, die einmal Kritik an den Regierenden als Grundprinzip ihrer Profession ausgegeben hatten. Aber nur solange, bis sie die Meinungsführerschaft errungen hatten. An der halten sie nun fest.
VII.
Wir ahnen, weshalb es der Liberalismus in Deutschland so schwer hat. Der Deutsche kennt im Gegensatz zum Angelsachsen nur den Konsensliberalismus. Sich als liberal zu bezeichnen, bedeutet in Deutschland nicht viel, zumindest nichts Strittiges. Die Retter des Abendlandes, gleich welcher Art, halten sich allesamt für liberal. Liberal ist auch nicht das das Gegenteil von standfest. Deshalb braucht niemand eine konsenssüchtige, opportunistische Zünglein-an-der-Waage-FDP. Die wahren Liberalen, die in Deutschland politisch heimatlos geworden sind, sehen nicht im Staat den Garanten des Glücks. Damit stehen sie im schärfsten Gegensatz sowohl zur erzkonservativen wie grünlinken Weltanschauung. Die geht davon aus, dass der Staat eine absolut gültige Moral vertritt. Damit begründet dieser Staat auch sein Recht auf Einmischung ins Private. Der Staat aber steht nicht über der Demokratie. Er ist nicht gerechter, fortschrittlicher, moralischer als seine jeweils auf Zeit gewählten Repräsentanten und Parteien. Das Staatsverständnis Merkels wie das ihres links-grünen Milieus ist in Wahrheit autoritär.
VIII.
Die sich in ihrem Aufgeschlossensein und ihrer Weltoffenheit Sonnenden sind weder aufgeschlossen noch weltoffen. Sie sind Besserwisser, die es besser wissen wollen, als es die Fakten nahe legen. Die Toleranten sind intolerant. Die Gleichmacher spalten. Die Diversitätsprediger streben nach Hegemonie. Die Antibürgerlichen sind die übelsten Spießbürger. Die Faschisten gebärden sich als Anarchisten, und die frei gewählte Monarchin kennt keine Parteien mehr.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein