Wer Verbrechen im Ukraine-Krieg anzweifelt, macht sich strafbar

Der Bundestag hat den Begriff der Volksverhetzung erweitert. Wer nun über den Ukraine-Krieg kritisch berichtet, steht mit einem Bein im Knast. Auch weil Justizminister Marco Buschmann (FDP) erneut schwammig formuliert hat.

IMAGO / IPON

Es gibt Anzeichen, wenn der Bundestag ein Gesetz möglichst stillschweigend durchbringen will: Das Parlament kann die Änderung in ein anderes Gesetz mit reinpacken, etwa zum Bundeszentralregister. Das erspart die erste Lesung. Beschließen kann der Bundestag es dann um 23 Uhr, als letzten Tagesordnungspunkt, wenn keiner mehr aufs Parlament schaut.

Genauso intransparent hat die Ampel mit Hilfe der CDU eine Verschärfung des Strafrechts durchgepeitscht. Die Leugnung und die Verharmlosung von Kriegsverbrechen und Völkermorden sind nun als Volksverhetzung strafbar. Bisher sah das Strafgesetzbuch in Paragraf 130 die Leugnung des Holocausts als Straftat vor ebenso wie unter Paragraf 140 die Billigung von Straftaten.

Den Holocaust-Paragrafen 130 haben Ampel und CDU jetzt mit ihren Stimmen verändert: Die öffentliche Leugnung und die gröbliche Verharmlosung aller Völkermorde, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind nun strafbar. Die Formulierung stammt von Justizminister Marco Buschmanns (FDP), wie die Taz berichtet.

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Das Gesetz erinnert an das Infektionsschutzgesetz, an dem ebenfalls Buschmann mitgewirkt hat: Darin ist nicht eindeutig definiert, wann es greift. Der Holocaust als historisches Verbrechen ist zum Beispiel klar definiert, von Gerichten anerkannt – entsprechend lässt sich seine Leugnung rechtssicher verfolgen. Im neuen Gesetz heißt es, die Äußerung müsse „geeignet“ sein, den öffentlichen Frieden zu stören und zu Hass oder Gewalt aufzustacheln. Vor allem das Wort „Hass“ ist juristisch umstritten.

Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ist Hass im Zusammenhang mit Rassismus definiert als „eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung“. Die DDR nutzte die Begriffe „Hass und Hetze“, um Kritik am Regime juristisch ahnden zu können. Die Schwammigkeit der Begriffe ermöglichte es, diese nach Bedarf zu erweitern. „Gesteigert“ ist relativ.

In der Praxis entscheiden die Staatsanwälte, welche Äußerung nun verfolgt wird und welche nicht. Dem Vorwurf, eine Äußerung sei in ihrer Ablehnung „gesteigert“, lässt sich dann kaum widersprechen. Nun ist dies im Zusammenhang mit der Debatte und Berichterstattung über den Ukraine-Krieg relevant. Eine der ältesten Weisheiten zum Thema Krieg lautet, dass die Wahrheit sein erstes Opfer sei. Desinformation ist seit jeher ein Teil militärischer Strategien. Wer sich als neutraler Journalist an diese Regel hält und die Darstellung einer der beiden Kriegsparteien anzweifelt, die andere Seite habe ein Kriegsverbrechen begangen, begibt sich damit in die Hand des Staatsanwalts. Nimmt der zuständige Staatsanwalt die Behauptung der Kriegspartei als wahr an, muss sich der Journalist den Unbequemlichkeiten eines Strafverfahrens stellen.

Buschmanns Justizministerium betont gegenüber der Taz, das Gesetz habe nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Das Ministerium formuliert den Text, während der Krieg in der Ukraine läuft, versteckt den Entwurf in einem anderen Gesetz und das Parlament beschließt diesen bei Nacht und Dunkelheit. Nun ist das Gesetz auf den Ukraine-Krieg anwendbar – hat aber mit dem Ukraine-Krieg nichts zu tun. Sagt Marco Buschmanns Justizministerium.

Das Ministerium habe mit dem Gesetz den Sachverhalt nur klargestellt, um einen Rahmenbeschluss der EU von 2008 umzusetzen. Schon bisher sei die Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen als Volksverhetzung strafbar gewesen. Urteile dazu gibt es aber nicht. Auch hätte der EU-Rahmenbeschluss zugelassen, nur die Leugnung der Kriegsverbrechen unter Strafe zu stellen, die internationale Gerichte als solche bereits anerkannt haben. Dann hätte Deutschland eine klare Rechtssituation. So ist es ein Gesetz nach Art von Marco Buschmann – einem der Erfinder des Infektionsschutzgesetzes.

Jetzt kann sich ein Journalist oder Debatten-Teilnehmer vorab informieren, welcher Staatsanwalt für ihn zuständig ist: Ist der pro-russisch oder pro-ukrainisch? Und das überzeugt, dass es nicht mehr ratsam ist, die Positionen von Kriegsparteien gesteigert in Frage zu stellen. Eine sachliche Berichterstattung über den Ukraine-Krieg ist durch die Buschmann-Initiative nicht leichter geworden.

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Kommentare ( 125 )

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GefanzerterAloholiker
2 Jahre her

Objektiver Journalismus ist unerwünscht. Stimmt. Eigenartig dass derselbe BP, der die Verengung des Meinungskorridors konstatierte, nun der Einschüchterung der verbliebenen freien Presse zustimmt.

