Lauterbachs Lieferengpass

Immer öfter müssen Patienten um ihr Arzneimittel kämpfen. Mehr als 300 Lieferengpässe sind derzeit erfasst. Das hat vielfältige Ursachen, deren Beseitigung ein konzentriertes Agieren des Gesundheitsministers erfordern würde. Doch Lauterbach ist auf seiner Corona-Tauchstation verschollen und für wichtige Versorgungsprobleme nicht mehr ansprechbar. Von Lothar Krimmel

IMAGO/Contini, Steinach - Collage: TE

„Gibt’s hier kein Tamoxifen?“, fragt die Patientin in der Apotheke. „Nein“, antwortet die Apothekerin, „hier gibt’s keinen Fiebersaft. Kein Tamoxifen gibt’s in der Nachbar-Apotheke.“ So könnte der berühmte Bananen-Witz über den Versorgungsmangel im DDR-Sozialismus auf die deutsche Arzneimittel-Mangelwirtschaft in der Lauterbach-Ära übertragen werden.

Allerdings ist der Mangel bei den beiden genannten Arzneimitteln für die Betroffenen alles andere als witzig. Verzweifelte Eltern beim Betteln um eine Saftzubereitung für ihren hochfiebernden Säugling oder Tausende von Brustkrebspatientinnen, die von Apotheke zu Apotheke irren in der Hoffnung auf irgendwelche Restbestände von Tamoxifen: Dass solche Bilder und Berichte den amtierenden Gesundheitsminister nicht aus seiner Corona-Blase zu locken vermögen, ist ein Armutszeugnis für unser Land.

Derzeit über 300 Lieferengpässe gemeldet

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) listet akribisch die von den Herstellern gemeldeten Lieferengpässe auf. Solche Engpässe müssen gemeldet werden, wenn ein „versorgungsrelevantes“ Medikament über voraussichtlich mehr als zwei Wochen nicht mehr im üblichen Umfang geliefert werden kann. Inzwischen liegt die Zahl der gemeldeten Lieferengpässe bereits bei über 300. Nicht alle Lieferengpässe sind direkt mit einem „Versorgungsengpass“ gleichzusetzen. Davon spricht man erst, wenn keine Alternativpräparate zur Verfügung stehen.

Doch auch wenn der Lieferengpass „nur“ einen Wechsel des verwendeten Präparats erfordert, so ist dies nicht immer einfach umzusetzen. Pflegende Angehörige können ein Lied davon singen, was es bedeutet, wenn die Großmutter von der gewohnten großen roten Kapsel auf die kleine grüne Tablette umgestellt werden muss. Auch den Apotheken beschert das Liefer-Chaos erhebliche Mehrarbeit. Inzwischen muss jedes Apotheken-Team im Durchschnitt mehr als 5 Stunden pro Woche für das Management der Lieferengpässe aufwenden.

Intransparenz der Herstellung als Hauptursache

Die Ursachen für die gemeldeten Lieferengpässe sind nicht immer einfach zu erkennen. Das liegt auch daran, dass bereits die Arzneimittelherstellung sehr intransparent verläuft. So weiß hierzulande niemand, ob die bei den Bundesoberbehörden registrierten Hersteller die betreffenden Arzneimittel auch tatsächlich herstellen oder ob diese Hersteller inaktiv sind. Ebenso ist unbekannt, wo genau auf der Welt die jeweiligen Arzneimittel selbst oder auch ihre Wirkstoffe, Hilfsstoffe oder Zwischenprodukte hergestellt werden. Oft werden nur einzelne Komponenten im Ausland hergestellt, die Tablette selbst dann aber in Deutschland gepresst.

