Wäre manch ein Bundestagsabgeordneter „auf Stütze angewiesen“?

Die Mehrheit der Bürger findet, dass sich Politiker-Gehälter nach ihren zuvor erzielten Einkommen im Beruf außerhalb der Politik richten sollten. Das würde für manch einen Bundestagsabgeordneten weniger Geld bedeuten, vor allem aus den Reihen der Grünen und der SPD.

IMAGO / photothek
Aktentasche im Bundestag (Symbolbild)

Die meisten Bürger wünschen sich Politiker mit Berufserfahrung. Laut einer von der Bild-Zeitung in Auftrag gegebenen INSA-Umfrage will eine „große Mehrheit der Bundesbürger, dass Politiker vor dem Wechsel ins Parlament einen richtigen Job hatten“. 51 Prozent der Befragten finden zudem: Abgeordnete sollen statt einheitlicher Bundestagsdiät das Gehalt ihres zuvor ausgeübten Berufes bekommen. Dagegen haben 26 Prozent gestimmt.

Auch Professor Niklas Potrafke vom Ifo-Institut regt eine Debatte an über Politiker-Gehälter, die sich „am Lohn des letzten Jobs außerhalb der Politik“ orientieren sollen. Gegenüber Bild sagte er, dass die Anreize stimmen müssten, um „mehr top ausgebildete Leute für die Politik zu gewinnen“. Deutschland brauche, gerade in Krisenzeiten, in der Politik die besten und erfahrensten Personen. Zweifeln die Bürger etwa an der Kompetenz von Politikern?

Tatsächlich hat die Qualität – was die Qualifikation der Abgeordneten betrifft – abgenommen, wie eine Analyse der Atlas Initiative ergeben hat, die vor einiger Zeit die Studien- und Berufsabschlüsse der Abgeordneten im aktuellen Bundestag sowie deren Berufserfahrung analysiert und für TE ausgewertet hat. Während der Bundestag seit Gründung der Bundesrepublik quantitativ stetig zugenommen hat und damit zum zweitgrößten Parlament der Welt geworden ist nach Chinas Volkskongress.

 

Die Analyse ergab auch, dass der Qualitätsverlust nahezu ausschließlich bei Grünen und Sozialdemokraten zu verzeichnen sei: „Das kann jedenfalls dann nicht überraschen, wenn man sich die berufliche Qualifikation der jeweiligen Parteispitzen ansieht – keine abgeschlossenen Studien oder sonstige Ausbildungen, keine relevante Berufserfahrung außerhalb der Partei und parteinaher Organisationen, keine Berufserfahrung außerhalb des realitätsfernen selbstreferentiellen Politikbetriebes“.

Viele der heutigen Abgeordneten beziehen also möglicherweise ein Gehalt, das ein Vielfaches dessen beträgt, welches sie bei ihrer Qualifikation in der freien Wirtschaft verdienen würden. Würden sich Politiker-Gehälter an den zuvor erzielten Gehältern richten, sähe es für manch einen Abgeordneten, besonders bei den Grünen und der SPD, zumindest finanziell also nicht ganz so gut aus.  Bild hat beispielhaft die Gehälter für folgende Politiker ausgerechnet. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (Ex-Callcenter-Mitarbeiter) käme auf rund 2050 Euro pro Monat, SPD-Chefin Saskia Esken (staatlich geprüfte Informatikerin) auf 2500 Euro pro Monat, und Grünen-Chefin Ricarda Lang (kein Abschluss) wäre sogar „auf Stütze angewiesen“.

Die Einheitsdiät beträgt derzeit 10.323 Euro pro Monat. Für diese Abgeordneten ist ihr Bundestagsmandat also eine äußerst attraktive Einkommensquelle. Dies liefert moralisch fragwürdige Anreize, etwa sich der Parteilinie zu unterwerfen (Stichwort Fraktionszwang), auch wenn dies dem eigenen Gewissen und den Versprechen gegenüber der Wählerschaft zuwiderläuft. Bei einer Anpassung von Gehältern – in diesen Fällen deutlich nach unten – würden solche Anreize geschmälert. Manch einer würde sein Amt idealerweise aus staatsbürgerlicher Pflicht und politischer Überzeugung ausüben.

