Migrationspolitik in der EU: Der Alleingänger Deutschland kritisiert Alleingänge

Deutschland behauptet wieder, nach einer europäischen Lösung in der Migrationspolitik zu streben. Dabei ist Ampel-Deutschland der entscheidende Quertreiber, indem es die Migrationsanreize weiter hochtreibt und die EU-Partner moralisierend schulmeistert.

IMAGO / Christian Spicker
Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat, 24.11.2022

Es ist schon längst eine Art Running Gag der EU-Politik. Ausgerechnet aus Deutschland erschallt wieder der Vorwurf des nationalen Alleingangs in der europäischen Migrationspolitik – pünktlich zum Sondertreffen der EU-Innenminiser an diesem Freitag in Brüssel. Diesmal ist es der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, der nationale Alleingänge kritisiert und Konsequenzen fordert. „Es ist entscheidend, dass die EU jetzt gemeinsam an einem Strang zieht“, sagte Thomae dem Handelsblatt. Das gelte auch für die Bekämpfung illegaler Migration. Das Sondertreffen müsse „dazu genutzt werden, um Österreich, Serbien und Ungarn deutlich zu machen, dass ein Alleingang in der Migrationspolitik nicht akzeptabel ist“. Denn nur mit einer gemeinsamen, europäisch getragenen Lösung könne Migration auf Dauer bewältigt werden.

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Die Regierungen Österreichs, Ungarns und Serbiens hatten vergangene Woche eine Absichtserklärung unterzeichnet, die gemeinsame Maßnahmen für Grenzschutz und gegen Migration beinhaltet. Aber warum tun sie das wohl? Weil es eine funktionierende gemeinsame Grenzschutzpolitik in der EU eben nicht gibt. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sehr zutreffend festgestellt, dass das Asylsystem der EU gescheitert. Die geltenden EU-Aufnahmerichtlinien würden dem Staat „Ketten anlegen“. Nun sei man an einem Punkt angekommen, an dem einzelne Mitgliedsländer nach neuen Formen der Partnerschaft außerhalb der EU suchten.

Man muss sich klarmachen, woran dieses Scheitern liegt. Nämlich am fortgesetzten Alleingang Deutschland – unter Merkel und auch jetzt unter der Ampel. Die sogenannte Flüchtlingskrise war keine europäische, sondern in erster Linie eine deutsche Krise. Und sie war nie wirklich vorbei und ist jetzt in ähnlichem Ausmaße wieder da. Ihre Gründe waren damals ebenso wie heute stets die besondere Attraktivität Deutschlands und einiger anderer Staaten für Asylzuwanderer, kombiniert mit einem offen unter beweis gestellten Unwillen, die Grenzen Deutschlands oder die Außengrenzen der EU zu sperren, also Zuwanderungswillige zurückzuweisen. Wo immer das dann dennoch geschah und geschieht, ob an Polens  oder Griechenlands Außengrenzen oder an den Mittelmeerküsten, konnten sich die dortigen Grenzschützer und die EU-Behörde Frontex vor allem auf eines verlassen: dass ihnen die deutsche Regierung, NGOs und vor allem deutsche Leitmedien wie der Spiegel in den Rücken fallen. Der Spiegel schreckt dabei, wie jetzt ein neuer Skandal deutlich macht, auch vor falschen Meldungen nicht zurück.

Als im Frühjahr 2016 die Balkan-Staaten die dortige Route einigermaßen schlossen, wurden ihnen aus Berlin schon damals ähnliche Vorhaltungen gemacht wie jetzt wieder. Dabei retteten diese die deutsche Willkommenspolitik vor dem unmittelbaren Kollaps, der auch jetzt wieder droht. „Die Landkreise stoßen insbesondere im Hinblick auf ihre Unterbringungskapazitäten an Grenzen“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Auch 2015/16 sprach die Bundesregierung unter Merkel stets von „europäischen“ Lösungen, während sie selbst gerade die geltende Dublin-Regelung außer Kraft gesetzt hatte, indem sie Hunderttausende „Flüchtlinge“ aufnahm, die aus anderen EU-Ländern, also als Sekundärmigranten kamen. Auch das setzt die Ampel-Regierung fort, indem sie Hunderttausendfach Asylanträge von Menschen annimmt, die schon in anderen EU-Staaten registriert wurden.

