Bis zu 500 Prozent mehr: Kopfschmerzen nach Christian Lindners „Wermutstropfen“ für Immobilienbesitzer

Am Freitag hat die Ampel-Fraktionen ein Gesetz beschlossen, das viele Immobilienerben in finanzielle Probleme stürzt. Faktisch kommt damit eine Steuererhöhung – obwohl die FDP genau das ausgeschlossen hatte. Jetzt nennt Christian Lindner das einen "Wermutstropfen".

IMAGO/Emmanuele Contini

Wahlversprechen gebrochen, Bürger abgezockt: Die massiven Steuererhöhungen des FDP-Finanzministers Christian Lindner sind Gesetz. Der brisante Passus, der für hunderttausende Bürger sehr teuer zu werden verspricht, findet sich als Artikel 12 im Jahressteuergesetz 2022, und trägt die sperrige Bezeichnung: „Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung nach dem sechsten Abschnitt des zweiten Teils des Bewertungsgesetzes an die Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14. Juli 2021“. Hinter der staubtrockenen Formulierung verbirgt sich eine klammheimliche Steuererhöhung für Immobilienerben, die in einzelnen Fällen bis zu 500 Prozent betragen kann. Christian Lindner nannte das „Wermutstropfen“. Nach diesen Tropfen allerdings werden viele Familien schwere Kopfschmerzen und dauerhafte Migräne erleiden.

Nach dem Gesetz, dem der Bundestag mit Stimmen der FDP zugestimmt hat weil es auch aus dem Haus ihres Parteivorsitzenden und Finanzministers Christian Lindner (FDP) stammt ändert sich am 1. Januar 2023 vor allem der sogenannte Sachwertfaktor für Immobilien, mit dem der Wert eines Hauses oder einer Wohnung multipliziert wird. Dazu kann noch ein Regionalfaktor kommen. Praktisch bedeutet das: Der Wert, den das Finanzamt für eine Immobilie im Erb- oder Schenkungsfall zugrunde legt, steigt vielerorts drastisch – und damit die Steuer, die Erben oder Beschenkte abliefern müssen.

Im Musterfall eines freistehenden Hauses von 220 Quadratmetern, Baujahr 2004, mit einem Grundstück von 700 Quadratmetern schlägt vor allem der Sachwertfaktor zu Buche, der sich hier ab 1. Januar 2023 von 0,9 auf 1,3 erhöhen würde. Zusammen mit dem zusätzlichen Regionalfaktor legt der Fiskus nicht mehr wie bisher 487.505 Euro für die Immobilie zugrunde, sondern 714.277. Und fordert keine Erbschaftssteuer wie bisher von 9.625 Euro – sondern demnächst 57.855 Euro, mehr als das Fünffache.

Denn an den ohnehin geringen Freibeträgen ändert sich nichts. Sie liegen nach wie vor bei 500.000 Euro für Lebenspartner und bei 400.000 Euro für Kinder. Seit 2009 wurden sie nicht erhöht. Allein schon wegen der Inflation und vor allem wegen der Wertsteigerung bei Immobilien müssten sie eigentlich dringend angehoben werden.

Da jetzt  das Jahressteuergesetz so in Kraft treten wird, bleibt vielen Erben, die nicht über ausreichend Bares verfügen, nichts anders übrig, als einen Kredit aufzunehmen, um ihre Erbschaft überhaupt antreten zu können. Faktisch zahlen sie also das Haus ihrer Eltern zum zweiten Mal ab. Besonders empfindlich träfe die Neuregelung Erben in Gegenden mit starker Wertsteigerung. Ein vor 40 Jahren in einer damals wenig attraktiven Randlage von München erbautes Reihenhaus kann heute durchaus mit einer Million Euro bewertet werden.

Bundestag debattiert Erbschaftssteuer
Wenn der Staat Omas Häuschen an die Armen verteilen will
Mit der unauffälligen Neuregelung kommt genau das, was die FDP beim Regierungseintritt ausgeschlossen hatte: eine Steuererhöhung. Die Freidemokraten versuchten intern wenigstens, eine Erhöhung der Freibeträge um 100.000 Euro zu erreichen, scheiterten mit dieser Vorstellung aber an SPD und Grünen. Denn die wollen nicht einfach nur die Bewertung neu regeln – sondern bei den vermeintlich reichen Immobilieneigentümern kräftig abkassieren.

