„Warntag“ zeigt Deutschlands schlechte Vorbereitung auf Katastrophen

Deutschland hat den zweiten Warntag innerhalb von zwei Jahren durchgeführt. Dieses Mal gab es über das Cell Broadcast System auch Warnungen übers Handy. Doch überall funktioniert hat das nicht.

IMAGO / Eibner
Auf einer Werbetafel an einer Tübinger Hauptstraße wird eine Probe-Warnmeldung angezeigt, 08.12.2022

Im September 2020 zeigte sich, wie nackt Deutschland im Katastrophenfall dasteht. Zur gleichen Zeit sollten damals bundesweit die Sirenen losgehen. Doch zu einem Termin, der Wochen vorher feststand, auf einen Knopf zu drücken, überforderte die deutschen Rettungssysteme offensichtlich. Mancherorts ging der Alarm mit Verspätung los, andernorts gar nicht. Das Innenministerium kam damals nicht daran vorbei zuzugeben, dass der Warntag „fehlgeschlagen“ war.

Nun haben an diesem Donnerstag wieder die Sirenen geklungen. Und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie der Anbieter Vodafone sagen, dass nun die Ergebnisse ausgewertet werden müssen und der Warntag ein Erfolg war. Im rot-grünen Deutschland hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass schon vor einer Untersuchung feststeht, was herauskommen darf und was nicht. Die Telekom hielt sich indes zurück und verwies auf die eben erst notwendige Auswertung.

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Dass die Mobilfunkanbieter dabei sind, ist neu. In diesem Jahr erhielten auch erstmals Handybesitzer eine Warnung. Das gilt vor allem für die, die Apps wie Nina oder Katwarn installiert haben. Aber eigentlich sollte die Warnung über das Cell Broadcast System an jedes Handy gehen, das zur entsprechenden Zeit eingeschaltet und am Netz war. Auf Twitter meldeten sich viele damit zu Wort, wie schrill und laut die Warnung gewesen sein. Viele Nutzer wiesen aber ebenso darauf hin, dass die Warnung bei ihnen nicht angekommen sei. Darunter Jan Böhmermann: „Hab KEINE Sc…ß-Warn-SMS bekommen“, schrieb der Niveau-Beauftragte des ZDF. Das Bundesamt weist daraufhin, dass es eben der Zweck des Warntags gewesen sei, herauszufinden, wie viele Nutzer im Zweifelsfall die Nachricht erreicht – und wie viele nicht.

Die Warnmeldungen liefen auch übers Radio und übers Fernsehen sowie klassisch über Sirenen. Doch genau der Punkt zeigt, wie desolat Deutschland mittlerweile aufgestellt ist. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben viele Kommunen ihre Sirenen abgeschafft. Motiviert durch Pandemie und spätestens den Krieg in der Ukraine wollte der Bund die Kommunen dazu bringen, sich wieder Sirenen anzuschaffen. Doch die klagen wiederum, der Bund stelle dafür viel zu wenig Geld bereit. Zudem hat die Ampelregierung das Ziel, dass ein Alarm künftig zentral vom Bundesamt ausgelöst werden soll. Doch im digitalen Entwicklungsland Deutschland geht das nicht so ohne Weiteres. Weshalb immer noch Feuerwehrleute vor Ort auf den Knopf drücken müssen.

Die sozialdemokratisch regierten Länder Berlin und Brandenburg entschieden daher bereits vorab, sich mit Sirenen am Warntag gar nicht oder nur teilweise beteiligen zu wollen oder zu können. Auch in Baden-Württemberg meldeten sich viele Kommunen vorher ab, darunter die Landeshauptstadt Stuttgart. Die Vorbereitung auf den Ernstfall ist also buchstäblich lückenhaft. Doch selbst funktionierende Alarm-Anlagen helfen in der Katastrophe nur bedingt weiter. Das zeigte die Flut im Ahrtal, als der grüne Staatssekretär Erwin Manz entschied, es genüge auch noch, die Bewohner am nächsten Tag zu warnen – und sich der damalige Innenminister Roger Lewentz und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) schlafen legten.

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Kommentare ( 27 )

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mlw_reloaded
2 Jahre her

Cell Broadcast? Das neuste iPhone und das vier Jahre alte Android blieben stumm. Die Sirenen, die hier in der Gegend in jedem Ort stehen, liefen zuverlässig.

Biskaborn
2 Jahre her
Antworten an  mlw_reloaded

Das ist nicht korrekt, mein neustes iPhone 14 meldete sich mit schrillem Warnton auch ohne die im Artikel genannten Apps!

Innere Unruhe
2 Jahre her

„. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben viele Kommunen ihre Sirenen abgeschafft. Motiviert durch Pandemie und spätestens den Krieg in der Ukraine wollte der Bund die Kommunen dazu bringen, sich wieder Sirenen anzuschaffen. Doch die klagen wiederum, der Bund stelle dafür viel zu wenig Geld bereit.“ Das scheint System zu haben – ein funktionierendes System aus ideologischen Gründen abzubauen, um später mit leeren Händen dazustehen. Gab es nicht Gerüchte, dass das Gasnetz abgebaut werden sollte? Und die Kraftwerke hat man nicht stillgelegt, sondern zum Teil gleich zerstört… Intensivbetten sollen auch abgebaut worden sein, um jetzt zu behaupten, sie wären… Mehr

PaulN
2 Jahre her

Ich bin noch mit Android 8 unterwegs und deshalb zum Glück von diesem Übergriff auf mein Telefon verschont geblieben. Soll angeblich erst ab Android 11 funktionieren, was schon zeigt, was für eine sinnbefreite Aktion das mal wieder war.

