Ungeteilte Verachtung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe sollte Hillary Clinton ins Präsidentenamt hieven. Blöd nur, wenn die Verachteten anders entscheiden. Und bei weitem nicht nur die, wie ein genauerer Blick auf ein paar Umfragen und Statistiken zeigt.
Der typische Wähler von Donald Trump ist über 50, männlich, christlich, für westeuropäische Verhältnisse unglaublich blöde, wohnt auf dem Land, schlägt gerne und ausdauernd seine Frau und die Kinder, so die noch nicht weggelaufen sind, hat irgendein unfruchtbares gammeliges Land von seinen Vorfahren geerbt, obendrein seine Arbeit verloren, also haust er in einer überschuldeten Bretterbude irgendwo dort, wo ihm Tumbleweeds vor den verdreckten Ford Bronco wehen, während er versucht, mit seinem ollen Colt ein paar hochgeworfene leere Bud-Bierdosen zu knallen.
Könnte man glauben, soll man wahrscheinlich glauben, stimmt aber leider nicht. Jetzt wollen wir hier keine ellenlangen, langweiligen Wähleranalysen betreiben, aber wir können ja mal ein paar Zweifel säen. Zunächst einmal darf man sagen, dass Wahlen auch in der USA geheim sind, die Umfragen basieren allesamt auf freiwilligen und kaum überprüfbaren Angaben. Danach übrigens läge die durchschnittliche Penislänge eines Mannes weit über dem tatsächlichen und viele Frauen schnitten beschämt das Größenlabel aus ihren Klamotten und behaupten mehr Taille, wie eine Frauenzeitschrift herausgefunden haben will.
Das sind 20 Zentimeter und ich trage 36
Aber wenn wir diese charmanten Tricksereien mal beiseite lassen, wenn wir mal ignorieren, dass nicht jeder sein möchte, was er ist, dann ergibt sich beispielsweise folgende erste Merkwürdigkeit bezogen auf die Wählerschaft von Clinton und Trump: Diese Präsidentin der Schlauen, Frau Clinton, punktete bei der Mehrheit der Wähler mit niedrigeren Einkommen. Alles Dumme? Nein, wahrscheinlich sind das alles hochgebildete Akademiker ohne Jobs und die ungebildeten US-Amerikaner vom Lande stehen alle in Brot und Lohn oder bezeichnen nur, was sie so den lieben langen Tag erledigen, als Arbeit. So macht das ja der faule weiße Farmer aus Arkansas.
Jetzt zeigt eine weitere Statistik, dass Schwarze, Latinos und Asiaten zu einem ganz überwiegenden Teil Clinton gewählt haben. Da fragt man natürlich, wie Trump die Wahl überhaupt gewinnen konnte nur mit seinen alten weißen Hommies. Die Antwort ist einfach: es gibt jede Menge von ihnen. Wer weiß schon, dass der Anteil der Schwarzen in der Bevölkerung bei gerade einmal 13,26 % liegt? Der Anteil der nicht schwarzen Bevölkerung liegt also bei weit über 80%, auch wenn die Jugendkultur mit ihren Hiphop Protagonisten und dem schwarzen Präsident Obama etwas anderes impliziert haben könnte.
Es gibt also in den USA weniger Farbige als Deutsche mit Migrationshintergrund in Deutschland. Soviel einmal, um die Sache quantitativ einzuordnen. Fazit: Wenn Clinton also 87 % der Stimmen der Schwarzen bekommt, dann klingt das gewaltig, meint aber rein rechnerisch maximal 11,X Prozent der Gesamtbevölkerung; wobei man hier noch ermitteln müsste, wie viele Wahlberechtigte es überhaupt in dieser Bevölkerungsgruppe gibt, wenn man weiß, dass die weiße Bevölkerungsmehrheit in Sachen Geburtenzahlen schon in der Minderheit ist. Wie auch, möchte man ironisch anfügen, wenn die Weißen in den USA nur aus bösen alten Männern bestehen – entweder Single oder – na klar: längst vor lauter Hass impotent.
Hass macht impotent
Weiter geht’s: Hillary Clinton wird von guten Frauen, Trump von bösen Männern gewählt. Das beruhigt? Ist aber leider ebenfalls falsch. Denn wenn wir uns die Zahl jener Frauen anschauen, die Trump gewählt haben, kommen wir immerhin auf rund 40 Prozent aller wahlberechtigten Frauen. Barack Obama bekam übrigens 2008 auch nur 46 Prozent der Stimmen der weißen Frauen, während sein erzkonservativer Rivale John McCain, wahrscheinlich der Prototyp des alten weißen Mannes, auf 53 Prozent kam. Nur was sagt uns das? Wenigstens schon einmal, dass es immer auch auf das Gegenüber ankommt. Wenn ein Farbiger gegen eine weißen alten Knaben antritt, finden sich demnach immer noch genug dämliche alte Weiber von dämlichen alten weißen Männern, die rassistisch genug sind, einen McCain zu wählen? Glauben Sie selbst nicht, oder?