Vertreter der beiden linken Ampelparteien argumentieren, die faktische Steuererhöhung treffe Erben ja gar nicht so hart: Lebenspartner, die erben, müssten keine Steuer zahlen, wenn sie weiter in der Immobilie wohnen. Und Kinder könnten ebenfalls bis zu 200 Quadratmeter steuerfrei erben, vorausgesetzt, sie nutzen das Haus oder Wohnung ihrer Eltern mindestens für 10 Jahre nach dem Erbfall. Nur passen diese Ausnahmen oft schlecht zur Lebenswirklichkeit. Viele Senioren suchen nach dem Tod des Partners eine kleinere Bleibe. Kinder leben häufig schon aus beruflichen Gründen nicht am gleichen Ort wie ihre Eltern.

Die Union versucht jetzt, über den Bundesrat deutlich höhere Freibeträge durchzusetzen: 825.000 Euro für Ehepartner und 660.000 Euro für Kinder. Damit könnte zumindest ein Reihenhaus auf die nächste Generation übergehen, ohne die Erben in finanzielle Probleme zu stürzen. Ob das gelingt, ist offen. Am Freitag jedenfalls haben die Koalitionsparteien das Jahressteuergesetz im Bundestag verabschiedet – ohne Freibetragserhöhung.

Auf Anfrage von TE teilte das Bundesfinanzministerium mit, Bundesfinanzminister Christian Lindner habe sich für höhere Freibeträge bei der Erbschaftssteuer ausgesprochen. Eine Anpassung an die allgemeine Preis- und Kostenentwicklung erscheine empfehlenswert. „Da es sich aber um eine Ländersteuer handelt, sollte eine entsprechende Initiative vorzugsweise von den Ländern kommen.“

Am 16. Dezember muss der Bundesrat in der letzten Sitzung des Jahres entscheiden. Die unionsgeführten beziehungsweise -mitregierten Länder könnten, wenn sie ihre Zustimmung verweigern, das Gesetz zumindest aufhalten. Es käme dann in den Vermittlungsausschuss. Weil wegen der Weihnachtspause eine Klärung für sehr unwahrscheinlich gilt, könnte die Neuregelung der Immobilienerbschaft dann nicht wie vorgesehen zum 1. Januar in Kraft treten.

Allerdings: Die schwarz-grüne Landesregierung von Schleswig-Holstein unter Daniel Günther (CDU) ließ schon mitteilen, sie habe gegen das Jahressteuergesetz nichts einzuwenden.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 103 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

103 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Joe4
2 Jahre her

Nach dem neuen Immo-Steuer-Modell wäre ein kleines, altes, unsaniertes Einfamilienhaus in einer Großstadt plötzlich mit 600 Tsd € bewertet. Aber für nur max. 400 Tsd € ließe sich das verkaufen. Das ist doch absurd. Dem Eigentümer bleibt nur, das hinzunehmen oder einen Gutachter für die Bewertung zu beauftragen. Diese Branche freut sich schon auf viele Aufträge…

monsalvat
2 Jahre her

Mit den Immobesitzern habe ich kein Mitleid, darunter sind viele, die Rotgrün gewählt haben und zumindest die haben es verdient. Und zu Rotgrün zählen natürlich auch Union und FDP. Die FDP ist die Hauptschuldige an der ganzen Misere, denn ohne ihre Steigbügelhalterei wäre das alles nicht möglich, was hier in Deutschland so abgeht. Aber seit gewiss, sie werden auch weiter Rotgrün wählen!

bfwied
2 Jahre her
Antworten an  monsalvat

Nur weil Schwachköpfe, die gar nicht wussten, was sie eigentlich wählen, darunter sind, finden Sie das Sozialismus-Gesetz gut?

monsalvat
2 Jahre her
Antworten an  bfwied

Ja… die Reaktion hier beweist mir, daß ich genau richtig liege. Auch sie werden weiter SPDCDUFDPGRÜNE wählen und sich hinterher wundern, daß es weiter steil bergab geht.

Dieter
2 Jahre her

Wie sieht eigentlich die Behandlung bei Immobilien mit im Grundbuch eingetragenen Lasten aus?
Das reduziert doch eigentlich den Wert?

Joe4
2 Jahre her

Die CDU wollte die Erhöhung der Freibeträge. Wurde im Bundestag abgeschmettert – und zwar mit Hilfe der AfD (die dagegen wetterte und von „legaler Enteignung“ sprach), da die sich enthielt. Was soll man von dieser Partei halten?! …

gom jabbar
2 Jahre her
Antworten an  Joe4

Möglicherweise habe ich etwas falsch verstanden ? Wo wurde da seitens der AFD etwas abgeschmettert ?
AfD spricht von „legalisierter Enteignung“Albrecht Glaser (AfD) erklärte, die Erbschaft- und Schenkungssteuer sei schon immer prekär gewesen. Er sprach von einer legalisierten Enteignung und einer extreminvasiven fiskalischen Intervention.Bei der Erbschaftsteuer komme die Besonderheit des Eingriffs in den Familienverband hinzu und das Problem der Zerschlagung von Unternehmen im Mittelstand. Von ihnen könnten Steuerlasten von 20, 30 oder 40 Prozent, bezogen auf den Verkehrswert, nicht getragen werden. Die Erhöhung der Freibeträge sei verfassungsrechtlich geboten.