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Merkel forderte zugleich immer wieder die Verteilung von „Flüchtlingen“ auf andere EU-Staaten. Die Absurdität dieser Forderung war offensichtlich angesichts der ungleichen Attraktivität der sozialstaatlichen Versorgung und der von Deutschland zugleich beharrlich bewahrten Offenheit der Binnengrenzen – aber kein Hinderungsgrund für die damalige Bundesregierung. Versuche, „Flüchtlinge“ in Osteuropa unterzubringen scheiterten kläglich. Schließlich waren sie ohnehin schon durch mehrere sichere EU-Länder nach Deutschland gereist, weil sie gerade eben nicht verteilt werden, sondern sich ganz offenkundig ihr Zielland frei wählen wollten. Und das geht bekanntlich auch so weiter bis heute.

Die deutsche Migrationspolitik steht auch unter der Ampel und zu diesem inneren Widerspruch (mit Beteiligung der FDP, die Merkels Politik 2015/16 immerhin halbherzig kritisiert hatte): Man fordert die „europäische Lösung“, verhindert diese aber beharrlich, indem man das eigene Land für Asyl- also de facto Armutsmigranten attraktiver macht als andere, und zugleich jede Initiative für einen robusten Außengrenzenschutz unterminiert. Getrieben wird diese Politik von einem dank immer üppigerer Steuergeldalimentierung wachsenden Vorfeld an Migrationshilfe-NGOs, die sich zudem immer deutlicher mit Klimaschutz-NGOs verbinden, und nicht zuletzt auch von der Mehrheit der Medien. Letztere sehen ihre Aufgabe oft nicht in der kritischen Berichterstattung über die Einwanderungswirklichkeit, sondern darin, im Sinne einer höchsten abstrakten Moral der grenzenlosen Offenheit und Versorgungsbereitschaft jegliche konkrete Abweichung davon zu maßregeln. Das treibt dann auch mal Blüten wie den jüngsten Spiegel-Skandal.

Unter „europäische Lösung“ versteht man in Berlin spätestens seit 2015 generell ein Einschwenken der anderen EU-Staaten auf die extrem großzügige Haltung Deutschlands. Der Ruf danach ist nichts anderes als ein andauernder moralisierender Vorwurf gegen die Mehrheit der weniger einwanderungseuphorischen Nachbarländer. Wenn Faeser und den anderen Migrationspolitikern der Ampel tatsächlich an einer europäischen Lösung gelegen wäre, müssten sie endlich die deutsche Aufnahme- und Versorgungspraxis auf ein höchstens durchschnittliches EU-Niveau absenken. Das Bürgergeld, Faesers Pläne zur erleichterten Einbürgerung und die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigen, dass die Bundesregierung und andere tonangebende Institutionen in Deutschland das Gegenteil vorhaben.

Eine wirkliche europäische Einwanderungspolitik, die über Regeln hinausgeht, an die sich weder Migranten noch Behörden halten, gäbe es erst, wenn alle EU-Staaten dasselbe Ziel verfolgten und eine für Armutsmigranten halbwegs gleiche Versorgung, also Attraktivität, herstellten. Da Deutschland unter Migrationspolitik in der Praxis das Gegenteil dessen versteht, was die meisten anderen potentiellen Zielländer wünschen, nämlich lieber mehr statt weniger Migranten anzuziehen, ist eine wirklich gemeinsame Migrationspolitik weitgehend unrealistisch. Zwischen der Bundesregierung und Girogia Melonis Italien, geschweige denn Ungarn und den osteuropäischen Mitgliedsländern gibt es keine Basis gemeinsamer Ziele und Interessen. Auch Frankreich steht in Migrationsfragen nicht wirklich auf Deutschlands Seite. Denn im Gegensatz zur deutschen AfD ist Frankreichs Rechte unter Marine Le Pen eine reale Bedrohung für die Pariser Regierenden, auf deren Forderungen Macron und sein Innenminister Gerald Darmanin Rücksicht nehmen müssen.