Denn wenn wir uns nun den Bildungsstand der Wähler anschauen, dann verwirrt zumindest einmal folgendes Ergebnis: Demnach hat Trump 52 Prozent jener Wähler erwischt, die ein College besucht haben und immerhin noch 45 Prozent derer, die eines abgeschlossen haben, während es bei Clinton 43 zu 49 heißt. Also quasi ausgeglichen. Bei den höheren Abschlüssen gehen die Wähler freilich mehrheitlich mit 58 zu 37 Prozent an Clinton. Aber was heißt das nun? Was kann diese Klientel von Clinton und was kann sie von einem Präsidenten Trump erwarten? Was fürchtet, was hofft sie? Denkt man bei Trump ängstlich daran, dass er den einfachen ungebildeten Arbeiter bevorzugen will, in dem er auf eine Art Re-Industrialisierung der USA setzt, während er die faulen Akademiker nach Kanada verjagt? Oder meint man zu wissen, wie dumm der Mann eigentlich ist und wie überaus pfiffig Frau Clinton?
Last but not least darf man festhalten, dass Menschen aller christlichen Strömungen ausnahmslos mehrheitlich auf Trump gesetzt haben, hingegen US-amerikanische Juden und andere Religionen auf Clinton. Sie ist hier also die favorisierte Kandidatin. Das erstaunt zumindest insofern, als sich die meisten Israelis Trump als Präsidenten wünschten. Was das mit den USA zu tun hat, beantwortet Deidre Berger für die Jüdische Allgemeine: „Es ist kein Geheimnis, dass unter der starken jüdischen Wählerbasis der Demokraten große Unzufriedenheit mit der aktuellen Regierung herrscht. Der scharfe Ton, mit dem Spannungen zwischen den USA und Israel ausgetragen werden, stößt ebenso unangenehm auf wie die Vereinbarung mit dem Iran über sein Atomprogramm.“
Trump möchte diese Vereinbarung aber aufkündigen, die Stimmen der US-Bürger jüdischen Glaubens sollten ihm also sicher sein, denkt man. Falsch gedacht, denn die gaben nun mit großer Mehrheit Clinton ihre Stimme, sogar noch mehr, als 2012 für Obama stimmten. Also entweder ist die Haltung der Kandidaten gegenüber Israel für Juden in Amerika doch nicht so entscheidend oder man wählt aus ganz anderen Gründen mehrheitlich Demokraten anstelle von Republikanern. Das Beispiel zeigt vor allem eines gut: Die Faktoren sind weitaus vielschichtiger, als uns ein Balkendiagramm von Jörg Schönenborn weiß bzw. farbig machen kann.
Farbiges Balkendiagramm in schwarz-weiß
Kommen wir zu den Muslimen unter den Wählern in den USA. Wie viele das sind? Unter einem Prozent. Wenn nun von denen die überwiegende Mehrheit Clinton gewählt hat, dann ist das nachvollziehbar. Aber dann muss man auch überlegen, wie viele Wähler Trump für sich gewinnen konnte, wenn er eben genau diese Gruppe im Wahlkampf angegriffen und von Einreiseverboten gesprochen hat – er verprellte ein Prozent und gewann deutlich aus der Gruppe jener 38 Prozent der US-Amerikaner, die angeben, eine negative Haltung zum Islam zu haben. So einfach ist das dann manchmal. Denn eine Umfrage von 2012 des Arab American Institute in den USA an 1052 Personen „fand heraus, dass Muslime die einzige Gruppierung innerhalb der Befragung waren, die ausschließlich negativ eingeschätzt wurde.“
Fazit: Es wird sehr wohl so sein, dass es auch Wähler von Donald Trump gibt, die über 50, männlich, christlich und ungebildet sind und auf dem Land wohnen. Aber es stimmt eben auch, dass man in den USA schon aus dem quantitativen Blickwinkel ohne diese Gruppe überhaupt nicht Präsident werden kann. Und es ist auch kein Geheimnis, dass das Bildungsgefälle zwischen weißen und schwarzen US-Amerikanern immer noch frappierend hoch ist. So hatten noch 2004 gerade einmal 21 Prozent der Schwarzen einen College-Abschluss, was ja im Umkehrschluss hieße, dass Clinton hier zwar nicht mehrheitlich von ungebildeten Schwarzen gewählt wurde. Dass aber ungebildete Schwarze mehrheitlich Clinton wählten – ohne das man sie dafür nun öffentlich diskreditieren würde.
Merke: Wenn ein weißer US-Amerikaner keine Bildungschance bekam, ist er selbst schuld, bei einem schwarzen zunächst einmal das System. Denn wie anders soll man das denken, wenn man einerseits behauptet, Schwarze wären im US-Bildungssystem benachteiligt und andererseits feststellen will, das es jede Menge ungebildete Weiße gäbe, die Trump wählen. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie immer irgendwo in der Balkendiagrammfreien Zone.
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