Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages stellt die Neutralität des Bundesverfassungsgerichts in Frage, dessen Rechtsprechung in letzter Zeit immer häufiger in Zweifel geriet. Mit Präsident Stephan Harbarth mehren sich die Urteile, die juristisch fragwürdig, politisch jedoch allzu eindeutig sind.
Seit Beginn der Bundesrepublik gehörte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wie übrigens auch der Bundespräsident zu den allgemein geachteten Institutionen, die über den Parteien und Ideologien standen und deshalb eine hohe Autorität besaßen. Es war nicht nötig, dass man mit jedem Gedanken des Bundespräsidenten und mit jedem Urteil des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmte, wichtig zu wissen war nur, dass Amtsführung und Urteilsfindung den Geist der Neutralität und Unabhängigkeit atmeten.
Der SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier hat nie in das Amt des Bundespräsidenten hineingefunden. Er ist immer sozialdemokratischer Bürovorsteher und Parteipolitiker geblieben und hat damit das Amt beschädigt, das in den Krisen, in die wir gehen, eigentlich wichtiger denn je ist. Ob Steinmeier eine Rede hält, interessiert kaum noch jemanden, und wenn sie gehalten wird, wird sie bereits vergessen, während er noch spricht.
Mit Wehmut und Nostalgie kann man sich noch der Zeiten erinnern, als ein Roman Herzog Bundespräsident und Andreas Voßkuhle Präsident des Verfassungsgerichts war. Doch mit dem Merkelianer Stephan Harbarth mehren sich die Urteile, die juristisch fragwürdig, politisch jedoch allzu eindeutig sind.
So hat im Jahr 2021 das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit dem berüchtigten Urteil zum Klimaschutzgesetz der großen Transformation, also dem Umbau des Staates zur klimaneutralen Gesellschaft, zur Ersetzung der Sozialen Marktwirtschaft durch eine Kommandowirtschaft juristische Weihen erteilt. Das Bundesverfassungsgericht ging dabei von zwei Rechtsfiktionen aus, erstens von den Rechten künftiger Generationen und zweitens von Klimaprognosen, die zwar wissenschaftlich fragwürdig bis falsch sind, aber sich in der Glaskugel Karlsruher Richter zur Wahrheit aggregierten. Das Karlsruher Glaskugelurteil gab der Regierung Merkel die Möglichkeit, das Klimaschutzgesetz zu verschärfen, indem nun Deutschland verpflichtet wird, Klimaneutralität statt 2050 bereits 2045 zu erreichen.
Ohnehin stellt sich die Frage was „Klimaneutralität“ sein soll. Eine Welt ohne Klima oder unser Abschied von der Welt? In welchem Kontext das steht, hat Angela Merkel ja bereits in Davos 2020 verkündet: „Aber, meine Damen und Herren, das sind natürlich Transformationen von gigantischem, historischem Ausmaß. Diese Transformation bedeutet im Grunde, die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten 30 Jahren zu verlassen – die ersten Schritte sind wir schon gegangen – und zu völlig neuen Wertschöpfungsformen zu kommen …“
Noch fragwürdiger ist das Gesetz zu den öffentlich-rechtlichen Sendern, das letztlich aus den öffentlich-rechtlichen Sendern einen Staatsfunk und aus den Gebühren eine Zwangspropagandafinanzierungssteuer macht. Das Bundesverfassungsgericht hat die von Sachsen-Anhalt ausgesetzte Erhöhung des Rundfunkbeitrags in Kraft gesetzt. Harbarths Richter meinten, dass die im Grundgesetz gesicherte Rundfunkfreiheit von Sachsen-Anhalt verletzt würde, weil Sachsen-Anhalt der Novellierung des Staatsvertrags nicht zugestimmt hat. Sachsen-Anhalts Entscheidung war demokratisch legitimiert, was in Karlsruhe nicht zu interessieren scheint; dort hält man es eher mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Doch das Karlsruher Urteil in der Causa Merkel zeigt, wie hoch oder tief das Ansehen der Demokratie in Karlsruhe steht. Als im Februar 2020 der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der CDU, der FDP und der AfD zum Ministerpräsidenten Thüringens in freier und demokratischer Wahl gewählt worden war, diktierte Merkel während ihres Aufenthalts in Südafrika via Pressekonferenz: „Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung gebrochen hat für die CDU und auch für mich, nämlich dass keine Mehrheiten mithilfe der AfD gewonnen werden sollen“, sagte sie in Pretoria. „Da dies absehbar war in der Konstellation, wie im dritten Wahlgang gewählt wurde, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb auch das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden muss.“
Spornstreichs fuhr die Ikone deutscher Liberalität, Christian Lindner, der die FDP inzwischen zum 17. Landesverband der Grünen gemacht hat, nach Erfurt, um seinem Parteifreund Kemmerich zum Rücktritt zu drängen, damit der Linke Bodo Ramelow, der Mann, der zu einer Partei gehört, die zwar Linke heißt, aber die SED ist, wieder ins Amt zurückkehren kann. Und damit man in Deutschland weiß, was man von den Versprechungen von Politikern zu halten hat, wurde natürlich die feierliche Erklärung, dass im Herbst Neuwahlen stattfinden sollen, nicht eingehalten. Ramelow ist zum Schaden von Thüringen und zum Schaden der Demokratie immer noch im Amt.