Vox populi
2 Jahre her

Ich frage mich schon seit einiger Zeit, wie lange es wohl noch dauen mag, bis man in Deutschland wieder Armbinden und Aufnäher tragen muss oder wann wieder die ersten Bücherhaufen brennen.

Helfen.heilen.80
2 Jahre her

Macht das soziale Klima nicht einfacher, wenn Strafbarkeitsanlässe geschaffen werden, diese jedoch dem Publikum streckenweise unverständlich bleiben, nicht zuletzt ,weil sie zu einer lückenhaften Anwendung zu kommen scheinen. Das einfachste Beispiel ist der populäre, gern Anlasslose Anwurf, man sei „ein Scheixxdeutscher“, was offenkundig nicht justiziabel ist. Ganz das Gegenteil, wenn derartigen Sympatiebekundungen gegenüber Personen aus fremden Weltregionen bekundet werden. Hier greifen die o.g. Regelungen engagiert, vorhersehbar und zuverlässig. Ist ja auch okay, man soll ja niemand beleidigen. Unweigerlich stellt sich die Frage, ob die Ureinwohner dieses Landstriches aus der Anwendung gängiger Anstandsnormen fallen sollen? Eigentlich leitete der Westen seine vermeintliche… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Helfen.heilen.80
Diogenes
2 Jahre her

„Anreizung zum Klassenkampf“ und „Volksverhetzung“ – zwei Bezeichnungen für eine Norm: § 130 StGB“ „Vorschrift … deren Vorgänger erst Mitte des 19. Jahrhunderts als Gegenmittel zur Pressefreiheit geschaffen wurden….“ „§ 130 StGB bewahrte vom Kaiserreich bis in die bundesrepublikanische Zeit zunächst seinen Wortlaut. Als Teil des politischen Strafrechts wären allerdings Anpassungen an das jeweilige Staatssystem zu erwarten gewesen. Daher stellt sich die Frage, ob die ursprüngliche Fassung – entgegen der ersten nichtamtlichen Bezeichnung – systemneutral war und ob die geänderte Bezeichnung einen deutlichen Funktionswandel widerspiegelt.“ Band 34 der Reihe Juristische Zeitgeschichte / Abteilung 3 https://doi.org/10.1515/9783899497519 Dieser Paragraph hat in der… Mehr

Rasio Brelugi
2 Jahre her

Die Entdemokratisierung mittels Aufhebung der Gewaltenteilung (von Legislative, Exekutive und Judikative) geschieht auch durch solche vage formulierten Gesetze, die letztlich die legislative Befugnis der Begründung neuen Rechts zur Judikative verschiebt, mit dem Katalysator der opportunistischen Inanspruchnahme durch die Exekutive.

Rasio Brelugi
2 Jahre her

Schon der homöopathische Konsum von regierungskonformen Medien (vulgo: „Hofschranzen-Medien“ á la ÖRR) macht deutlich, dass die ukrainischen Kriegs-Gräuel quasi ausgeblendet werden (angefangen bei den ca. 14.000 zivilen Toten im „kalten“ Bürgerkrieg gegen die von mehrheitlich Russen bewohnten Gebiete schon vor der russischen Invasion). Denn das ist ja wohl die Erfahrung der meisten letzten Kriege: Die Kriegsverbrechen, die bei der einen Seite ans Licht kommen, darf man getrost auch der anderen unterstellen.
Nun denn: Haut ihnen dieses erbärmliche, autoritäre Gesinnungs-Gesetz um die Ohren und zeigt sie alle an, wegen Leugnung ukrainischer Kriegsverbrechen, angefangen bei der Bundesregierung.

Skeptiker
2 Jahre her

Das Problem bei der „Verharmlosung“ von Kriegsverbrechen ist ja, zumal in einem laufenden Krieg, dass man nie sicher sein kann, was Wahrheit ist und was Lüge. Ist doch die Wahrheit bekanntlich das erste Opfer jedes Krieges.
Und wie sieht es eiegntlich mit der „Aufrechnung“ von Kriegsverbrechen aus? Ist es „Verharmlosung“ deutscher KV, wenn man alliierte dagegen stellt?

Giovanni
2 Jahre her

Vielleicht geraten wir doch in einen totalitären Staat. In der Deutschen Geschichte finden wir genügend Beispiele.

imapact
2 Jahre her

Seit es Kriege gibt, gibt es auch Kriegsverbrechen und zwar jeweils auf beiden Seiten. Und, seit es Kriege gibt, gibt es auch Greuelpropaganda, die Verbrechen erfindet oder tatsächlich verübte dem Gegner unterstellt. Bekanntes Beispiel für letzteres ist der Massenmord an polnischen Offizieren in Katyn, der jahrzehntelang der Wehrmacht untergeschoben wurde, tatsächlich aber vom russischen NKWD verübt worden war. Beispiel für ersteres die von irakischen Soldaten in Brustkästen getöteten Säuglinge in Kuwait. Wie bei allen Themen: es darf in Deutschland zu jedem relevanten Thema nur noch eine richtige Meinung geben und zwar die der Machthaber- und Rechthaber:_*Innen. Mit Demokratie hat das… Mehr

Peter Silie
2 Jahre her

Die AFD hat dagegen gestimmt.
Die AFD ist seit Jahren die einzige Partei, die nicht verrückt geworden ist.
In einem Ozean aus Verrückten und Losern muß das natürlich mit allen Mitteln bekämpft werden.
Deutschland ist verloren, unsere Heimat zerstört, Flucht die einzige Option.