Die Lunte am Strompreis

Die Preisentwicklung an den Energiemärkten hat inzwischen beängstigende Formen angenommen. Wer bisher davor warnte, wurde beschuldigt, Dystopien (Endzeitstimmung) zu verbreiten. Der gegenwärtige Trend hingegen lässt befürchten, dass selbst große Pessimisten zu optimistisch waren.

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Die gegenwärtige Preisrallye im Energiegroßhandel führt in apokalyptische Höhen. Eine Verzehnfachung der Gaspreise wird von einer Verdreißigfachung der Strompreise im Großhandel begleitet. Während die Gaskunden bereits über drastisch erhöhte Vorauszahlungen belastet werden, brennt die Lunte am Strompreis noch ohne Wirkung auf die meisten Kunden. Stromversorger kaufen ihre Mengen ein bis drei Jahre im Voraus, das heißt, die jetzigen Haushalts-Strompreise bewegen sich auf dem Niveau aus dieser Zeit der Vergangenheit. Neukunden dagegen landen schon bei fast 60 Cent pro Kilowattstunde (Ct/kWh).

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Am Spotmarkt werden derzeit Spitzenpreise von über einem Euro pro Kilowattstunde erzielt, eine Entspannung der Lage ist nicht absehbar. Für 2023 verzeichnet Reuters derzeit für das zweite und dritte Quartal 375 Euro pro Megawattstunde, das entspricht 37,5 Ct/kWh. Das war eine Momentaufnahme von Anfang August. Erfolgt die Preisbildung für die Endkunden nach jetzigem Muster und bleiben diese Komponenten im Wesentlichen unverändert, kommen über Stromsteuer, Umlagen und Abgaben etwa 13 Cent hinzu. Das Ganze, also auch die Stromsteuer, wird dann mit der Umsatzsteuer von 19 Prozent „veredelt“, so dass am Ende mindestens 60 Ct/kWh zu Buche schlagen werden.

Allerdings steigen absehbar sowohl die Netzentgelte durch die teuren Erdkabel der Nord-Süd-Verbindungen, die Offshore-Umlage durch die Umsetzung des „Osterpakets“ als auch die Bezugspreise durch die weitere politisch gewollte Verknappung der CO2-Zertifikate, global steigende Öl- und Gaspreise, die galoppierende Inflation und Investitionen in zu reaktivierende konventionelle Kraftwerke. Mithin sind die 60 Cent eine freundliche untere Schätzung.

Die Lunte am Strompreis droht auch sozialen Sprengstoff zu entzünden. In den vergangenen Jahren wurde 300.000 bis 340.000 Haushalten jährlich der Strom abgestellt, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten. Diese Zahl könnte in die Millionen gehen. Mit Ratenzahlungen ist dann nichts zu retten. Wird die – völlig berechtigte – soziale Forderung umgesetzt, dass niemandem der lebenswichtige Saft abgedreht werden darf, geraten Versorger und Stadtwerke in Insolvenzgefahr und müssen staatlich gerettet werden. Dann sitzen neben Energieriesen wie Uniper und Enercon zahlreiche kleine Versorger und kommunale Betriebe im Rettungsboot, das über Staatsgeld erst aufgeblasen werden muss. Ob dann die Steuern für „reiche“ Normalverdiener steigen oder sich in der Besenkammer des Finanzministeriums noch ein Stapel „Sondervermögen“ findet, ist für den folgenden wirtschaftlichen Niedergang relativ unerheblich.

Vorbote einer neuen Preiskrise
Von wegen kein Stromproblem: Die Börsen-Preise explodieren gerade
Primäre Ursache des Desasters ist die Marktverzerrung durch eine nachhaltige Schwächung der Angebotsseite, insbesondere durch die deutsche Abschaltpolitik. Dazu kommen extrem gestiegene Gaspreise, steigende Preise für CO2-Zertifikate, steigende Preise für Steinkohle, Unklarheiten zur künftigen Verfügbarkeit französischer Kernkraftwerke.

Eine „Übergewinnsteuer“ soll die Rettung sein. Man sollte mit dem Nächstliegenden beginnen und die Übergewinne der Wind- und Solarbetreiber einkassieren, eine Differenzbesteuerung nach britischem Vorbild einführen. Jahrzehntelang wurden sie über ein sehr auskömmliches Umlageniveau abgesichert, die gegenwärtigen Windfall-Profite dürfen sie ungeschmälert einstecken. Schon aus Gründen der Gerechtigkeit gehört der die Umlage übersteigende Gewinn abgeschöpft, um die Verbraucher zu entlasten. Desgleichen ist das inzwischen 17 Milliarden Euro schwere EEG-Umlagekonto aufzulösen und zur Entlastung der Stromkunden einzusetzen. Der Ansatz, mit diesem Geld wiederum die EE-Branche vor steigenden Herstellungskosten der Anlagen zu schützen, ist verfehlt. In der gegenwärtigen Energiekrise wird das Komplettversagen der „Erneuerbaren“, insbesondere von Wind- und Solarstrom, deutlich. Ihr Beitrag zur Versorgungssicherheit ist vernachlässigbar. Deutsche Spitzenpolitiker reisen nicht nach Katar, Japan und Kanada, um die Lieferung von Wind- und Solaranlagen zu erbitten.

