Der Bundesrechnungshof rechnet mit dem Bürgergeld ab

Der BILD-Zeitung liegt ein Gutachten vor, das das liebste Kind der SPD, das Bürgergeld, regelrecht auseinandernimmt. Doch das wird wenig ändern: Für die Sozialdemokraten ist das Projekt ideologisch wie politisch fundamental wichtig – nicht zuletzt, um sich eine Wählerklientel zu sichern.

IMAGO / Dominik Bund

Fünf Milliarden soll den Steuerzahler die Reform allein im Jahr 2023 kosten: Das Bürgergeld kommt erst einmal den Bürger selbst teuer zu stehen. TE hatte schon früh davor gewarnt, dass die neue Regelung den Missbrauch vereinfacht. Schon das „Sanktionsmoratorium“ im Sommer gab die Linie vor: Für ein Jahr setzt die Bundesregierung die Sanktionsmechanismen gegen Hartz-IV-Empfänger aus, wenn diese gegen ihre Pflichten verstoßen hatten. Schon damals jammerten die Jobcenter. Denn ohne Kürzungen fehlen ihnen oftmals die wichtigsten Instrumente.

Inflationsbooster
Das Bürgergeld kennt keine Bürger
Diese Marschlinie hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr angegriffen. Die Bürgergeld-Reformen führten zu Fehlanzeigen und Missbrauch. „So könnte beispielsweise ein Ehepaar mit zwei Kindern trotz 150.000 Euro Spar- und Barvermögens, weiterem Vermögen, das der Altersvorsorge dient, zwei Kraftfahrzeugen und selbst genutzten Wohneigentums Bürgergeld erhalten“, zitiert die Bild aus dem Bericht. „Mit dem Verzicht auf jegliche Angaben eröffnet die geplante Änderung Mitnahme- und Missbrauchsmöglichkeiten.“

Die Prüfer monierten, dass sich viele Empfänger künftig keine Arbeit mehr suchen würden. Die Abschaffung der Strafen wirke kontraproduktiv. Die Regelung führe dazu, „dass der Bundeshaushalt für zwei Jahre mit dem Leistungsbezug von Personen belastet wird, bei denen grundsätzlich von einer ausreichenden Eigenleistungsfähigkeit ausgegangen werden kann“.

Der Bundesrechnungshof kritisierte zudem die hohen Aufschläge bei den Heiz- und Mietkosten: Zwei Jahre lang soll niemand vom Amt zum Umzug gezwungen werden. Eine „deutlich kürzere Karenzzeit“ sei „ausreichend“, heißt es laut Bild im Bericht.

Ändern wird das freilich wenig am Kurs der Bundesregierung. Denn das Bürgergeld ist ein Prestigeobjekt der Sozialdemokraten. Die SPD hatte bereits die Reform von Hartz IV großspurig angekündigt. Die seit der sogenannten Agenda 2010 nicht verheilte Narbe tragen Schröders Erben bis heute mit sich herum. Um wenigstens einen Teil davon vergessen zu machen – und damit auch den Bruch mit einem traditionellen Wählerstamm, der danach sein Heil bei der Linkspartei suchte –, muss das Projekt von Erfolg gekrönt sein.

Am Ende kommt das Grundeinkommen
Christian Lindner wird auch im Streit ums Bürgergeld umkippen
Dass das Bürgergeld zuletzt auch ein Einfallstor für das Grundeinkommen sein könnte, hatte TE schon woanders beanstandet. Schritt für Schritt dürften die Hürden fallen, bis der Übergang zum Sozialeinkommen ohne Unterschied nur noch eine Formalie ist. Von der FDP, die bislang wenig dagegen unternommen hat, dürfte auch in Zukunft kaum etwas zu erwarten sein.

Dabei gibt es eigentlich ein Menetekel: nämlich Italien, wo man mit dem „Reddito di cittadinanza“ (Bürgereinkommen) seine zweifelhafte Erfahrungen gemacht hat. Die neue italienische Regierung würde diese Idee des Movimento 5 Stelle gerne zurückdrehen.