Wie hoch in der Politik das Ansehen der Demokratie steht, kann man in den Vorgängen um die Berlin-Wahl besichtigen. Viel weniger, als neugewählt werden muss, soll auch neugewählt werden, und das auch nicht morgen oder übermorgen, sondern am Sankt Nimmerleinstag, nämlich kurz vor der nächsten regulären Wahl. Stärker kann man die Demokratie nicht verspotten und den Bürgern erklären, was sie in den Augen der Politik sind: das noch notwendige Übel. Das Ende der Demokratie beginnt dann, wenn die Demokraten die Demokratie nicht ernst nehmen.
Zwar stellten die Richter des Verfassungsgerichtes fest, dass Merkel mit ihrem Kommentar im Februar 2020 gegen die Verfassung verstoßen habe – aber eben erst im Juni 2022. Da war Merkel nicht mehr im Amt. Nun hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Konsequenzen mehr und Merkel reagierte nur schulterzuckend. Ihre Sprecherin sagte kühl, dass Merkel selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts respektiere. Mehr Verhöhnung der Demokratie geht nicht. Gut in Erinnerung ist noch, dass Merkel mit Ministern die Richter des 1. und 2. Senats im Juni 2021 zum Abendessen ins Kanzleramt eingeladen hatte. Hatte man an dem Abend auf die Aufweichung der Gewaltenteilung angestoßen? Ist das Bundesverfassungsgericht unter Merkels Parteifreund Harbarth zum Tricksen übergegangen? Ist Recht nur noch eine Funktion des für die große Transformation Notwendigen?
Inzwischen stellt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das gerade herauskam, die Neutralität des Bundesverfassungsgerichts in Frage. Von einem privaten Verein wurde eine Juristenpressekonferenz organisiert, über deren Mitgliedschaft entscheidet allein der Verein. Von den 38 Mitgliedern des Vereins arbeiten 15 Journalisten für die öffentlich-rechtlichen Medien. Vorsitzende des Vereins sind Journalisten von ARD und Süddeutsche Zeitung. Diese „Juristenpressekonferenz“ bekommt Pressemitteilungen zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts schon am Vorabend der Verkündigung. Im Gutachten heißt es:
„In diesem Zusammenhang erscheint jedenfalls die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Pressemitteilungen nur einem exklusiven Kreis an Journalisten zur Verfügung zu stellen, für die benachteiligten Journalisten besonders schwerwiegend, zumal das Bundesverfassungsgericht bei der beabsichtigten Gewährleistung der Professionalität auf die Einschätzung eines privaten Vereins vertraut. Im Zusammenhang mit exklusiven Pressemitteilungen für die Landespressekonferenz hat das VG Stuttgart insoweit entschieden, dass einer Landespressekonferenz rechtlich kein besonderer Status und insbesondere kein Monopol der Erlangung von presseerheblichen Informationen zukomme, sodass die Mitgliedschaft in der Landespressekonferenz keinen sachlichen Grund zur Ungleichbehandlung darstelle.“
Erwartet Harbarths Verfassungsgericht ein Entgegenkommen der so bevorteilten Journalisten? Ist kompetent, wen Harbarth als kompetent erachtet? Steckt die Absicht dahinter, eine gewisse Hoheit über die Kommentierung der Karlsruher Urteile abzusichern?