Neben dieser generellen Black-Box-Problematik der Arzneimittelherstellung werden immer wieder folgende Gründe für Lieferengpässe genannt:

  • Die weitgehende Konzentration der Arzneimittelherstellung auf fünf Provinzen in China und vier Bundesstaaten in Indien,
  • die Corona-bedingten Lockdowns in China und Indien,
  • die fehlende Meldepflicht der Hersteller bereits für drohende Engpässe,
  • die Rabattverträge der Krankenkassen mit Beschränkung der Zahl der teilnehmenden Hersteller.
Asiatische Produktionsstätten und Rabattverträge in der Kritik

Die Störung der Lieferketten durch die Lockdown-Problematik insbesondere in China hat das Problem der allmählichen Produktionsverlagerung nach Asien in den Fokus des Interesses gerückt. Wurden im Jahr 2000 noch 59 Prozent der Wirkstoffe in Europa produziert und 31 Prozent in Asien, so hat sich das Verhältnis inzwischen umgekehrt: 2020 wurden bereits 63 Prozent der Wirkstoffe in Asien produziert.

Berücksichtigt man zusätzlich, dass in Asien europäische Produktionsstandards – sowohl hinsichtlich möglicher Verunreinigungen als auch bezüglich der Arbeitsbedingungen – nicht durchgehend eingehalten werden, sollte eine teilweise Rückverlagerung nach Europa durchaus erwogen werden. Ja, das würde Jahre dauern und hätte auch seinen Preis. Aber zumindest sollte eine Gesellschaft diskutieren dürfen, ob sie bereit ist, diesen Preis für ihre Qualitätsstandards und ihre Versorgungssicherheit zu bezahlen.

Der Lieferengpass und auch Versorgungsengpass bei Tamoxifen, einem bei der Brustkrebsbehandlung bedeutsamen Antiöstrogen, hat allerdings gezeigt, dass auch ein weitgehend in Europa hergestellter Wirkstoff betroffen sein kann. Über die Ursachen wurde heftig gestritten. Die Hersteller haben die Rabattverträge der Krankenkassen verantwortlich gemacht, während diese wiederum auf „vielfältige Faktoren“ hinwiesen und von den Herstellern mehr Transparenz verlangten.

Auffällig bleibt immerhin, dass die Anzahl der nicht verfügbaren Rabatt-Arzneimittel mit 16,7 Millionen Packungen im Jahr 2020 recht hoch ist. Zwar macht das nur rund 2,5 Prozent aller verordneten Arzneimittel aus, aber bei den vier besonders betroffenen Gruppen lag dieser Anteil deutlich höher: bei Blutdrucksenkern, dem Diabetesmittel Metformin, dem Säureblocker Pantoprazol und dem Schmerzmittel Ibuprofen.

Besonders betroffen waren auch die Saftzubereitungen des Schmerz- und Fiebermittels Paracetamol, was viele Eltern von Säuglingen zur Verzweiflung getrieben hat. Hier wurden die Festbeträge von den Krankenkassen offenbar derart niedrig angesetzt, dass die Hersteller in den letzten Jahren scharenweise aus dem Markt gedrängt wurden. Und der einzig verbliebene Hersteller kann die Nachfrage nicht allein bedienen. Vielleicht sollten die Krankenkassen bei der künftigen Festlegung von Festbeträgen die alte Handwerker-Regel für das Festziehen von Schrauben beherzigen: Nach „fest“ kommt „kaputt“!

Wo ist Lauterbach?

Es ist kein Zufall, dass die Lieferengpässe ausgerechnet in der Lauterbach-Ära derart zunehmen. Denn wenn es um Gesundheits-Probleme außerhalb der Corona-Blase geht, wird immer wieder offensichtlich: Der Minister liefert nicht!

Dabei gäbe es für ihn genug zu tun: größere Transparenz bei der Arzneimittelherstellung, Anreize für europäische Hersteller bei besonders versorgungsrelevanten Arzneimitteln, Einrichtung von Frühwarnsystemen oder die Durchforstung der Rabattverträge auf Engpassrisiken sind nur einige der vernachlässigten Anliegen.