Gerichtsurteil:
Energieversorger dürfen Preise bei einer Garantie nicht erhöhen
Was wäre nötig? Das Naheliegendste zuerst zu tun – Aufhören mit Abschalten. Mittel- und langfristig sind Entscheidungen zu treffen zur Rückkehr zu einem zeitgemäßen versorgungssichernden Energiemix aus sauberer Kohletechnologie, einer neuen Generation von Kernkraftwerken und der Nutzung einheimischer Energierohstoffe wie Erdgas und Braunkohle unter modernen Förderbedingungen. Das macht unabhängig von den Weltmärkten. Wir müssen nicht nur über den nächsten und übernächsten Winter kommen, sondern auch darüber hinaus auskömmlich leben können. Nach über 20 Jahren Energiewende-Erfahrung sollte man wissen, dass es das dekarbonisierte grüne Paradies aus Sonnenkraft und bewegter Luft nicht geben wird.

Die bisherigen Energiestrategien – wenn man sie als solche überhaupt bezeichnen kann – mehrerer Bundesregierungen können als gescheitert zur Seite gelegt werden. Ihr einziges stupides Ziel, die Förderung von immer mehr Wind- und Solaranlagen, war systemisch falsch und half nur der entsprechenden Lobby, nicht dem Land.

Das Argument des „Klimaschutzes“ war vorgeschoben, hätte man es ernst genommen, wäre der Atomausstieg rückgängig gemacht worden. Wir sollten durchaus Emissionen senken, aber die CO2-Senkung als politisches Oberziel zu installieren, ist irreführend. „Klimaschutz“ nach deutschem Rezept führt zu Armut. Man kann ihn nicht essen.


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Kommentare ( 73 )

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Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Herr Hennig hat natürlich recht, aber es fällt den träumenden 85% der deutschen Wähler sehr schwer, den Energiepolitikern der AFD und den Fachleuten recht zu geben. Macht nichts. Den Nachhilfeunterricht übernehmen jetzt die Aussentemperaturen, die Preise und die abgeschaltete Steckdose.

Erst wenn die Jugend merkt, dass ein Ladekabel alleine nicht reicht, kommt Schwung in die Bude. Denn während unsereins mit einem Buch, einer Taschenlampe und Kaminfeuer auch entspannen kann, ist die Generation U30 süchtig nach Internet. Und da tut ein kalter Entzug so weh wie jeder kalte Entzug.

Karl Heinz Nusser
2 Jahre her

Zitat Noam Chomsky:
„Die Mehrheit der Bevölkerung versteht nicht, was wirklich geschieht. Und sie versteht noch nicht einmal, dass sie es nicht versteht“
Vorhersage: es wird in absehbarer Zeit zu Gewaltausbrüchen kommen.
Aber, es wird ohne Schmerz keine Umkehr und kein Nachdenken geben. The Point of no Return ist längst überschritten.

Ms.Headlost
2 Jahre her

Ich sehe es mal so, wenn der Staat pleite ist und es keine Sozialleistungen mehr gibt, wenn wir sogar noch ärmer sind als die Südländer, werden viele der neu Zugewanderten auch wieder abwandern. Nur eine Frage der Zeit. Ob das dann noch alles friedlich abläuft wage ich zu bezweifeln…

Eberhard
2 Jahre her

Es geht nicht um Klimaschutz oder Umwelt, sondern alles deutet darauf hin, dass die große Transformation der Ökosozialisten Fahrt aufnimmt. Das bedeutet das Herunterfahren des Wohlstandes und damit Lebensstil in den Ländern mit dem hart erarbeiteten technologischen Hochtechnologien. So soll in der ganzen Welt der bestehende starke Wohlstandsunterschied ausgeglichen werden. Das einfachste Mittel dazu ist, die viele Energie, die zum Erreichen und Erhöhung dieses Wohlstandes notwendig, enorm zu verknappen. Im kapitalistischen System bedeutet das Verteuerung und damit Rückentwicklung für alles. Somit auch für Wirtschaft, Sozialstaat und damit Wohlstand und Lebenshaltung. Ist doch reichlich preisgünstige Energie der Schüssel zu technologischen Weiterentwicklungen,… Mehr