Offen bleibt, wie realistisch dieses Ideal ist. Denn auch ein nur mittelmäßig verdienender Bundestagsabgeordenter könnte das Amt anstreben, um dann als treuer Parteisoldat Karriere zu machen – in der Hoffnung, dafür später mit einem Stiftungsposten oder einem der parteipolitisch beeinflussten Verbände und NGOs belohnt zu werden, wo die Bezahlung wieder besser aussieht. Schließlich hängt das deutsche Parteiwesen eng mit Karrierismus und Opportunismus zusammen.

Der Vollständigkeit halber: Für CDU-Chef Friedrich Merz (Ex-Aufsichtsratschef) rechnete Bild rund 83.000 Euro aus, Bundesjustizminister Marco Buschmann (Anwalt) bekäme statt der Bundestagsdiät rund 10.000 Euro.

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Kommentare ( 28 )

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Monostatos
2 Jahre her

Wichtig wäre, dass die Politiker bereits bei grober Fahrlässigkeit persönlich haften müssen. Vorsatz wäre strafbar, und Korruption würde als schwerer Landesverrat geahndet. Wer in dieser schlechtesten Regierung seit 1945 käme ungeschoren davon???

bfwied
2 Jahre her

Seit wann hat Esken denn eine IT-Ausbildung, die inhaltlich so genannt werden könnte? Die war doch Schaustellerin und Ähnliches, dann bezahlte Computerkurse.

Peter Gramm
2 Jahre her

Die Parlamentarier machen es den Demonstrierern nach. Die einen kleben sich auf der Straße fest, die anderen auf ihren Stühlen im Bundestag. Wir leben nun mal in einer sehr klebrigen Republik. Die üppigen Diäten sind der Klebstoff.

Malte
2 Jahre her

Bei dem Vorschlag habe ich erst einmal schallend gelacht. Lingt auch erst einmal wie eine gute Idee, würde aber der Korrupzion Tür und Tor öffnen. Folgendes halte ich für sinnvoll: -Mindestens 5 Jahre Erwerbstätigkeit -max. 2 Legislaturperioden hintereinander, -zwischen Wechsel von Exekutive in Legislative in Judikative (egal in welcher Reihenfolge) müssen jeweils 2 Jahre liegen -Mitglieder der Bundesregierung dürfen nicht Mitglied des Bundestages oder eines Landtages sein, -Einschränkung der Sitzungszeiten (nur jedes 2. Wochenende, oder so), dann kann das Parlament nicht soviel Blödsinn machen, -keine Diäten, jeder Parlamentarier erhält den ALG II-Satz, damit der Lebensunterhalt gesichert ist; darüber hinaus eine… Mehr

Reimund Gretz
2 Jahre her

Das ist Quatsch hoch drei! Was man ändern könnte die Gehälter dürfen nicht von den Abgeordneten selbst festgelegt werden und eine leistungsbeurteilende Komponente wäre wünschenswert.
Viel wichtiger wäre, es müsste Qualifikationskriterien geben um ein politisches Amt ausführen zu dürfen.

Waehler 21
2 Jahre her
Antworten an  Reimund Gretz

Auf den ersten Blick o.k. Aber was ist mit der Demokratie? Wie stark soll das passive Wahlrecht eingeschränkt werden?
Das was uns das Genick gebrochen hat ist die „Koaliererei“ . Es war der Tot der Opposition. Zum Überfluss wird es auf absehbare Zeit keine Bundesregierung ohne die Grünen geben! Auch Dank dem Zwangsfernsehen.
Doch auch ohne Grün hat es eine konservative Parteien geschafft uns vor die Wand zu fahren. Daher meine Quintessenz! Wir sollten über das englische System nachdenken, da haben es Scharlatane schwerer als bei uns. Vor allem beim Rundfunk!

Mikmi
2 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

Ein Mindestmaß an Bildung schadet weder der Demokratie, noch dem Wahlrecht. Ein Ministerposten, in einen 84 Mio. Land, verlangt Wissen und Bildung. Unsere Einstiegsdiäten sind viel zu hoch und die Pensionen nach ein paar Jahren im Amt, sind dem Wähler nicht mehr vermittelbar.