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Kommentare ( 26 )

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RauerMan
1 Jahr her

Die dt.Regierenden interessiert offenbar nicht, was das Volk in der Migrationsfrage denkt.
Das sind die Stehler eines dümmlichen Volkes, unterstützt von den Propagandisten(Hehler?).Z.B..bestimmter Medien und NGO`s, wie z.B.ev.Kirche.
Es hilft nur noch ein zwar gewaltloser, aber ziviler Protest eines jeden Einzelnen und damit seiner Lebensweise.

wackerd
1 Jahr her

Tja, irgendwas machen die anderen europäischen Staaten aber auch falsch. Ich würde Deutschland mal kräftig auf die Pfoten hauen. Werfen die das schöne Geld doch für diese unselige Pull-Einwanderung prekärer Menschen aus Armutsländern heraus. Dann wird irgendwann Deutschland weniger oder sogar nichts mehr an die EU zahlen können. Merke: man sollte die Kuh melken und nicht schlachten. Was ist also mit den Nachbarn nur los? Auch alle ideologisch verblödet? Überall nur noch rot-grüne?

wackerd
1 Jahr her

Schon wieder Armbinden-Faeser. Klar, dass die Frau mit der Ausstrahlung einer Politkommissarin im Endstadium Ceausescus Rumänien, die Wege frei macht für die nächste Stufe der großen Transformation. Waren die Deutschen immer schon gut in Größenwahn und Irrsinn. Die Agenda steht und wird vollzogen. Dazu werden alle Migranten im Sauseschritt Deutsche und die Regierung kann behaupten, dass das Bürgergeld hauptsächlich den Deutschen zugutekommt.

verblichene Rose
1 Jahr her

Einheitliche Migrationspolitik für Europa?
Zuletzt verbot ein deutsches Gericht die Abschiebung nach Griechenland, da es für die Betroffenen nicht zumutbar war, dort zu leben.
Vermutlich warten die anderen EU-Mitglieder also darauf, dass Germoney finanziell für eine „Zumutbarkeit“ sorgt.
Also so wie schon immer…!


Britsch
1 Jahr her
Antworten an  verblichene Rose

Vielleicht sollte man sch bezüglich Zumutbarkeit auch mawl damit interessieren wie viele „Biodeutsche“ mit kargen Renten leben, die nicht aufs Soziaslamt rennen und wissen was sie als Leistungen / Sonderleistungen dazu bekommen können. Denen das auch Nioemand sagt wenn sie sich danach erkundigen.
Die auch keine entsprechende Beratungsstellen finden,
wenn sie sich überwinden diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen etwas dazu zu bekommen

Thorsten
1 Jahr her

Deutschland will eine einheitliche Migrationspolitik für Europa und zwar die eigene grenzenlose Migrationspolitik.
Baerbock sprach mal, dass noch Millionen kommen werden. Also eigentlich sind es dann „ALLE“ von denen auch Claudia Roth schon sprach.
Die Vision „Kalkutta“ von PSL muss einfach wahr werden – dann gibt es keine Migrationsanreize mehr.

Teiresias
1 Jahr her

Energie-Rüstungs-Migrationspolitik –

Deutschland ist der Geisterfahrer, der sich über die vielen Geisterfahrer wundert. Unverbesserlich, dabei lächerlich wichtigtuerisch wie eine Ameise, die mit heiligem Ernst versucht, einen Elefanten zu erwürgen.

Es ist peinlich, Deutscher zu sein.

Niklot
1 Jahr her
Antworten an  Teiresias

So ist es. Ich besorge mir bald eine zweite Staatsbürgerschaft, damit ich auch offiziell im Ausland nicht mehr als Deutscher auftreten muss. Ansonsten sprechen wir ohnehin schon immer die Muttersprache meiner Frau (nicht Deutsch). So bleiben wir unerkannt.