Doch wie bei allen anderen relevanten Versorgungsproblemen glänzt der monoman auf sein vermeintliches Erfolgsvirus fixierte Minister auch bei den Arzneimittel-Lieferengpässen mit Schweigen und Untätigkeit.

„Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra?“, fragte Marcus Tullius Cicero am 7. November 63 v. Chr. im römischen Senat den Verschwörer Catilina. Also: „Wie lange noch, Catilina, wirst du unsere Geduld missbrauchen?“ Zwar hat sich Karl Lauterbach – soweit bekannt – nur dem Corona-Virus verschworen, aber im Deutschen Bundestag hätte ihm diese Frage längst gestellt werden müssen.


Dr. med. Lothar Krimmel, Facharzt für Allgemeinmedizin, war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und ist damit ein genauer Kenner des Medizinsektors.

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Kommentare ( 24 )

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MeHere
2 Jahre her

Alles eine Folge der „jahrzehntelangen Outsourcing Politik“ … vieles, was Medizin produzierte ist abgewandert um BILLIGER zu sein, seit 30 Jahren schaut die Politik zu.
Mit Bauerntricks wie „Lauterbach kauft ein“ oder ähnliches Getue fernab der Realität wird Dummichel ruhig gestellt und Fragen dürfen nicht gestellt werden.
Frage: was tun wir bei einem globalen Zusammenbruch der Lieferketten infolge einer weiteren Pandemie oder eines weiteren eurasischen Irren ? Wir müssen uns jetzt vom Größenwahn der Globalisierung trenne, bevor es zu spät ist.

Deutschmichel
2 Jahre her

Lauterbach ist doch intellektuell überhaupt nicht in der Lage so ein Minister Amt auszufüllen. Der Mann kann außer Coronapanik überhaupt nichts. Auch hier bezweifle ich, dass er da irgendwo Zusammenhänge versteht. Er bildet sich tatsächlich ein, auf seinen Pseudo Arzt, irgendwie kompetent zu sein. In der Vorgänger Regierung, der bekanntlich die SPD angehörte, war Lauterbach noch nicht mal im Gesundheits Ausschuss, warum wohl? In dieser Regierung stinkst gewaltig und es stinkt immer vom Kopf her.

Last edited 2 Jahre her by Deutschmichel
AnSi
2 Jahre her

Man beißt sich viel lieber an einem mittelschweren Schnupfen fest, stilisiert ihn zur Plandemie und entwickelt schädigende Impfstoffe, als sich mit den WIRKLICHEN Problemen im Gesundheitswesen auseinander zu setzen. Das gilt weltweit! Noch immer sterben mehr Menschen an den MR-Krankenhauskeimen, mehr an Krebs (jetzt auch zusätzlich nach der Impfung) und Herz-Kreislaufproblemen, als an diesem Schnupfen. Aber man WILL sich nicht damit beschäftigen. Stattdessen führt man in der EU ständig neue schwachsinnige Gesetze ein (z.B. Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz) oder legt Herstellern oder Importeuren neue große Steine in den Weg. Wo kommen wir denn da hin, wenn man FÜR die Menschen arbeitet und nicht… Mehr

Silverager
2 Jahre her

Was interessieren Lauterbach schon fehlende Krebsmittel oder Fiebersaft?
Wichtig für unseren sogenannten „Gesundheitsminister“ ist ausschließlich, dass Corona-Impfstoffe im Übermaß da sind und dass er fleißig Werbung für Paxlovid machen kann sowie, dass sich die Bürger sooft wie möglich FFP2-Masken über Mund und Nase ziehen müssen.