Waehler 21
2 Jahre her
Antworten an  Mikmi

Es liegt wohl eher daran, dass der Wählerwille nachrangig ist. Würde es den Parteien um den Wettstreit um den Wählerwillen gehen, würde es anders aussehen. Solange sich der Bürger auch noch sagen läßt was er wählen und sagen darf, solange wird es keine wirkliche Konkurrenz um die Wahlstimme an der Urne geben. Der ÖRR muss weg. Undemokratisch, weil er ein einseitiger Influenzer und überbezahltes Geschäftsmodell ist. Ohne diesen Sender würde manches besser sein. Flitzpiepen ( wenn auch nicht so viele) hat es immer schon gegeben. Doch da haben die Politiker auf die Stimme der Vernunft (Verwaltung) noch gehört und hatten… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Waehler 21
Mikmi
2 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

So lange es Reporter gibt, die das trübe Wasser nicht scheuen, unangenehme Fragen stellen und das öffentlich, so lange funktioniert noch unsere Demokratie.
Der ÖRR hat sicher 25.000 Mitarbeiter und sicher genau so viele Pensionäre, wer soll das sonst zahlen, sicher nicht gerecht, nur eine Alternative gibt es noch nicht.
Flitzpiepen in der Politik, dass muss geändert werden, wenn nicht freiwillig, dann muss eine gesetzliche Grundlage her.

Marco Mahlmann
2 Jahre her

Nein, dann würden noch immer die Parteien entscheiden, wer aufgestellt wird. Zudem hätten neue Gruppierungen kaum eine Chance.

D. Harry
2 Jahre her
Antworten an  Marco Mahlmann

Aufstellen kann sich jeder, der noch festzulegende Voraussetzungen erfüllt (Ausbildung, Berufserfahrung, etc). Wie die einzelnen Gewählten dann in Berlin ihren Platz finden, liegt an dem Programm, das sie vertreten.

Thorsten Lehr
2 Jahre her

Wenn sich die Politik bei der Auswahl ihres Personals bei der gesellschaftlichen Resterampe bedient kommt eben das dabei heraus, was in Berlin Alltag ist. ? Das System begünstigt die Schlechtestenauswahl und der Fehler liegt im System. ? Inzwischen ist eine Reform aus eigener Kraft leider nicht mehr möglich, aber der Totalzusammenbruch ist nur noch eine Frage der Zeit! ? Wer verfassungsrechtlich relevante Delegitimierung von Politikern findet darf sie behalten! ?

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

So weit müssen wir gar nicht gehen. Es würde schon reichen, wenn andere demokratische Parteien mit ausgebildetem Personal wie die AFD als Wettbewerber akzeptiert werden würden und nicht mit dem Verfassungsschutz bedroht werden würden. Und wenn die Bundestagswahlen in Berlin komplett wiederholt werden würden. Aber nicht einmal das dulden die Altparteien.

Der Ketzer
2 Jahre her

Der Anreiz, sich der Parteilinie zu unterwerfen (Stichwort Fraktionszwang) ergibt sich hauptsächlich daraus, dass diese Parlamentarier das Wohlwollen der Partei (die hat schließlich immer recht 😉 ) angewiesen sind. Über diese Konstruktion können Außenstehende (Lobbyisten, NGO’s, …) über Parteispenden vorzüglich Einfluss nehmen, was nicht immer den Interessen des Landes entspricht.
Ich würde es bevorzugen, wenn die Listenplätze auf die Hälfte (1 Listenplatz auf zwei Wahlbezirke) reduziert würde. Die Politik würde bürgernäher, wenn die Abgeordneten gegenüber ihren Direktwählern verantwortlich wären und Erfahrungen aus dem realen Leben (z.B. einem bürgerlichen Beruf) mitbrächten. Ein akademischer Abschluss ist für mich nicht maßgeblich.

Last edited 2 Jahre her by Der Ketzer
elly
2 Jahre her
Antworten an  Der Ketzer

NGOs sind Lobbyisten. Die brauchen auch keine Parteispenden zu tätigen, die bekommen Gelder aus dem Steueraufkommen.

Wolfram_von_Wolkenkuckucksheim
2 Jahre her

Mir ist unbegreiflich, wie gebildete Menschen, die auch noch ein gutes Gehalt beziehen und wissen wie der Hase läuft, die Grünen wählen. Mir schon vor wenigen Jahren aufgefallen, dass die Berufsbilder der links-grün-roten gar nicht zusagen. Kaum einer von denen hat einen anständigen Beruf. Und dann habe ich das mal mit der FDP verglichen… Da sind viel mehr Menschen mit Berufserfahrung dabei. Und bei der AfD noch mehr.