Im Übrigen nicht nur, weil das Millionengrab bisher weniger zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt denn Verbleib in der Arbeitsverweigerung geführt hat; Liberale und Konservative haben verstanden, dass die politische Linke sich damit eine eigene Klientel herangezüchtet hat, die sie wählt, um weiterhin das Bürgereinkommen beziehen zu können. Nur deswegen hat der Chaosclub M5S bei der letzten Parlamentswahl noch ein zweistelliges Ergebnis eingefahren.

Sozialdemokraten und Grüne dürften daher aus sehr eigensinnigen Gründen an dem Plan festhalten. Ein größeres Geschenk als die jahrelange, wenn nicht jahrzehntelange Fundamentierung einer linken Wählerschicht kann Finanzminister Christian Lindner seinen Übergangsverbündeten kaum machen. Aber offenbar sind einige Jahre des Ministerspielens das wert, statt die Reißleine zu ziehen.

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Kommentare ( 50 )

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Peter Pascht
2 Jahre her

Hier ein kleiner Auszug aus dem Gesetzentwurd, welcher die zukünftigen „Bürgergeldempfänger, „hart rann nimmt“ Mit dem neuen Bürgergeld wird Harz4 nichtblos abgeschafft, sondern einen Gesinnungideologie eines bisher unübetroffenen Ausmaßes realisiert. – Mit dem Gesetzentwurf sind **Mehrausgaben** verbunden, die von rund 4,8 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf bis zu 5,9 Milliarden Euro im Jahr 2026 anwachsen können. Für eingewanderte „Fachkräfte“ gilt: – Die Agentur für Arbeit hat darauf hinzuwirken, dass erwerbsfähige Teilnahmeberechtigte Leistungsberechtigte, die – 1. **nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen**, vorrangig an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes teilnehmen, oder – 2. darüber hinaus, die notwendige **berufsbezogene… Mehr

Peter Pascht
2 Jahre her

Bürgergeld? dann rechnen wir doch mal durch Familie mit zwei Kindern. 2x Erwachsene, 2 x 451EU +1.K 420Eu +2.K 348EU +Minijob Hinzuverdienst 520EU – nicht anrechenbar = 2190 EU Netto steuerfrei bei Minijob Das ist nur eine durchschnittliche Rechnung, nicht die maximale. Da kann der „Bürgergeld-Mann“ einen nicht anrechenbaren Minijob machen, während Frau Zuhause bleibt und Kindererziehung macht. Hinzu kommem noch: Krankasse bezahlt der Staat Kleiderzuschuss, u.a. Schulgeld Zuschuss Heizung Zuschuss Miet Zuschuss Also also sozialer Vergleich: Alleinverdienender Familienvater mit 2 Kindern. Soviel Netto bekommt er aber dann in der Regel nicht. Als Rentner zusamen mit Frau muss man für… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Peter Pascht
Peter Pascht
2 Jahre her

Eine durch „Wahlfälschung“ verfassungswidrig gebildete Regierung und Bundestag trreffen durchgehend verfassungswidrige Entscheidungen:

  • verfassungswdrig ungültige Wahlen für rechtsgültig erklären
  • verfassungswidrige „Entlastungspakete“- lt. Bundesrechnungshof
  • verfassungswidrig Bürgergeld – lt. Bund der Steuerzahler
  • verfassungswdrig setzt Bundesregierung Gesetze ausser Kraft – Verstsoß gegen GG Art.20
  • verfassungswidrig werden von der Regierung Verordnungen erlassen, für Entscheidungen die lt. Grundgesetz eines Gesetzes bedürfen, weil sie in Grundrechte eingreifen

heisa, hossa, trallala, was interessiert uns der Rechtstaat,
denn „wir haben das Machtmonopol“, also die Gewalt der Waffen.

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Respekt. Der Bundesrechnungshof ist noch nicht den Weg des Bundesverfassungsgerichts gegangen. Wenigstens sie können nach dem Währungskollaps noch in den Spiegel schauen.