Demokratius
1 Jahr her

Frau Baerbock hat doch tausende Flüge angekündigt, die viele Millionen Zuwanderer bringen werden und bestätigt, dass wir alle aufnehmen. Kann man es den anderen Staaten verdenken, wenn sie sich angesichts einer solchen Hybris einen „schlanken Fuß“ machen möchten? Die Betroffenen werden auch nichts dagegen haben, in das Land mit dem für sie attraktivste Sozialsystem abgeschoben zu werden.

Siggi
1 Jahr her

Faeser schafft jeden Tag neue Anreize nach Deutschland zu gehen. Was die von sich gibt, ist Heuchelei. Solange es in Europa keine einheitlichen Versorgungsstandards gibt, gehen die Leute nach Deutschland. Und solange das keiner fördert, geht es nur darum, Deutschland machen zu lassen. Schließlich war und ist es Deutschland, dass die Masseneinladungen ausspricht; und das seit 2015. Es muss erst kollabieren, bevor sich diese Frau grinsend aus dem Staub macht.

November Man
1 Jahr her

Jetzt suchen sie schon wieder nach der europäischen Lösung, wie schon seit vielen Jahren. Und wieder sitzen sie es aus und hoffen das nichts mehr passiert. Die europäischen Innenminister haben in den vergangenen Jahren bereits unzählige Gipfel zur gerechten Verteilung der Migranten auf ganz Europa und zur Sicherung der Schengen Außengrenzen abgehalten. Alle diese Gipfel sind krachend gescheitert. Die RotGrünen werden uns auch noch in Jahren völlig sinnfrei das Märchen über die gerechte Verteilung von Migranten, Sicherung der europäischen Außengrenzen und ihrer europäischen Lösung erzählen, während in Europa weiterhin viele Menschen durch Terroranschläge und Morde sterben müssen. Viele andere europäische… Mehr

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  November Man

Die Anderen in der EU wollen keine mehr aufnehmen bzw. nicht mehr so Viele und Deutschland als Eu Land erhöht die Anreize zu kommen. und verlangt danach noch von allen Anderen solidarisch mit Ihrem Tun zu sein. Beklagen sich daß die Anderen als Mehrheit nicht mit Ihnen soldarisch sind, tun was sie selbst ideologisch wollen. Die Abnderen Länder wollen halt nicht daß Ihre eigenen Länder und Ihre Eigene Kultur verreckt, kaputt gemacht / alles in den Bankrott geführt wird. Wenn alles Bankrott ist, ausgerbeutet, werden Diejenigen die gekommen sind weil es Ihnen mit dem was Sie für nichts in den… Mehr

Don Didi
1 Jahr her
Antworten an  November Man

Europäische Verteilung und Schengen-Abkommen widersprechen sich. Die gesamte Ausrichtung der EU hin zur EUdssR widerspricht einer Verteilung. Verteilung geht nur mit souveränen Nationalstaaten und überwachten Binnengrenzen. Sonst sind die „Verteilten“ innerhalb von Stunden wieder im deutschen Sozialsystem, im Zweifelsfall mit anderem Namen, Nationalität und Alter.

imapact
1 Jahr her

Tatsächlich ziehen die EU und ihre Mitglieder alle an einem Strang – und dessen Ende steckt Deutschlands Kopf in der Schlinge. Tragischerweise zieht Deutschland bzw. seine Machthaber am heftigsten an diesem Strang. Die praktische Politik sieht so aus: jedes Mitgliedsland – außer dem deutschen Geisterfahrer – versucht so gut als möglich die eigenen Grenzen zu schützen; diejeniger Migranten, die trotzdem kommen, läßt man gerne Richtung Deutschland weiterziehen und befördert es sogar aktiv. An die europäische Verteilungslösung (die auch keine Lösung wäre, wenn es sie tatsächlich gäbe, da der Zustrom nicht abreißt) glauben nicht einmal diejenigen, die sie unermüdlich propagieren. Es… Mehr