Prof. Weidenfeld: EU ist in einer Existenzkrise

Während in vielen Ländern rings um die EU mit einem möglichen Beitritt große Hoffnungen verbunden sind, zeigt sich der bestehende Staatenbund in der aktuellen Krise wie gelähmt. Ziel und Weg des Projekts Europa müssen jetzt klar festgelegt werden.

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München. Der Politikwissenschaftler Prof. Werner Weidenfeld sieht die EU in einer Existenzkrise. Immer mehr Staaten und Bürger stellten die Legitimation der EU oder gar ihre Existenz in Frage. „Der russische Angriff auf die Ukraine, die Bombardierung der Städte, die systematische Zerstörung der zivilen Infrastruktur und die russische Drohung mit einer militärischen Eskalation bis hin zum Einsatz von Atomwaffen haben die europäische Friedensordnung zertrümmert“, schreibt Weidenfeld in einem Gastbeitrag für das Monatsmagazin Tichys Einblick. „An die Stelle des institutionellen Vertrauens ist ein generelles Misstrauen getreten. Die Lüge wurde zum elementaren Beziehungsmaterial, das eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr zulässt.“

Zugleich habe der Krieg die EU in eine Existenzkrise gestürzt und werfe die Sinnfrage auf: „Was hält Europa eigentlich noch zusammen?“ Weidenfeld: „Nunmehr werden erstmals mit Nachdruck die Sinnfragen des Gesamtprojekts der Einigung Europas aufgeworfen.“ Europa fehle ein „Zukunftsnarrativ“, Europa zeige sich „als ein Kontinent der Fragezeichen – nicht der Antworten. Niemanden darf es daher überraschen, wenn ein deutlicher Vertrauensverlust in Politik und Demokratie zu registrieren ist.“

Europa erodiere von innen. „Nationalistische Alleingänge, populistische Slogans, egoistische Interessenlagen: Kollektive Erregung vernebelt den Verstand. Der Firnis der Zivilisation ist offenbar dünner als bisher angenommen. Vertrauen ist verloren gegangen. Der Kontinent wirkt mit Blick auf seine Gestaltungskraft, auf seine Integrationsleistung müde, pessimistisch, angstvoll. Europa ist dabei, nicht nur seine Kraft zu verlieren, sondern auch seine Seele.“


Der ganze Beitrag in Tichys Einblick 09-2022 >>>

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Kommentare ( 42 )

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Teiresias
2 Jahre her

Carlo Scmid (SPD), einer der Väter unseres Grundgesetzes, hat schon 1952 davor gewarnt, europapolitisch deutsche Interessen quasi als Wiedergutmachung immer hinten anzustellen. Seine Begründung damals schon: Wenn Deutschland nationale Egoismen in Europa belohnt, bekommen wir im Ergebnis ein Europa der nationalen Egoismen – statt eines Europa, daß gemeinsame Interessen vertritt. So ist in der deutschen Selbstlosigkeit der tiefere Grund für die Spaltung Europas zu sehen. Deutsches Geld hat die nationalen Egoismen in Brüssel großgefüttert, die jetzt, da das deutsche Geld zur Neige geht, zu Verteilungskämpfen um die Reste und Spaltung führt. Das ist ein bisher wenig beachteter, aber meiner Meinung… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Teiresias
Wolfbert
2 Jahre her

Die EU krankt vor allem daran, dass sie im Sinne irgendwelcher „Eliten“ gegen ihre Bürger anregiert und sie (mit möglichst viel administrativem Aufwand) mit immer mehr hirnrissigem Bürokratismus überzieht.
Ganz im Ernst: Nenne mir einer ein Projekt Brüsseler Herkunft, das den Bürgern etwas gebracht hat außer mehr Vorschriften, Papierkram und Ärgernissen – dann nehme ich alles zurück.
P.S. Und bitte nicht: „Frieden“ – den bekomme ich mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit genauso gut, wenn nicht besser hin.

Steve Acker
2 Jahre her

Ich bin sehr für die Zusammenarbeit zwischen Ländern, und ich weiss auch vieles was die europäischen Einigungsbemühungen gebracht haben, zu schätzen, zb. Freizügigkeit beim Reisen oder beim Warenverkehr.
Aber diese EU, mit einer v.dleyen, die Entscheidungen über 500 Millionen Europäer trifft, und die selbst überhaupt keine demokratische Legitimation hat, (von Macron und Merkel im Hinterstübchen in das Amt gebracht).
Da sage ich ganz klar. Nein zu dieser EU

Biskaborn
2 Jahre her

Der Blick des Professors auf die EU überrascht! Natürlich ist die EU ein Konstrukt von Nationalstaaten die, bis auf Deutschland, zuerst ihre Interessen vertreten. Das hat nichts mit nationalistischen Alleingängen und populistischen Slogans, sowie egoistische Interessenlagen zu tun, sondern ist handeln im Interesse des eigenen Volkes. Natürlich für den deutschen Professor undenkbar. Insofern verwundert ein solcher Artikel auf TE. Andererseits ist es natürlich richtig, auch solche Einschätzungen hier lesen zu dürfen.