Liberio
2 Jahre her

Eine Rückführung von irgendwelchen Industriezweigen nach Europa ist defakto unmöglich. Seit Jahrzehnten werden nicht nur zukünftige Lehrer, Ärzte, Pfleger, Handwerker, Fachkräfte jedweder Branche, Soldaten, Polizisten,…, sondern auch Pharmazeuten und andere Wissenschaftler industriell ermordet, vorsorglich schon im Mutterleib (das senkt deren Klimaabdruck).
Nachdem Wissens-, Bildungs-, Herstellungs- und Wertekultur nicht einwandernd, sondernnur vererbend weitergegeben werden können, und die zu Hunderttausenden kommenden Gäste aus Asien und Afrika leider „nur“ aus hochgebildeten Ingenieuren bestehen, wird aus der Wiederherstellung von Industriezweigen in Europa wohl eher nichts. Das gilt auch für die Atomwissenschaftler, die leben in Deutschland auch nur von HartzIV.

kasimir
2 Jahre her

Bin ich froh, daß ich vor 3 Jahren aufgehört habe in der Apotheke zu arbeiten! Da ich immer noch in der Pharmabranche arbeite, bin ich aber immer noch über die aktuelle Situation und das Missmanagement im deutschen Gesundheitsministerium informiert. Es gibt mehrere Probleme: 1. Lauterbach. Dem die schlechte Versorgung mit Medikamenten ja bekannt sein muß. Der aber anscheinend nichts dagegen unternimmt. Die Situation war schon vor 4-5 Jahren bedenklich, jetzt ist sie richtig schlecht. Ich habe noch Kontakt zu meinen alten Kollegen und die berichten über immer neue Mißstände. Der zweite Punkt wäre, daß die gesamte Produktion der Arzneimittelwirkstoffe wieder… Mehr

MeHere
2 Jahre her
Antworten an  kasimir

Lauterbach wird den Teufel tun uns seine Pharmalobby – welche in dorthin gebracht hat – vergraulen (wo denken sie hin). Erst wenn die Taschen voll sind und der Machthunger gestillt, dann … achso, dann kommt der nächste …

Landdrost
2 Jahre her

Hauptsache genug mRNA-Injektionen stehen bereit. Noch ein paar gekaufte Studien und die wirken gegen alles und können damit sämtliche bislang zugelassenen Medikamente ablösen. Klabauterbach macht das schon. Achso, Produktion in Deutschland ist doch unter den Ökofaschisten nicht mehr gewünscht. Egal wie die Produktion dann alternativ in der Dritten Welt abläuft, welche Ressourcen gefressen und welche Umweltverschmutzung bzw. -zerstörung begangen wird. Hauptsache nicht hier wo die strengsten Standards herrschen. Das ist die „umweltbewusste“ Politik der Ökofaschisten. Die deutsche Politik ist ein einziger Widerspruch in sich. Das scheint der durchschnittliche Dummichel ja so zu wollen.

Last edited 2 Jahre her by Landdrost
Lina
2 Jahre her

Lieferprobleme gibt es mittlerweile auch bei einigen Antibiotika und Narkosemitteln. Einige Wirkstoffe werden NUR nur noch in China oder Indien hergestellt. Eine Politik die das über Jahre gefördert hat und durch einen stetigen Preisverfall bei Standard Arzneimitteln bei gleichzeitigen ausufernden bürokratischen Produktionsvorgaben eine Herstellung in Deutschland oder Europa erschwert, möchte das eben nicht gerne wahrhaben.

Michael M.
2 Jahre her

Der amtierende Krankheitsminister (um die Gesundheit kümmert sich der Herr ja grundsätzlich überhaupt nicht) ist komplett überfordert und total unfähig obendrein.
So sieht’s aus und jeder der diesen Herren die letzten 20 Jahre beobachtet hat wusste das schon vorher. Er kann es einfach nicht und hat/kennt nur ein einziges Thema.

GWR
2 Jahre her

Lauterbach ist monothematisch. Er macht sich nur mit Corona wichtig. Davon hat er zwar auch keine Ahnung, aber so lange er in Talkshows hofiert wird, ist scheinbar alles gut.
Der ist als Minister der größte Missgriff der neueren deutschen Geschichte. Auch wenn viele andere nicht all zu weit zurückstehen.