Thorsten Maverick
2 Jahre her

Cell Broadcast gibt es schon sehr lange. Bei Viag Intercom wurde darüber früher die Homezone aktiviert. Die meisten alten Handies können das auch. Man hat sich hier aber entschlossen, das so zu verändern, daß es auf den alten Geräten nicht funktioniert. Ein iPhone braucht z. B. mindestens iOS 15. Damit ist das System weitgehend wirkungslos. Man hätte das auch schon vor 20 Jahren einführen können. Technisch überhaupt kein Problem. Andere Länder haben das längst. Das wurde nur verpennt. Wir werden von Idioten regiert.

Herr Kramer
2 Jahre her

Ich habe die Warnung über das Cell-Broadcast-System erhalten und wurde außerdem am 22. November von Telefonica über den anstehenden Test per SMS informiert; beides in Niedersachsen. Mich interessiert vornehmlich, ob das ein informationstechnischer Vektor sein kann. Soweit ich die genutzte Technik gerade recherchiert habe, sollte das unmöglich sein (zielagnostisch und einbahn).
Die eigentliche „Warnung“ haben wir ja schon gestern auf allen Kanälen erhalten.

Fieselsteinchen
2 Jahre her

Die Hauptstadt der grünen Ökofaschisten im Südwesten hatte sich bereits im Vorfeld entschlossen, am Probealarm nicht teilzunehmen. Da ich zufälligerweise zu dieser Tageszeit heute dort weilte, kann ich bestätigen, dass lediglich aus der Ferne, vielleicht für 30 s, ein leises Heulen zu hören war, Umlandgemeinde. Sonst schrillten etliche Handys, meines nicht. Nun ja! Aber ehrlich gesagt, ist das wirklich schnuppe. Bei einem großflächigen Stromausfall funktioniert das sowieso nicht. Und wer weiß, was dann eigentlich zu tun ist? Wohin? Was? Wie oder womit? Welcher Alarmton hat welche Bedeutung? Also eine Bullshit-Übung eines Shitholecountrys. Früher, in meiner Kindheit, 40 Jahre ist es… Mehr

Max Anders
2 Jahre her

Die einen Handys haben ganz böse Krawall gemacht, die älteren blieben stumm, die Sirenen heulten um 11 und dreiviertel 12 auf und ab, insofern nichts, was nicht zu erwarten gewesen wäre. Schön wäre es jetzt noch, wenn man mal definieren würde, welche Signalisierungen für welche Gefahren stünden. Kommt ein Wirbelsturm oder ein Bombenangriff geht man in den Keller, gibts Hochwasser oder Feuer ist man dort denkbar schlecht aufgehoben… Israel sensibilisert gerade Schülerinnen und Schüler für Katastrophenfälle und erfindet quasi das neu, was im Ostblock Normalität war in Form von paramilitärischen Kurz-Ausbildungen (GST, Wehrausbildung in der Lehre). Im Osten wissen die… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Max Anders
Toby
2 Jahre her
Antworten an  Max Anders

Gab es eigentlich heute exklusive Radiodurchsagen über UKW und Mittelwelle?

Die gab es wohl, zumindest berichtete ein Mitarbeiter davon, der zu der Zeit im Auto unterwegs war.

Wehrausbildung in der Schule / Lehre ist nicht verkehrt. Ich erinnere mich mit Grausen daran, wenn meine Rekruten in der AGA das erste Mal eine Waffe zum scharfen Schießen erhielten. Da waren nicht wenige etwas verängstigt und die vorangegangene theoretische Ausbildung war erstmal vergessen.

trafo
2 Jahre her

Das ist dann so wenn man glaubt Bundesliga-Niveau zu haben und dann feststellen muss, dass es höchstens für die Topflappen-Liga reicht… so sieht es aus Freunde der russischen Tanzmusik: wir kriegen nicht mal unsere eigene Bevölkerung flächendeckend und sicher informiert. Der Blackout kann kommen!

Guzzi_Cali_2
2 Jahre her

Ich war heute ab Sonnenaufgang auf der Baustelle – draußen. Nähe der Innenstadt unserer Kleinstadt. Ich habe nicht einen einzigen Mucks vernommen. Man könnte sagen: Der Warntag war die Warnung vor der Politik. Übersetzt hieß es: „Sorge lieber selbst vor, denn von diesen Schwachmaten kannst Du rein gar nichts erwarten.“ Das gilt uneingeschränkt von Bundes-, über Landes-, Kreis- bis Kommunalebene. Lauter Nachtwächter, wie mein Arbeitskollege immer zu sagen pflegt. Hätte ich um 7.30 Uhr die Hilti-Schlagbohrmaschine zum Einsatz gebracht, wäre zumindest die unmittelbare Nachbarschaft glockenwach gewesen…

Maja Schneider
2 Jahre her

Aus meinem Handy erscholl urplötzlich ein unerträglicher Ton, und zunächst wusste ich nicht, was los ist, war doch der letzte Warntag völlig daneben gegangen. Dieses Mal wurden wir – zumindest teilweise – eines Besseren belehrt. Auch die Sirenen waren überdeutlich zu hören. Zumindest diese Technik der Warnung hat funktioniert, allerdings darf bezweifelt werden, dass dieses Land tatsächlich auf Katastrophen vorbereitet ist. Zu viele Vorkommnisse in letzter Zeit lassen kein gutes Gefühl aufkommen. Warnen ist eine Sache, Reagieren, wie wir inzwischen wissen, eine ganz andere.