Thomas Hellerberger
2 Jahre her

Ich habe den Beitrag nicht komplett gelesen, da ich diesmal nicht die gedruckte Ausgabe bezogen habe, dennoch halte ich Weidenfeld auf dem Irrweg.   Zwar ist seine Analyse pro forma vollkommen richtig, sie beschreibt aber nur Sympthome, ohne die grundsätzliche Frage aufzuwerfen: „Wenn ein System offensichtlich dysfunktional ist und dabei ist, zu scheitern – liegt es dann an den Akteuren oder am System?” Werner Weidenfels ist kein Unbekannter, er ist auch schon bei Will und Plasberg aufgetreten. Ihn als Linken oder Linksliberalen zu bezeichnen, führte trotzdem an der Sache vorbei. Doch er gehört ganz sicher zu den maßgeblich von den… Mehr

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

daß bereits das Konzept der „europäischen Einigung” scheitern muß, weil es nicht funktionieren kann, und nicht,weil die Herschenden böswillig oder unfähig sind.

Wieso ist das ein Entweder-Oder? Beides!
Das Konzept kann nicht funktionuieren und die Herrschenden sind böswillig.

November Man
2 Jahre her

Deutschland hat innerhalb der EU wohl die schlechtesten Renten, finanziert aber über immense Zahlungen mit unserem Steuergeld die Rentensysteme im Ausland. Die EU hat Deutschland bislang nur Kosten und viel Ärger eingebracht. Bei unserer Deutschen Bundesbank stapeln sich die ungedeckten, wertlosen Schuldscheine anderer hoch verschuldeten EU-Staaten aus dem Target II System in Höhe von fast einer Billion Euro bis unter die Decke. Nur von wertlosen Schuldscheinen kann Deutschland nicht leben. Wenn wir Target II, das System der unbegrenzten Kreditvergabe durch Deutschland an finanziell schwer angeschlagene Staaten nicht sofort stoppen, werden unsere Verluste noch viel höher werden. Denn damit zahlen wir… Mehr

November Man
2 Jahre her

Warum sollten gerade wir Deutschen die EU retten wollen?
Derzeit zählt die EU 27 Mitgliedstaaten.
Die Briten sind klugerweise aus der Europäischen Union ausgetreten.
27 zerstrittene Staaten, von denen sich 26 Staaten nur dann einig sind, wenn es darum geht Deutschland auszunehmen wie eine Weihnachtsgans.
Die gute alte EWG war für Deutschland wesentlich besser, die EWG hat Zukunft, die EU so nicht.
Nicht nur das Target II System mit den uns fehlenden, hoch ausbuchungsgefährdeten 940 Milliarden fehlender Einnahmen, sondern die gesamte EU-Mitgliedschaft ist für Deutschland nachweislich ein katastrophales Minusgeschäft.
Im Dexit liegt unsere Zukunft.

rainer erich
2 Jahre her

Ein Beitrag eines Experten, der gelinde formuliert, erstaunt. Ist es Nichtwissen oder eine besondere Form von gläubiger Naivitaet? Sind die Motive oder besser Interessen, die zur Bildung dieser EU und zur Einführung des Euro fuehren, immer noch unbekannt? Ignoriert der Professor das Treiben der Akteure und vor allem deren Intentionen und Fähigkeiten, kennt er vdL nicht? Glaubt er ernsthaft, dass ein derartiger Versuch, eine grosse Anzahl von failed states, die nur alimentiert werden wollen mit einigen Zahlenden zusammenzubringen, durchaus auch mit eher unfeinen Methoden, zu einem Gebilde fuehrt, das auf Augenhöhe mit den Grossen agiert und von denen als Mitspieler… Mehr

November Man
2 Jahre her

Diese EU in dieser Konstellation und Ausführung ist nicht mehr zu retten.
705 politisch drittklassige EU-Abgeordnete umzingelt von 25000 Lobbyisten, was soll daraus denn werden.
Es gilt deshalb, retten wir erst mal Deutschland vor der EU und vor der Von der Leyen, vor ihrem Green-Deal, vor seinen schlimmsten Feinden den linksrotgrünen Kartellparteien plus Antifa-Anhang, vor Migranten und Mutanten und vor den Fehlentscheidern Scholz, Lindner, Habeck, Bärbock und sonstigen linken Konsorten.

Franz Guenter
2 Jahre her

Zurück zur EWG, alles andere wird nie funktionieren. Das jetzige Konstrukt ist nur eine EUDSSR.