Der oberste Sendeauftrag: Realitätsverdrängung

Nach den Silvester-Ausschreitungen in Berlin manipulieren und framen ARD und ZDF, um bloß nicht das herrschende Narrativ von der erfolgreichen Migration zu beschädigen. Dabei überschreiten sie auch die Grenze zur Lächerlichkeit

IMAGO / Collage: TE

Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern scheint ein Wettbewerb im Gang, wem es am besten gelingt, die Berliner Silvester-Ausschreitungen zu verharmlosen, zumindest aber die Debatte von der Herkunft der Täter wegzulenken. ARD und ZDF wiederholen damit das gleiche Muster des Klein- und Vorbeiredens, mit dem sie schon auf die Silvesterübergriffe 2015/16 in Köln reagiert hatten. Im Fall der Berliner Randale kippt das mediale Dummstellen mittlerweile ins völlig Groteske und Lächerliche.

Nachdem die Tagesthemen schon die Berichterstattung manipulierten, indem die Verantwortlichen ein RBB-Interview mit einem Berliner Feuerwehrmann an der entscheidenden Stelle abschnitten – nämlich der, an der er („ich nenne das Kind beim Namen“) darauf hinwies, dass es sich bei den Angreifern überwiegend über Jugendliche mit Migrationshintergrund handelte – legte die ARD-Abendsendung noch einmal nach.

Obwohl die Berliner Polizei die Zahlen zu den 145 in der Silvesternacht Festgenommenen veröffentliche und mitteilte, dass 100 von ihnen keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, fragt der Tagesthemen-Kommentator mit gespielter Naivität, „wer denn sowas macht“ – also Sanitäter und Feuerwehrleute mit Böllern, Wurfgeschossen und Gaspistolen angreifen.

Als Antwort präsentiert die ARD-Sendung ernsthaft „eine zufällig erstellte Umfrage“ unter – großer Tusch – drei Passanten. Und die sprechen ausnahmslos korrekte Satzbausteine ins Mikrofon: Die Ausschreitungen hätten „ganz andere Gründe“, so ein Mann, der allerdings nicht ausführt, welche. Ein weiterer Passant belehrt im Soziologenjargon, die Frage nach dem Hintergrund der Täter habe eine „rassistische Konnotation“. Eine Frau weiß schließlich, es handle sich nur um „frustrierte Jugendliche“. Warum die ihren Frust dadurch ausdrücken, dass die Krankenwagen angreifen, möchte der Tagesthemen-Umfrager gar nicht erst wissen.

Auf ihrer Webseite behauptete die Tagesthemen-Redaktion später, der von ihnen im Interview zensierte Berliner Feuerwehrmann habe seine Eindrücke „anonym“ geschildert. Auch diese Behauptung erweist sich als leicht widerlegbarer Unsinn: in dem Originalinterview des RBB, das die Tagesthemen so offenbar nicht übernehmen wollten, findet sich sein voller Name eingeblendet. Und an dem Namen wird deutlich: er hat selbst einen Migrationshintergrund, ihm kann also eine „rassistische Konnotation“ auch beim besten Manipulationswillen nicht untergeschoben werden

Der WDR holte als Experten den Streetworker Franco Clemens vor die Kamera, der ebenfalls das passende Narrativ der benachteiligten Jugendlichen ablieferte. Clemens‘ Name findet sich auch noch woanders: als von der Fraktion der Linkspartei in Köln registrierter „sachkundiger Bürger“ im Jugendhilfeausschuss.

— ÖRR Blog. (@OERRBlog) January 5, 2023

Zwar gehört er der Linkspartei nicht an, vertritt die Links-Fraktion aber nach eigenen Angaben im Ausschuss. Erst, als der Sender auf Twitter dafür kritisiert wurde, reichte er – klein und verspätet – einen Hinweis auf die politische Betätigung seines Gesprächspartners nach.

Ein besonderes Rechenkunststück bot der Bayerische Rundfunk seinem Publikum: aus der Polizeimeldung, dass von den 145 Festgenommenen in Berlin 45 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, machte der Sender: „Die meisten Verdächtigen sind Deutsche.“ Tatsächlich sind die meisten Verdächtigen Nichtdeutsche – 100 von 145. Besitzer eines deutschen Passes stellen lediglich die größte Gruppe – was in einer Stadt, in der 80 Prozent der Bewohner die deutsche Staatsbürgerschaft haben, kaum verwundern kann.

Screenprint: BR.de

Das ZDF wiederum veröffentlichte auf seiner Webseite statt einer journalistischen Aufarbeitung einen langatmigen Aufsatz des Berliner Politikwissenschaftlers Ozan Zakariya Keskinkılıç, der schon in der Überschrift das Strohmann-Argument setzt: „Soziale Probleme statt Migration bekämpfen“ – so, als hätte irgendjemand pauschal die „Bekämpfung von Migration“ gefordert.

Screenprint: ZDF.de

In seinem ZDF-Text gelingt es dem Autor, die Realität ins völlige Gegenteil zu verdrehen. Er schreibt ernsthaft:

„Auch der Staat muss Verantwortung übernehmen, statt einseitig Respekt von Menschen zu erwarten, für deren Lebensrealitäten er sich recht wenig interessiert.“

Wenn die meisten Bürger und – eigentlich – auch der Staat von allen verlangen, sich an die Gesetze zu halten, dann ist da nach Ansicht des ZDF-Experten also „einseitig“. Und wenn Jugendliche, die meist aus patriarchalischen, gewaltaffinen Familien stammen, Rettungskräfte angreifen, dann liegt es eben daran, dass der Staat nicht genug „Verantwortung“ zeigt.

Silvester 2022/23 und die folgenden Tage markieren auch eine Kernschmelze der Öffentlich-Rechtlichen: für die beiden mit zusammen acht Milliarden Euro zwangsweise eingetriebenen Gebühren ausgestatteten Medienunternehmen scheint der oberste Sendeauftrag mittlerweile zu lauten: Wirklichkeitsverdrängung um jeden Preis.


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