Klaus D
2 Jahre her

Hartz4 bzw das Bürgergeld ist doch zu einer riesen geldmaschine geworden. Das geld wird doch nur durchgereicht und viele die jetzt jammern verdienen daran. Wer bekommt das geld: vermieter, einzelhandel, der staat und politiker zb CDU-Politikerin kann bis zu 2,5 Millionen für Flüchtlinge kassieren https://www.ksta.de/koeln/hotel-affaere-cdu-politikerin-kann-bis-zu–2-5-millionen-fuer-fluechtlinge-kassieren-29998926

Hueckfried69
2 Jahre her

Ich schätze den Bundesrechnungshof. Aber kann sich jemand erinnern, wann zuletzt eine Regierung auf ihn gehört hat?M.W. war dies noch nie der Fall….

H. Priess
2 Jahre her

H4 war für eine vorübergehende Hilfe vom Staat gedacht bis die Person eine neue Stelle gefunden hat. Oder eben Leute die Gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten. Es war nie als Daueralimentierung sondern als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht. Ich mußte auch schon mal ein halbes Jahr H4 in Anspruch nehmen, war nicht schön aber ich war froh überhaupt etwas zum Leben zu haben.

Klaus D
2 Jahre her
Antworten an  H. Priess

Jein denn da steckt mehr dahinter. Harzt4 ist ja extrem konservativ und aus sicht der wirtschaft eine super sache denn es garantiert geringe löhne. Man muss hier die ganze agnda2010 sehen gerade was hartz4 und leiharbeit angeht. Im grunde war/ist harzt4 eine riesen subvention für die wirtschaft wenn man sieht wer daran verdient also in form von extrem niedrigen löhnen und wohin das ganze geld fließt. Das meiste geld fleißt ja nur durch zb zum einzelhandel, vermietern usw

H. Priess
2 Jahre her
Antworten an  Klaus D

Da haben Sie Recht, ohne Frage. Im Prinzip ist das eine riesige Geldumverteilungsmaschine und die Wirtschaft hat am meißten profitiert. Allein die, in meinen Augen ausbeuterische Leiharbeit hat nur den Firmen genutzt und auch reguläre Arbeitsplätze vernichtet. Wie immer, wenn unser Staat etwas anfaßt, war die Idee nicht schlecht aber die Umsetzung war völlig falsch. Genau wie die Riester-Betrügerrente, da haben Millionen Menschen ihr Geld verloren.

H. Priess
2 Jahre her

Wer kommt denn auf die abwegige Idee, daß das Bürgergeld für unsere autochtonen H4 Empfänger gedacht ist. Gut, einige Deutsche profitieren auch aber das ganze ist für die neuen Mitbürger zugeschnitten. Allein keine Vermögensprüfung, das Nichtsanktionieren wegen Arbeitsverweigerung, die Größe der Wohnungen etc. ist doch ganz klar für Millionen Nichtdeutsche gemacht. Dort ist die zukünftige Wählerklientel der Linksgrünrotverwirrten. Die paar Zehntausen Deutsche fallen da gar nicht ins Gewicht. Die Clanchefs werden den Schampus schon kalt gestellt haben, ach ne, die trinken ja keinen Alkohol dann aber Alkoholfreien.

Freiheit fuer Argumente
2 Jahre her

Im zweiten Absatz müsste es heißen „Bundesrechnungshof“ statt Bundesverfassungsgericht.

Von letzterem ist generell nicht mehr viel zu erwarten: Wo ein Harbarth ist, ist auch ein (juristischer) Weg…

Melante
2 Jahre her

Schon vor Wochen bat ich Herrn Heil um die Motivation, weiterhin meiner Arbeit nachzugehen: „Sehr geehrter Herr Heil, mit dieser Mail trage ich eine Bitte an Sie heran. Bitte motivieren Sie mich, auch weiterhin meiner Arbeit als Altenpflegehelfer nachzugehen, die ich seit nunmehr fast zehn Jahren ausübe ohne einen einzigen Fehltag. Eine simple Rechnung lässt mich allerdings zweifeln, aus welchem Grunde ich mir zehn Jahre lang Nachtdienste zumute und somit nahezu alle sozialen Kontakte eingebüßt habe, zumindest jedoch, warum ich sie weiterhin leisten solle. Brutto verdiene ich heute 1700 Euro, nach Abzug von Steuern und Abgaben verbleiben mir davon etwa… Mehr

Demokrat1
2 Jahre her
Antworten an  Melante

Richtig, nachdem die Arge nicht mehr sanktioniert können Empfänger von Bürgergeld schwarz arbeiten.