Da die Urteile augenscheinlich immer stärker den Gesetzgeber im Sinne politischer Ziele verpflichten, sie juristisch immer anfechtbarer werden und an der Neutralität immer stärkere Zweifel entstehen, kann es als sinnvoll erscheinen, vor allem diejenigen zu bevorteilen, die im Sinne des aktivistischen Journalismus mit der Pflicht zur Objektivität gebrochen haben, wie man es in Statements von Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachlesen kann.
Wie sagte Merkel, der Harbarth letztlich das Amt verdankt: „Diese Transformation bedeutet im Grunde, die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten 30 Jahren zu verlassen.“ Wer sich der großen Transformation verpflichtet fühlt, dem scheint Neutralität und Objektivität im Sinne Merkels nur noch eine schlechte Angewohnheit zu sein, der wir uns zu entledigen haben.
Die Folgen für die Demokratie sind immens, wenn die Gewaltenteilung und die Neutralität der Staatsorgane nicht mehr gewahrt sind, wenn die Staatsorgane und letztlich der Staat sich selbst delegitimiert, weil er sich an seine Gesetze und Spielregeln nicht mehr hält, wenn Regelbrüche nicht Ausnahme sind, sondern zur neuen Spielregeln wird, die lautet: Legitim ist, was nutzt.
Sic transit gloria mundi.
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Das ist eine sehr notwendige Aufarbeitung, lieber Herr Mai, dieser existenziellen Beschädigung des Bundesverfassungsgerichts. Diese so essentiellen Verwerfungen gehen ohne wenn und aber auf das Konto von Angela Merkel. Das ist nur durch ihre unmittelbaren Derektiven zuzuschreiben. Niemand hat diese Bundesrepublik Deutschland in ihren elementarsten verfassungsgebenden Grundlagen so geschädigt wie Angela Merkel. Als bekennender, aufgeklärter Christ halte ich es mit Michael Klonovsky: „Gott schenke der Mamsell ein langes Leben.“ Seit kurzer Zeit ist dieses demokratie- und diskursunfähige Land auf dem absteigenden Ast. Für diese Rechtsbrüche wird sie leider nicht der Gerichtsbarkeit überantwortet, aber die Geschichte wird sie richten als die… Mehr
Man hört manchmal, es gebe eine Art Drehbuch zur Rückabwicklung Deutschlands nach der materiellen Einlösung seiner Schuld(en) durch den zwischenzeitlich von den Westmächten geduldeten Status als Hochtechnologiestaat. Und dies sei Teil der Sühne nach dem 2. Weltkrieg.
Die Grünen würden darin den Weg zur Agrarnation ebnen.
Dass selbst Mitglieder der höchsten und ehemals ehrbarsten Instanz unserer Demokratie sich offenkundig gegen dieselbe instrumentalisieren lassen, macht mich nachdenklich, auch wenn ich an ein Drehbuch solch ungeheurer Menschenverachtung nicht glauben kann. Weil es alles in Frage stellte, was mir einmal vermittelt wurde.
Das Bundesverfassungsrichter sind nur noch willfährige Gehilfen der Regierung! Unter Harbarth wird das mehr als deutlich. Merkels Handlanger ist auch dem bei Merkel ratsuchenden Scholz und seiner Ampel stets und treu zu Diensten! An wen mich der Harbarth erinnert schrieb ich neulich in einem Kommentar, der daraufhin leider nicht freigeschaltet wurde! Deshalb verkneife ich mir das heute lieber.