bfwied
2 Jahre her

Die Ziele sind nicht „Klimaschutz“ – es müsste auch dem Albernsten klar sein, dass man das Klima nicht schützen kann, dazu müsste man es überhaupt erst mal verstehen und die Stellschrauben sicher kennen und verändern können. Das Ziel ist die „Große Transformation“, die seit dem vorletzten Jahrhundert in seltsamen Utopistenköpfen herumgeistert und nach einer Weltregierung strebt. Da die Kluft zwischen den westlichen Industrieländern (inkl. Japan), ca. 17 % der Weltbevölkerung, von denen jede moderne Technologie kommt, bis heute, trotz Chinas Aufholungsjagd, und den Entwicklungsländern groß ist und immer größer wird, soll die Transformation den Traum der Gleichheit verwirklichen. Da die… Mehr

caesar4441
2 Jahre her

Die Grünen haben es v o r der Wahl versprochen : „Kein Strom,kein Gas,kein Öl,kein Holz ,keine Kohle,keine Heizung,kein Auto,kein Haus,kein Fleisch,keine Arbeit,kein Einkommen ,kein etc.Das Paradies ist nahe.“Sie halten Wort im Gegensatz zu den anderen Parteien.Und der kleine Masochist ist beglückt.

Ruhrler
2 Jahre her

Eine Übergewinnsteuer kann nicht die Lösung sein, da der Staat dann wieder nach dem Motto linke Tasche – rechte Tasche verfährt. Der Stromkunde muss trotzdem die exorbitant hohen Preise bezahlen und wird vermutlich wieder mit Almosen abgespeist (zB. 300 € für ausgewählte Personengruppen). Die Regierungen sollten alles daran setzen den Energiemarkt neu zu regeln, und als erstes den Strompreis vom Gaspreis abkoppeln. Sinnvoll wäre auch eine dEckelung des Preises bei Erneuerbaren, da die am meisten von den hohen VK profitieren.

pcn
2 Jahre her

Alle, die von der schon (meiner Meinung nach) kriminellen Ideologie der Grünen überzeugt sind, wir alle gehen auf die Strasse. An alle Interessenten und Mitstreiter: Sie finden die Termine nach Bundesländern geordnet jederzeit im Internet und werden täglich aktualisiert. Hier noch ein Video, das Julian Reichelt gemacht hat und akribisch diese Deutschland zerstörende Ideologie der Grünen aufschlüsselt.
https://youtu.be/6iXTr2gfDSo

GP
2 Jahre her

Aktuell auf SPON:

Noch nie wurde so viel über Klimaschutz diskutiert, gleichzeitig werden Kohlekraftwerke wieder hochgefahren. Die Transformationsforscherin Maja Göpel darüber, was in Deutschland falsch läuft – und wie wir umdenken können.

Was zum Teufel ist eine „Transformationsforscherin“….???‍♀

RS
2 Jahre her
Antworten an  GP

Naja, eine Frau, die Ihnen sagt, wie Sie umdenken sollen. Früher hätte man von Umerziehung… Also wenn die Realität mit dem Denken nicht übereinstimmt, sollte man das Denken ändern, nicht etwa die Realität. Denn die ist von Gott gegeben. Sie wissen schon, von den kleinen grünen Männlein*innen, die Ihnen ständig erklären, wie die Welt wirklich ist, nämlich anders als Sie sie sehen.

Herr Schmidt
2 Jahre her

Und wo ist das Problem? Ist eben alles vom Ende her gedacht wie die Mainstreammedien die Merkel-CDU ja immer gelobt haben. Das Ende ist wohl so eine Art Morgenthauplan 2 mit dem Unterschied dass es ein grosser BRD-Naturpark sein soll statt Agrarstaat. Die Bauern werden mit Verordnungen und Gesetzen schliesslich ordentlich drangsaliert auf dass Sie aufgeben. Also willkommen in der BRD wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und es ein paar Touristenführer gibt um die alten Industriedenkmäler zu besichtigen.

Archaeopteryx
2 Jahre her
Antworten an  Herr Schmidt

Oh doch – die BRD soll durchaus zu einem Agrarstaat gemacht werden. Dass die heimischen Bauern durch aberwitzige Verordnungen und Gesetze in den Ruin getrieben werden, ist kein Widerspruch hierzu, sondern der Plan. Denn dann steht der Uebernahme durch internationale Agrarkonzerne nichts mehr im Wege.

Herr Schmidt
2 Jahre her
Antworten an  Archaeopteryx

Glaube ich nicht, dann würden ja nicht wie jetzt 60% der Landwirtschaftsfläche quasi zu Naturschutzgebieten erklärt wo man nicht mehr Pflanzenschutz verwenden darf. Ich sehe das eher wie bei der Autoindustrie die ja auch mit Absicht und dem Beifall deren Manager durch aberwitzige Verordnungen und Gesetze kaputt gemacht wird. In spätestent 5 Jahren ist die Autoindustrie hier mausetot, ist ja jetzt schon am Tropf.