Joe4
2 Jahre her
Antworten an  gom jabbar

cdu/csu hatten einen Antrag, indem sie die Erhöhung der Freibeträge (Erbsch.steuer) eingereicht. Am 01.12. wurde darüber im BT abgestimmt. Grüne, SPD, Linke stimmten dagegen, die AfD enthielt sich. (Parl.-Dokument). Die Frage ist nun, warum die AfD nicht dafür stimmte.

Joe4
2 Jahre her

Enttäuschend auch die Haltung der Verbände. Steuerzahlerbund, ‚Haus und Grund‘ etc.. Die haben zwar Stellung dazu genommen, aber von einem Sturm der Entrüstung hat man nichts gemerkt. Nun ist noch zu hoffen, dass diese Neuregelung im Vermittlungsausschuss landet. Wenn es glatt durchgewunken werden sollte: Was soll’s. Es sind ja nur einige Millionen Menschen betroffen, letztendlich auch viele Mieter. Aus meiner Sicht handelt es sich um eine dreiste Geldbeschaffungsmethode. Besonders Großstadtbewohner werden künftig abgezockt. Häuser werden als deutlich „höherwertig“ eingestuft. Der wahre Wert ändert sich jedoch nicht. Eigentlich Betrug.

Klaus Kabel
2 Jahre her

„Eine Regierung muss sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem Blut und Schweiß ihres Volkes stammt. Es ist gerecht, dass jeder einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des Staates tragen zu helfen. Aber es ist nicht gerecht, dass er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Staate teilen muss.“
Friedrich der Große

Aljoschu
2 Jahre her

Das ist ein weiterer Sturmangriff der Grünen LGBTQx-en auf die Institution der Familie sowie auf das erarbeitete Vermögen der „schon länger hier Lebenden“. Das Vermögen der „weißen deutschen Kolonialisten und Sklaventreiber“ soll an die Millionen zugelaufenen „Opfer“ verteilt werden. Zusammen mit dem „Bürgergeld“ wird damit die Axt an das Leistungsprinzip und die Wurzeln der Gesellschaft gelegt, der soziale Wohlfahrtsstaat endgültig abgeschafft. Welcome to the Brave New DDR!

Joe4
2 Jahre her

Die fdp hätte ein kategorisches Nein aussprechen können. Stattdessen schiebt sie nun das Thema den Ländern zu. Eine Partei ohne Rückgrat.

Joe4
2 Jahre her
Antworten an  Joe4

p s Die fdp fordert höhere Freibeträge. Jetzt könnte sie die Ampel unter Druck setzen und mit Austritt aus der Regierung drohen. Wird sie aber höchstwahrscheinlich nicht tun.

Niklas
2 Jahre her

Die FDP flog seinerzeit aus dem Bundestag, weil sie vollmundig Steuersenkungen versprochen und dann nichts, NICHTS von ihren Versprechen gehalten hat. Lindner hat scheinbar aus der Geschichte nichts gelernt und Kubicki, der zuletzt über genau darüber die Koalition in Frage stellte, ist einfach nur ein Dampfplauderer und mehr nicht.

Joe4
2 Jahre her
Antworten an  Niklas

Es handelt sich hierbei eigentlich nicht um eine Steuererhöhung. Die Immobilien werden höher bewertet und die Freibeträge nicht angepasst. Damit wird sich die fdp herausreden.

Niklas
2 Jahre her
Antworten an  Joe4

Man kann über die FDP-Wählerschaft vieles sagen, aber ganz sicher nicht dass sie hauptsächlich aus dummen Menschen besteht. Die werden sich mit so billigen Ausreden nicht hinters Licht führen lassen.

Nibelung
2 Jahre her

Dieses lebende Wirtschaftswunder gleicht eher einem Finanz-Distributeur. als einem Finanzverwalter, wobei der Verwalter nach uralten Regeln das Vermögen mehren und vor Verlust schützen soll, anstatt es den freien Kräften der Vernichtung zu überlassen. Nun wird er auch noch von der größten Macht der westlichen Welt in die Zange genommen, die nun das Trump`sche Prinzip übernehmen, ihre eigene Wirtschaft zu stärken und das kann uns dann große Probleme bereiten, was Macron gerade in Washington feststellt und dann zuhause berichten wird. In der gleichen Zeit hat der Grüne Hobby-Minister, ohne jeglichen Erfahrenswert den Amis dieserhalb den Kampf angesagt und hoffentlich übernimmt er… Mehr