Es galt für die Politk und den Rechtstaat Abschottung vor dem Feind, „das gemeine, neugierige und hinterhältige Volk“ 😉 „Bundestag muss Zugang zu Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste gewähren“, gemäß Urteil Bundesverwaltungsgericht in Leipzig VerwG 7 C 1.14 Der Bundestag hatte die Ensicht abglehnt. Was das normalste der Welt in einer Demokratie ist, die Pflicht der Regierung zur Offenlegung von Informationen, musste erst von einem Juornalisten vor Gericht erstritten werden, obwohl der Anlass eigentlich lächerlich war. Oder sollte doch etwas verborgen werden ? Der groteske Unsinn mit dem sich Bundestag und UN beschäftigen. Zur Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages: „Die Suche nach außerirdischem… Mehr
Bei einer aktuellen Klage der AfD vor dem BverfG, gegen das BverfG, denn das Verwaltungsgericht hat die Annahme der Klage abgelehnt, sich als nicht zuständig erklärt. geht es um die jahrelang gepflegte, vor anderen staatlichen Stellen und der Öffentlichkeit aber lange geheim gehaltene Praxis des Bundesverfassungsgerichts, einen Verein von Fachjournalisten einen Tag vor Verkündung vom Urteilsinhalt in Kenntnis zu setzen. Mitglieder der sogenannten „Justizpressekonferenz“, darunter auch eine kleine Meute von Journalisten von Nachrichtenagenturen und dem ÖRR, erhalten in privilegierter Weise die gerichtliche Pressemitteilung zu einer BverfG Entscheidung, am Vorabend vor der Veröffentlichung persönlich an der Pforte des Gerichts, vor allen… Mehr
„Zwar stellten die Richter des Verfassungsgerichtes fest, dass Merkel mit ihrem Kommentar im Februar 2020 gegen die Verfassung verstoßen habe – aber eben erst im Juni 2022.“ – Das ist zwar richtig, allerdings ist diese Feststellung, trotz der eindeutigen Rechtslage, nur extrem knapp mit 5 : 3 Stimmen ergangen: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-053.html Grund dafür war das Sondervotum der Richterin Wallrabenstein, die ihre Berufung ins Bundesverfassungsgericht den Grünen verdankt. Mit der Unterwanderung des BVerfG durch solche linksgrüne Aktivisten, die nicht nach Recht und Gesetz urteilen, sondern nach „gefühltem Recht“, wird der Rechtsstaat von innen zersetzt, wie auch gerade im Bundesinnenministerium durch die linksextreme… Mehr
Das Verfassunngsgericht ist auf das Level eines YouTube-Kanals gesunken. Recht ist was gerade populär ist. Der Name Harbarth ist untrennbar mit dieser Entwicklung verbunden, aber die Kollegen/8nnen links und rechts am Richterpult sind um keinen Deut besser. Man sonnt sich im Glanze des Titels und bleibt nah an den Trögen der Macht.
Der Einzige, der die Verfassung wirklich schützen und verteidigen kann, ist der verfassungsmäßige Souverän. Es von Juristen zu erwarten, ist angesichts der historischen Erfahrungen mehr als naiv, es ist ein verhängnisvoller Fehler.
„Der Einzige, der die Verfassung wirklich schützen und verteidigen kann, ist der verfassungsmäßige Souverän“
Da liegen sie juristische falsch. Der Souverän kann die Verfassung nicht schützen weil er dazu keine gesetzliche Entscheidungsmacht hat, abgesehen vondem realitätsfremden und nicht umsetzbaren GG Art.20(3), dem verfassungsrechtlichen Notwehrrecht.
Der Souverän kann nur diejenigen Wählen, die für ihn in seinem Verfassungsrechtlichen Auftrag, die Verfassungschützen sollen und müssen, was sie eben nicht tun.
Das juristische einzuklagen ist sinnlos, den die Beklagten wären dann ihre eigenen Richter. Da ligt das Problem, welches durch die faktisch nicht existierendeGewaltenteilung noch verschlimmert wird.
„Inzwischen stellt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das gerade herauskam, die Neutralität des Bundesverfassungsgerichts in Frage.“ Jetzt wird es vermutlich nicht mehr lange dauern, bis diese Wissenschaftler entweder auf Linie gebracht oder durch jüngere ausgetauscht werden. Beim BVG hat es doch auch funktioniert.
Durch Netzwerke ins Amt gekommen; durch Netzwerke soll die Ausübung des Amtes gesichert werden. Kompetenz und Integrität spielen hingegen keine Rolle.